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    Das Gewährleistungsrecht im Bereich des Gebrauchtwagenhandels, also der Kauf eines Fahrzeuges durch einen Verbraucher bei einem gewerblichen Verkäufer, ist zwischenzeitlich von einer nahezu unübersichtlichen Anzahl von Gerichtsurteilen geprägt. Auslöser sind immer wieder Umgehungsgeschäfte von Autohäusern, um die gesetzlichen Gewährleistungsrechte von Verbrauchern zu unterlaufen. Besonders beliebt scheint dabei nach wie vor das sog. Agenturgeschäft zu sein. Für den Einstieg in diese Rechtsmaterie verweise ich auf einen Aufsatz von Reinking, veröffentlicht erstmals im Jahre 2004.

    Aus einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes:

    „Nach einer im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung kann jedoch im Einzelfall eine Umgehung des für den Verbrauchsgüterkauf bezweckten Verbraucherschutzes anzunehmen sein, wenn das Agenturgeschäft mißbräuchlich dazu eingesetzt wird, ein in Wahrheit vorliegendes Eigengeschäft des Unternehmers zu verschleiern (Müller, NJW 2003, 1975, 1978 f.; May, DAR 2004, 557, 561; Hermanns, ZfS 2001, 437, 440; Faust in Bamberger/Roth, BGB, 2003, § 474 Rdnr. 7; S. Lorenz in MünchKommBGB, 4. Aufl., § 474 Rdnr. 19, § 475 Rdnr. 30; Staudinger/Matusche-Beckmann, BGB [2004], § 475 Rdnr. 45 ff., 49; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 7. Aufl., Rdnr. 758; Haas in Haas/Medicus/Rolland/Schäfer/Wendtland, Das neue Schuldrecht, 2002, Kapitel 5 Rdnr. 455 sowie Schlechtriem, Schuldrecht, Besonderer Teil, 6. Aufl., § 3 Rdnr. 98, jeweils für den Fall des Weiterverkaufs eines vom Händler in Zahlung genommenen Gebrauchtwagens; anderer Ansicht – generell kein Umgehungscharakter von Agenturgeschäften – Ziegler/Rieder, ZIP 2001, 1789, 1797; Erman/Grunewald, BGB, 11. Aufl., § 475 Rdnr. 7; Jauernig/Berger, BGB, 11. Aufl., § 475 Rdnr. 6; Oetker/Maultzsch, Vertragliche Schuldverhältnisse, 2. Aufl., S. 200 f.).

    Entscheidende Bedeutung kommt hierbei auch nach Auffassung des Senats der Frage zu, wie bei wirtschaftlicher Betrachtung die Chancen und Risiken des Gebrauchtwagenverkaufs zwischen dem bisherigen Eigentümer des Fahrzeugs und dem Fahrzeughändler verteilt sind (so insbesondere Faust,Matusche-Beckmann und May, jeweils aaO; S. Lorenz, aaO § 475 Rdnr. 30). Hat der Händler etwa ein Gebrauchtfahrzeug, das er „im Kundenauftrag“ weiterveräußert, dergestalt in Zahlung genommen, daß er dem Eigentümer des Fahrzeugs einen bestimmten Mindestverkaufspreis für das Altfahrzeug garantiert und ihm beim Kauf eines Neuwagens den entsprechenden Teil des Kaufpreises für das Neufahrzeug gestundet hat, so ist bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise von einem Ankauf des Altfahrzeugs durch den Händler auszugehen mit der Folge, daß er beim Weiterverkauf des Gebrauchtwagens als dessen Verkäufer anzusehen ist und das gleichwohl gewählte Agenturgeschäft nach § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB keine Anerkennung finden kann. Hat dagegen der Neuwagenkäufer das Risiko des Weiterverkaufs seines bisherigen Fahrzeugs zu tragen, so ist das Agenturgeschäft auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu akzeptieren; ein Umgehungstatbestand ist dann nicht anzunehmen.“

    Weiterhin ist ein sehr sorgfältig begründetes Urteil des AG Halle zu erwähnen, AG Halle (Saale), Urteil vom 17. März 2011 – 93 C 230/10 –, juris

    Orientierungssatz

    1. Bei Privatpersonen ist in der Regel davon auszugehen, dass das, was nicht in den Kaufvertrag aufgenommen wird, auch nicht Vertragsbestandteil werden soll. Die Vereinbarung eines umfassenden Gewährleistungsausschlusses spricht in derartigen Fällen gegen eine Zusicherung bei Vertragsschluss (OLG Schleswig, Urteil vom 6. Juni 2003, 14 U 110/02, MDR 2004, 140).
    2. Bei gewerblichen Anzeigen ist der Inhalt der Anzeige bei der Auslegung des auf Grund der Anzeige zustandegekommenen Kaufvertrages heranzuziehen (vergleiche LG Köln, Urteil vom 20. Januar 2011, 8 O 338/10, VRR 2011, 82 und LG Karlsruhe, Urteil vom 15. Februar 2010, 1 S 59/09, DAR 2010, 528).
    3. Tritt der private Verkäufer wie ein Unternehmer oder als Strohmann eines Unternehmers auf, muss er sich – insbesondere bei der Frage der Gewährleistung – auch wie ein Unternehmer behandeln lassen.

    Dieses Urteil beinhaltet aus meiner Sicht ein bis dato unterschätztes Gefahrenpotential für den Gebrauchtwagenhändler, weil es in den Entscheidungsgründen eine juristische Argumentation aufgreift, die ich als Fachanwalt u.a. für Handelsrecht als unmittelbar überzeugend ansehe:

    „Im Kundenauftrag“ ist so zu verstehen, dass der Anbieter als Kommissionär im Sinne des § 383 HGB im eigenen Namen für Rechnung eines anderen verkauft, was ein Handeln als Unternehmer nicht nur nicht ausschließt, sondern im Gegenteil gerade bedingt.“

    Wenn sich diese Rechtsauffassung durchsetzen sollte, sind künftig nicht nur sämtliche Versuche der Umgehung zwingender gesetzlicher Verbraucherrechte auf der Ebene der Gewährleistung mit dem Verkauf „im Kundenauftrag“ zwecklos, vielmehr wird das wiederbelebte sog. Agenturgeschäft jeglicher Grundlage beraubt.

    Gewährleistung: Verkauf im Kundenauftrag
    Ulrike LamprechtRechtsanwältin
    • Fachanwältin für Verkehrsrecht
    • Fachanwältin für Medizinrecht