Nachfolgend ein Beitrag vom 17.12.2018 von Steinhauff, jurisPR-SteuerR 50/2018 Anm. 2
Leitsätze
1. Das Finanzamt darf durch Verwaltungsakt gemäß § 251 Abs. 3 AO feststellen, dass ein Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt worden ist.
2. Der Steuerpflichtige ist auch dann wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt, wenn in einem Strafbefehl neben dem Schuldspruch eine Strafe bestimmt und die Verurteilung zu dieser Strafe vorbehalten worden ist.
3. Die Feststellung darf sich auf den Zinsanspruch beziehen, selbst wenn die strafrechtliche Verurteilung nicht wegen der Zinsen erfolgt ist.
A. Problemstellung
Der BFH stellt klar, dass der Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO auch den Zusammenhang einer rechtskräftigen steuerstrafrechtlichen Verurteilung des Steuerpflichtigen mit der aus dem Steuerschuldverhältnis herrührenden Verbindlichkeit feststellen kann. Ferner schließt sich der BFH der Rechtsprechung des BGH an, dass die Ausnahme von der Restschuldbefreiung auch dann gegeben ist, wenn der Schuldner wegen einer Insolvenzstraftat rechtskräftig verurteilt worden ist und neben dem Schuldspruch zwar eine Strafe bestimmt, jedoch die Verurteilung zu dieser Strafe vorbehalten worden ist. Schließlich darf sich der Feststellungsbescheid auch auf Zinsen beziehen, obwohl die strafrechtliche Verurteilung nicht ausdrücklich wegen der Zinsen erfolgt ist.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin gab ihre Umsatzsteuererklärungen nicht oder erst verspätet ab. Das beklagte Finanzamt setzte im Anschluss an eine Außenprüfung in den geänderten Bescheiden für die Jahre 2005 und 2006 sowie 2008 und 2009 Umsatzsteuer gegen die Klägerin fest. Die Umsatzsteuerbescheide wurden bestandskräftig. Im Verlauf der Außenprüfung hatte die Straf- und Bußgeldsachenstelle ein Steuerstrafverfahren gegen die Klägerin eingeleitet. Das Amtsgericht erließ 2012 einen Strafbefehl wegen Hinterziehung von Umsatzsteuer 2005 und 2006 sowie 2008 und 2009 nach § 370 Abs. 1 AO. Die hinterzogene Umsatzsteuer wird im Strafbefehl mit insgesamt 20.596,57 Euro angegeben; steuerliche Nebenleistungen sind nicht aufgeführt. Die Klägerin wurde gemäß § 59 StGB verwarnt, und die Festsetzung einer Gesamtgeldstrafe in Höhe von 75 Tagessätzen zu je 15 Euro blieb für den Fall vorbehalten, dass sich die Klägerin binnen zwei Jahren nicht bewähre. Dagegen erhob die Klägerin keinen Einspruch. Mit Beschluss vom 25.06.2014 stellte das Amtsgericht fest, dass es mit der Verwarnung im Strafbefehl sein Bewenden habe.
Das Amtsgericht (Insolvenzgericht) eröffnete im Dezember 2015 auf Antrag der Klägerin – verbunden mit einem Antrag auf Erteilung der Restschuldbefreiung – das Insolvenzverfahren über deren Vermögen. Das Finanzamt meldete Umsatzsteuerforderungen (einschließlich Zinsen und Säumniszuschlägen) für die Jahre 2005 und 2006 sowie 2008 und 2009 in Höhe von 24.859,50 Euro zur Tabelle an und fügte den Strafbefehl bei. Nach Übersendung der Umsatzsteuerbescheide durch das Finanzamt stellte der Insolvenzverwalter die Forderungen wie angemeldet fest.
Nachdem die Klägerin der „Behauptung des Finanzamts“ widersprochen hatte, dass die Forderung in einem Rechtsgrund begründet sei, der nach § 302 Nr. 1 InsO von der Erteilung der Restschuldbefreiung ausgenommen sei, stellte das Finanzamt im streitgegenständlichen Feststellungsbescheid vom 17.08.2016 die Umsatzsteuerforderungen (einschließlich Zinsen und Säumniszuschlägen) in Höhe von insgesamt 24.859,50 Euro als Insolvenzforderungen i.S.d. § 174 Abs. 2 InsO fest.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das FG Stuttgart (Urt. v. 18.05.2017 – 1 K 3539/16 – EFG 2018, 235) der Klage statt, soweit das Finanzamt auch die Zinsen in die Feststellung zum Rechtsgrund einer Steuerhinterziehung einbezogen hatte. Hiergegen legten sowohl die Klägerin als auch das Finanzamt Revision ein.
Der BFH gab der Revision des Finanzamts statt und wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück. Er führte zur Begründung aus:
I. Das Finanzamt sei berechtigt gewesen, auf den gemäß § 184 Abs. 1 InsO erhobenen Widerspruch der Klägerin gegen die Anmeldung der Umsatzsteuerforderungen (einschließlich Zinsen) zur Insolvenztabelle nach § 251 Abs. 3 AO festzustellen, dass es sich dabei um Forderungen i.S.d. §§ 174 Abs. 2, 175 Abs. 2, 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO handele. Die Feststellung sei erforderlich („erforderlichenfalls“) gewesen, weil die Klägerin dem Rechtsgrund der Steuerstraftat widersprochen habe.
II. Habe der Schuldner eine Forderung bestritten, könne der Gläubiger nach § 184 Abs. 1 Satz 1 InsO Klage auf Feststellung der Forderung erheben. Sei für die Feststellung der Forderung der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht gegeben, könne das Finanzamt die Feststellung selbst vornehmen (§ 251 Abs. 3 AO). Für die Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO) seien die ordentlichen Gerichte nicht zuständig (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO).
III. Wenn auch der Streit um die rechtliche Einordnung der angemeldeten Forderung als Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung vor den Zivilgerichten zu führen sei (BGH, Beschl. v. 02.12.2010 – IX ZB 271/09 – ZInsO 2011, 44), sei dies nicht auf § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO zu übertragen, weil es dort nicht um die Feststellung einer Steuerstraftat, sondern um die Feststellung einer rechtskräftigen Verurteilung gehe. Diese Vorfrage hätten die zuständigen Strafgerichte bereits geklärt. Der Gesetzgeber habe ausweislich der Gesetzesbegründung auf eine rechtskräftige Verurteilung abgestellt, um dem Gericht zu ersparen, selbst die objektiven und subjektiven Voraussetzungen der Straftat feststellen zu müssen (BT-Drs. 17/11268, S. 32).
IV. Die Klägerin sei auch nicht durch eine angebliche Verkürzung des Rechtswegs benachteiligt. Gegen den Feststellungsbescheid habe sie Einspruch einlegen und Klage zum Finanzgericht erheben können. Hätte das Finanzamt Feststellungsklage zum Amts- bzw. Landgericht (LG) erheben müssen, hätte sich die Klägerin in dem entsprechenden Gerichtsverfahren wehren können. In beiden Fällen käme es zu einer richterlichen Überprüfung der Frage, ob eine rechtskräftige Verurteilung wegen einer Steuerstraftat vorliege.
V. Das Finanzgericht habe zutreffend angenommen, dass die Klägerin in Zusammenhang mit den Umsatzsteuer-Forderungen für die Jahre 2005 bis 2006 und 2008 bis 2009 rechtskräftig verurteilt worden sei.
Da die Klägerin gegen den Strafbefehl nicht rechtzeitig Einspruch eingelegt habe, stehe der Strafbefehl einem Urteil gleich (§ 410 Abs. 3 StPO).
Die Klägerin sei wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt, obwohl neben dem Schuldspruch eine Strafe zwar bestimmt worden, die Verurteilung zu dieser Strafe jedoch lediglich vorbehalten geblieben sei. Für den Fall einer Insolvenzstraftat (§ 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO) habe der BGH diese Frage ausdrücklich bejaht und sich mit der abweichenden Ansicht im Schrifttum auseinandergesetzt (vgl. BGH, Beschl. v. 16.02.2012 – IX ZB 113/11 – NJW 2012, 1215; LG Offenburg, Beschl. v. 14.02.2011 – 4 T 33/11 – ZInsO 2011, 542). Da § 290 Abs. 1 Nr. 1 und § 302 Nr. 1 InsO im Wortlaut „rechtskräftig … verurteilt“ übereinstimmten, bestehe kein Anlass für eine abweichende Auslegung.
VI. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordere keine einschränkende Auslegung des § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO. Der Wortlaut der Vorschrift sehe keine Bagatellgrenze vor. Die Bagatellgrenze in § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO (Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten) sei durch das Gesetz zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte (v. 15.07.2013 – RestSchBefrVerfG – BGBl I 2013, 2379) mit Wirkung zum 01.07.2014 eingeführt worden. Mit demselben Gesetz hat der Gesetzgeber § 302 Nr. 1 InsO um die Steuerstraftaten ergänzt, ohne diesbezüglich eine Bagatellgrenze vorzusehen. Vor diesem Hintergrund könne nicht von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden. Der Gesetzgeber habe die Rechtsprechung des BGH gekannt, wonach geringfügige Pflichtverletzungen nicht zu einer Versagung der Restschuldbefreiung führen sollten (BGH, Beschl. v. 16.02.2012 – IX ZB 113/11 Rn. 13 – NJW 2012, 1215 m.w.N.). Die Folgen nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO seien außerdem gravierender, weil die Restschuldbefreiung vollständig versagt werde, wohingegen § 302 Nr. 1 InsO nur Ausnahmen von der Restschuldbefreiung für bestimmte Forderungen vorsehe.
Trotz Tilgung der Eintragung im Bundeszentralregister (§ 12 Abs. 2 Satz 2 BZRG) liege weiterhin eine Verurteilung nach § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO vor. Auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit komme es auf die Tilgung nicht an. Zwar habe sich der BGH vor der Änderung des § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO durch das RestSchBefrVerfG für Einschränkungen bei Tilgungsreife der Eintragungen im Bundeszentralregister ausgesprochen (BGH, Beschl. v. 16.02.2012 – IX ZB 113/11 – NJW 2012, 1215). In der Folge habe der Gesetzgeber durch die Einführung einer fünfjährigen Frist in § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO klargestellt, dass eine Versagung der Restschuldbefreiung nicht mehr auf Verurteilungen gestützt werden könne, die länger als fünf Jahre zurücklägen. Eine solche zeitliche Einschränkung enthalte § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO jedoch nicht. Das sei nicht unverhältnismäßig, weil § 302 Nr. 1 InsO nur den Ausschluss einzelner Forderungen aus der Restschuldbefreiung betreffe und zeitliche Grenzen der Geltendmachung durch Festsetzungs- und Zahlungsverjährung bestünden.
Schließlich liege auch keine unzulässige Rückwirkung vor, obwohl die in dem Strafbefehl festgelegte Bewährungszeit im Juni 2014 – somit vor der Neufassung des § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO ab 01.07.2014 – bereits abgelaufen gewesen sei. Abzustellen sei nicht auf die Verwirklichung der Steuerstraftaten bzw. die Verurteilung, sondern auf den Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung.
Die neue Gesetzesfassung sei auf Insolvenzverfahren anzuwenden, die nach dem 30.06.2014 beantragt worden seien (Art. 103h EGInsO). Die Klägerin habe am 11.10.2015 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt.
Allerdings habe das Finanzgericht zu Unrecht die Zinsen nicht berücksichtigt.
VII. Obgleich in dem Strafbefehl die Zinsen nicht aufgeführt worden seien, fielen sie unter § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO. Das ergebe sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes. Zu den Verbindlichkeiten aus einem Steuerschuldverhältnis gehörten nach den §§ 37 Abs. 1, 3 Abs. 4 AO nicht nur der Steueranspruch selbst, sondern auch die steuerlichen Nebenleistungen wie Verzögerungsgelder, Säumniszuschläge, Zwangsgelder und Zinsen. Durch die Formulierung „sofern der Schuldner in Zusammenhang damit wegen einer Steuerstraftat … rechtskräftig verurteilt worden ist“ sollten auch Nebenleistungen berücksichtigt werden. Die Gesetzgebungsgeschichte bekräftige dieses Ergebnis. In der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 302 InsO (BT-Drs. 17/11268, S. 32) heiße es: „Der Unrechtsgehalt der genannten Straftaten rechtfertigt es, die in diesem Zusammenhang bestehenden Verbindlichkeiten des Schuldners dem unbegrenzten Nachforderungsrecht des Fiskus zu unterwerfen.“ Der Gesetzgeber habe sich mithin nicht auf die hinterzogenen Steuern beschränken wollen.
C. Kontext der Entscheidung
I. Für Forderungen aus vorsätzlich begangener Handlung i.S.d. § 302 Nr. 1 Alt. 1 InsO hat der BGH bereits mehrfach entschieden, dass ein isolierter Widerspruch gegen den Rechtsgrund möglich ist (BGH, Urt. v. 18.05.2006 – IX ZR 187/04 – NJW 2006, 2922; BGH, Urt. v. 18.01.2007 – IX ZR 176/05 – NJW-RR 2007, 991; BGH, Beschl. v. 03.04.2014 – IX ZB 93/13 – ZInsO 2014, 1055, dazu Hain, jurisPR-InsR 13/2014 Anm. 1). Dies überträgt der BFH auch auf die Fälle der Steuerstraftaten nach § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO.
II. Die Verwarnung mit Strafvorbehalt ist in § 59 StGB geregelt. Hat jemand Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen verwirkt, so kann ihn das Gericht unter bestimmten, im Gesetz genannten Umständen neben dem Schuldspruch verwarnen, die Strafe bestimmen und die Verurteilung zu dieser Strafe vorbehalten. Die Verwarnung kann auch in einem Strafbefehl erfolgen (§ 407 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StPO). Soweit gegen einen Strafbefehl nicht rechtzeitig Einspruch erhoben worden ist, steht er einem rechtskräftigen Urteil gleich (§ 410 Abs. 3 StPO).
In der Kommentarliteratur wird – ohne nähere Begründung – die Ansicht vertreten, eine Verwarnung mit Strafvorbehalt rechtfertige die Versagung der Restschuldbefreiung nicht, solange der verwarnte Täter nicht rechtskräftig zu der vorbehaltenen Strafe verurteilt worden sei (Uhlenbruck/Vallender, InsO, 13. Aufl., § 290 Rn. 21; Stephan in: MünchKomm InsO, 2. Aufl., § 290 Rn. 24; Ahrens in: FK-InsO, 6. Aufl., § 290 Rn. 15). Der BGH (Beschl. v. 16.02.2012 – IX ZB 113/11 – NJW 2012, 1215) ist dieser Auffassung bereits im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut nicht gefolgt. § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO stellt auf die rechtskräftige Verurteilung wegen einer Insolvenzstraftat ab, nicht auf die Verurteilung zu einer bestimmten Strafe. Die Gesetzgebungsgeschichte bestätigt diesen Befund. In der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 239 RegE-InsO (BT-Drs. 12/2443, S. 190) heißt es:
„Der Gesetzgeber hat im Abschnitt ‚Konkursstraftaten‘ – in Zukunft: ‚Insolvenzstraftaten‘ – des Strafgesetzbuchs mit den Tatbeständen der §§ 283 bis 283c StGB bestimmte Verhaltensweisen erfasst, durch welche die Befriedigung der Gläubiger erheblich beeinträchtigt oder gefährdet wird. Ein Schuldner, der solche Handlungen zum eigenen Vorteil und zum Nachteil der Gläubiger vornimmt, kann nach den Grundgedanken der neuen Regelung keine Schuldbefreiung beanspruchen (Nummer 1). Um das Insolvenzgericht nicht mit der Aufgabe zu belasten, selbst die objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer solchen Straftat nachzuprüfen, wird darauf abgestellt, ob ein strafgerichtliches Verfahren anhängig oder eine rechtskräftige Verurteilung erfolgt ist …“.
Grund für die Versagung der Restschuldbefreiung ist danach das unredliche Verhalten des Schuldners zum Nachteil seiner Gläubiger, welches die objektiven und subjektiven Voraussetzungen eines Insolvenzstraftatbestandes erfüllt. Auf die Strafe, welche der Strafrichter verhängt, kommt es nicht an. Das Erfordernis der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung ist nur zur Entlastung des Insolvenzgerichts in den Versagungstatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 1 StGB aufgenommen worden. Dass der Schuldner eine Insolvenzstraftat begangen hat, kann nur durch ein rechtskräftiges Strafurteil nachgewiesen werden. Dient das Strafurteil aber nur der Beweisführung, kann es nicht darauf ankommen, ob neben dem Schuldspruch eine Strafe verhängt oder ob die Verhängung der Strafe nur vorbehalten worden ist.
III. Der BFH ist der Rechtsauffassung des Finanzgerichts, wonach die Zinsen nicht unter die Ausnahme von der Restschuldbefreiung fielen, weil sie nicht im rechtskräftigen Strafbefehl aufgeführt worden sind, zu Recht im Hinblick auf den Wortlaut des § 302 Nr. 1 Alt. 3 InsO und der Entstehungsgeschichte dieser Regelung nicht gefolgt. Das Finanzgericht hatte die Auffassung vertreten, insoweit fehle es an dem Erfordernis, dass der Schuldner im Zusammenhang mit der Verbindlichkeit aus dem Steuerschuldverhältnis wegen einer Steuerstraftat rechtskräftig verurteilt worden sei. Nach dem Wortlaut des § 302 Nr. 1 InsO „sofern“ sei auch hinsichtlich der Nebenleistungen eine rechtskräftige Verurteilung notwendig (im Ergebnis wohl ebenso Dornblüth/Pape, ZInsO 2014, 1625, 1635, unter III.2.b; Wollweber/Bertrand, DStR 2015, 1115, 1116, unter 3.2.1). Zinsen auf Steuernachforderungen und Steuererstattungen seien ebenfalls Steuervorteile i.S.d. § 370 AO, weil die Verzinsung unmittelbar dem von der Strafnorm geschützten Rechtsgut, nämlich dem Anspruch des Steuergläubigers auf den vollen Ertrag jeder einzelnen Steuer, diene (vgl. BGH, Urt. v. 06.06.2007 – 5 StR 127/07 Rn. 20 f. – BGHSt 51, 356).
D. Auswirkungen für die Praxis
I. War der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestandskräftig bereits festgesetzt, so wirkt die Bestandskraft auch gegen einen Widersprechenden (BFH, Urt. v. 23.02.2010 – VII R 48/07 – BStBl II 2010, 562; Anm. Bartone, jurisPR-SteuerR 22/2010 Anm. 3; Cranshaw, jurisPR-InsR 9/2010 Anm. 4). Insoweit ist ein Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO grundsätzlich nicht erforderlich (Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 251 AO Rn. 66 m.w.N.). Nimmt der Widersprechende den Widerspruch nicht zurück, so kann die Finanzbehörde indes durch Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO feststellen, dass die angemeldete Forderung bestandskräftig festgesetzt ist und Wiedereinsetzungsgründe oder Korrekturvorschriften nicht eingreifen (BFH, Urt. v. 23.02.2010 – VII R 48/07 – BStBl II 2010, 562; Werth in: Klein, AO, 14. Aufl., § 251 Rn. 28).
II. Voraussetzung für eine Ausnahme von der Restschuldbefreiung bei den Verbindlichkeiten nach § 302 Nr. 1 InsO ist, dass der Gläubiger seine Forderung unter Angabe des Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 InsO zur Tabelle angemeldet hat (vgl. AEAO zu § 251, Nr. 5.2).
Hat das Finanzamt bei der Forderungsanmeldung Tatsachen angegeben, aus denen sich eine Steuerstraftat des Schuldners nach den §§ 370, 373 oder 374 AO ergibt, tritt die Ausnahme von der Erteilung der Restschuldbefreiung u.a. ein, wenn der Schuldner der Anmeldung der Forderung widersprochen hat und die rechtskräftige Verurteilung wegen einer Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 oder 374 AO vor Beendigung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist. In diesem Fall kann der Widerspruch durch Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO beseitigt werden (vgl. AEAO zu § 251, Nr. 5.3.2 und Nr. 15.2).
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