Nachfolgend ein Beitrag vom 8.5.2017 von Wozniak, jurisPR-InsR 9/2017 Anm. 4

Orientierungssatz zur Anmerkung

Die Vergütung des Insolvenzverwalters für eine Nachtragsverteilung im Verbraucherinsolvenzverfahren orientiert sich im Rahmen der Ermessensausübung des § 6 InsVV an den Staffelsätzen des § 2 InsVV, nicht an § 13 InsVV.

A. Problemstellung

Die Festlegung der Vergütung im Nachtragsverteilungsverfahren bereitet immer wieder Schwierigkeiten. Die Regelung in § 6 InsVV leistet hierzu einen nicht unerheblichen Beitrag, indem sie eine gesonderte Vergütung zuspricht, die unter Berücksichtigung des Werts der nachträglich verteilten Insolvenzmasse „nach billigem Ermessen“ zu bemessen ist.
Im hier vom LG Köln entschiedenen Fall, einem Verbraucherinsolvenzverfahren, stellte sich die Frage, ob die ermessensgerechte Vergütungsfestlegung ausgehend von den Staffelsätzen des § 2 InsVV oder über § 13 InsVV zu erfolgen hat und welcher prozentualer Anteil der Regelvergütung für die Durchführung einer Nachtragsverteilung als angemessen anzusehen sein soll. Das LG Köln gelangt in überzeugender Auslegung zu dem Ergebnis, dass die Staffelsätze des § 2 InsVV zum Tragen kommen und spricht für die Nachtragsverteilung 25% der Regelvergütung zu.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Im Rahmen einer sofortigen Beschwerde wurde der Beschluss des AG Köln vom 27.11.2015 im Verfahren 72 IK 503/13 dahingehend geändert, dass dem Verwalter für die Nachtragsverteilung eine Vergütung i.H.v. 14.021,89 Euro zzgl. 19% Umsatzsteuer i.H.v. 2.664,16 Euro, mithin ein Gesamtbetrag i.H.v. 16.686,05 Euro zuerkannt wurde.
Über das Vermögen des Schuldners war durch Beschluss des AG Köln vom 15.10.2013 (72 IK 503/13) das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Schuldner hat einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt. Zum Treuhänder nach Maßgabe des § 313 InsO a.F. wurde der Beteiligte zu 2) ernannt. Mit Beschluss des AG Köln vom 24.09.2014 wurde der Schlussverteilung zugestimmt und die Durchführung eines Schlusstermins im schriftlichen Verfahren angeordnet
Durch Beschluss des AG Köln vom 18.03.2015 wurde dem Schuldner die Restschuldbefreiung angekündigt und durch Beschluss vom 11.06.2015 das Verfahren mangels zur Verteilung stehender Masse ohne Schlussverteilung aufgehoben. Mit Schriftsatz vom 21.05.2015 beantragte der Beteiligte zu 2) die Anordnung der Nachtragsverteilung, da zwischenzeitlich ein älterer Vermögenswert bekannt geworden sei. Der Schuldner und dessen Verfahrensbevollmächtigte hätten mitgeteilt, dass dem Schuldner ein Pflichtteilsanspruch zustehe, der in Kürze ausgezahlt werden solle. Mit Beschluss vom 16.06.2015 ordnete das AG Köln sodann die Nachtragsverteilung hinsichtlich des Pflichtteilsanspruchs des Schuldners gegen den Nachlass des Herrn J. an. Der Pflichtteilsanspruch belief sich auf einen Betrag i.H.v. 1.416.878,08 Euro. Diesen Betrag vereinnahmte der Beteiligte zu 2), kündigte die Bildung bestimmter Ausschüttungen bzw. Rückstellungen sowie die Auskehr des verbleibenden Betrages an.
Am 02.11.2015 beantragte der Beteiligte zu 2) die Festsetzung seiner Vergütung für die Nachtragsverteilung gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 InsVV auf netto 53.132,93 Euro, entsprechend 25% aus 15% der auf Grundlage einer Nachtragsverteilungsinsolvenzmasse von 1.416.878,08 berechneten Regelvergütung gemäß § 13 Abs. 1 InsVV zzgl. 19% Umsatzsteuer hieraus i.H.v. 10.095,26 Euro, mithin insgesamt einen Betrag i.H.v. 63.228,19 Euro.
Dieser Betrag wurde dem Treuhänder durch Entscheidung des AG Köln zugesprochen. Hiergegen richtete sich die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 17.12.2015, der eine Herabsetzung der festgesetzten Vergütung auf einen Betrag i.H.v. 14.021,89 Euro, zzgl. 19% Mehrwertsteuer, insgesamt also einen Betrag i.H.v. 16.686,05 Euro begehrt. Zur Argumentation führte der Schuldner bzw. sein Verfahrensbevollmächtigter aus, dass die Vergütung nicht auf Basis von § 13 Abs. 1 InsVV, sondern von § 2 InsVV zu berechnen sei.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 09.02.2016 nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
Das LG Köln sieht die sofortige Beschwerde gemäß den §§ 64 Abs. 3, 4 InsO, §§ 567 ff. ZPO als zulässig und in der Sache auch als begründet an. Die Vergütung für die Nachtragsverteilung sei gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 InsVV nach billigem Ermessen unter Zugrundelegung der Nachtragsverteilungsmasse und – entgegen der Auffassung des Amtsgerichts und des Treuhänders – unter Heranziehung der Staffelsätze des § 2 InsVV festzusetzen. § 13 Abs. 2 InsVV stehe dem nicht entgegen. Denn nach der systematischen Stellung schließe diese Vorschrift nur die Anwendung des § 2 InsVV auf die im § 13 Abs. 1 InsVV abschließend geregelte Grundvergütung des Treuhänders aus, nicht aber die Heranziehung der Staffelsätze in der Bestimmung der gesonderten Vergütung für die Nachtragsverteilung im Rahmen des billigen Ermessens gemäß § 6 InsVV. Im Rahmen der Nachtragsverteilung entspreche die Tätigkeit des Treuhänders der eines Insolvenzverwalters, und die gesonderte Vergütung des Treuhänders könne aus der neuen Masse aufgebracht werden. Diese Vergütung sei daher auch genauso zu bemessen wie die eines Insolvenzverwalters, was nur durch eine Berechnung nach den Staffelsätzen des § 2 InsVV erreicht werden könne. Im Regelfall werde die Nachtragsverteilung mit 25% der Staffelsätze des § 2 InsVV vergütet; die vollen Staffelsätze erhalte der Insolvenzverwalter nur in besonderen Ausnahmefällen. Die im Rahmen des § 6 Abs. 1 Satz 1 InsVV übliche Vergütung i.H.v. 25% der Regelvergütung entspreche auch im vorliegendem Falle billigem Ermessen. Gründe für den Ansatz von mehr als 25% seien dem Vorbringen des Beteiligten zu 2) nicht zu entnehmen, zumal der Prozentsatz von 25% auch in dem Vergütungsfestsetzungsantrag des Beteiligten zu 2) vom 02.11.2015 zugrunde gelegt worden ist. Die Argumentation des Beteiligten zu 2) gehe (wie auch die Entscheidung des Amtsgerichts) dahin, die Anwendung der Staffelsätze des § 2 InsVV entspräche nicht billigem Ermessen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 InsVV.
Unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen unterliege aber nicht die Bestimmung der Berechnungsgrundlage billigem Ermessen i.S.d. § 6 Abs. 1 Satz 1 InsVV, sondern die Ermittlung der Höhe der Vergütung innerhalb des durch die Höhe der Nachtragsverteilungsmasse und die Staffelsätze des § 2 InsVV vorgegebenen Rahmens. Auch soweit der Beteiligte zu 2) sich in diesem Zusammenhang auf ein seiner Ansicht nach grob pflichtwidriges Verhalten des Schuldners durch Verschweigen des am 23.04.2014 eingetretenen Todesfalls seines Vaters und des hieraus resultierenden Pflichtteilsanspruchs bis zum 15.05.2015 beruft, greife dies nicht durch. Denn mit Rücksicht auf die familiäre Verbundenheit entscheide allein der Schuldner über die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs. Dass diese von dem Schuldner frei zu treffende Entscheidung verzögert worden wäre, gehe aus dem Vortrag des Beteiligten zu 2) nicht hervor. Unter Zugrundelegung der vorstehend genannten Maßstäbe errechne sich die dem Beteiligten zu 2) zustehende Vergütung ausgehend von einer unstreitigen Nachtragsverteilungsmasse i.H.v. 1.416.878,08 Euro unter Anwendung der Staffelsätze des § 2 InsVV wie tenoriert.

C. Kontext der Entscheidung

Das Landgericht Köln hatte sich in der vorliegenden Entscheidung mit der in der Praxis immer wieder vorkommenden Fragestellung zu befassen, inwieweit in einem Verbraucherinsolvenzverfahren die Berechnungsgrundlage bei der Nachtragsverteilung zu bestimmen und welche Vergütungssätze in Anwendung zu bringen seien. Dass die Frage bislang nicht hinreichend obergerichtlich entschieden ist, mag in dem Umstand begründet liegen, dass regelmäßig in Verbraucherinsolvenzverfahren keine so erheblichen Nachtragsverteilungsmassen zur Verfügung stehen, dass die Verwalter obergerichtliche Entscheidungen herbeiführen. Dies war im vorliegenden Fall ersichtlich anders. Der hier sich ergebende Pflichtteilsanspruch in Höhe von rund 1,5 Mio. Euro dürfte den Rahmen des üblichen Verbraucherinsolvenzverfahrens klar sprengen und macht insofern auch die Frage, welche Berechnungsgrundlage zugrunde zu legen ist, virulent.
Einigkeit besteht im Ausgangspunkt noch dahin, dass regelmäßig von einem 25%-Anteil der Regelvergütung ausgegangen werden kann. Diese auch in der Literatur weit überwiegend vertretene Auffassung findet zwar im Gesetz keine explizite Stütze, hat sich aber für durchschnittliche Nachtragsverteilungsverfahren eingebürgert.
Vergleicht man dies etwa mit der Regelvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters, ist ohnehin davon auszugehen, dass die Tätigkeit der Nachtragsverteilung relativ hoch vergütet wird. Unter Zugrundelegung des Umstandes, dass die InsVV dem Grundsatz nach eine tätigkeitsbezogene Vergütung ist und sich die Nachtragsverteilung regelmäßig auf Auszahlungsvorgänge an bereits bekannte und elektronisch erfasste Gläubiger beschränkt, stellt sich eine Vergütung i.H.v. 25% der Regelvergütung bereits als „relativ hoch“ dar. Dies zeigt sich bereits daran, dass vorläufige Insolvenzverwaltung und Nachtragsverteilung jedenfalls im Rahmen der Regelvergütung gleich laufen und hier erhebliche Divergenzen im auftretenden Arbeitsaufwand festzustellen sind.
Streitig war im vorliegenden Fall nunmehr nur die Frage, ob § 13 InsVV zur Anwendung kommt, was das erstinstanzliche Gericht und der Insolvenzverwalter/Treuhänder hier angenommen haben, oder die Staffelsätze des § 2 InsVV. Dass sich der Treuhänder nach altem Recht im vorliegenden Fall hier „geprellt“ vorkommen musste, weil der Schuldner den Pflichtteilsanspruch erst offenbarte, als das Verfahren abgeschlossen und die nach § 13 InsVV zu bemessende Vergütung festgesetzt war, hat das Gericht mit der Entscheidungsfreiheit des Schuldners beiseite gewischt.
Im vorliegenden Fall wirkt sich der Unterschied zwischen der Vergütung angelehnt an § 2 InsVV und § 13 InsVV recht erheblich aus.
Das Landgericht kommt gleichwohl zu der dogmatisch überzeugenden Auffassung, dass § 13 InsVV im Rahmen der Bestimmung des billigen Ermessens des § 6 InsVV auch im Verbraucherinsolvenzverfahren nicht anwendbar ist und insofern auch nicht durch § 13 Abs. 2 InsVV a.F. gesperrt wird. Denn das Nachtragsverteilungsverfahren wird als eigenständiges Verfahren gesehen, das auch eigenständig zu vergüten ist. Insofern sei nicht die Vergütungsregelung des Verbraucherinsolvenzverfahrens erheblich, sondern vielmehr die nach billigem Ermessen zu treffende Entscheidung, welche Vergütung im vorliegenden Fall angemessen ist. Hierbei könne sich an die Staffelsätze des § 2 InsVV angelehnt werden.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die praktische Relevanz der vorliegenden Entscheidung dürfte überschaubar sein, wenn man auf die absoluten Verfahrenszahlen blickt. Das Problem wird wirtschaftlich nur bei Verbraucherinsolvenzverfahren mit relativ großen Nachtragsverteilungsmassen relevant. Bei geringen Massen führt häufig § 2 InsVV zu „besseren“ Ergebnissen für den Verwalter.
Mit der Entscheidung des LG Köln ist hier ein Stück weit weitergehende Rechtssicherheit geschaffen.