Nachfolgend ein Beitrag vom 20.11.2017 von Harbeck, jurisPR-InsR 23/2017 Anm. 4

Leitsatz

Ein Abschlag von 30% ist bei Überschaubarkeit der Vermögensverhältnisse des Schuldners, einfacher Verwertungstätigkeit und bei geringer Zahl der Gläubiger angemessen.

A. Problemstellung

Das LG Münster hatte sich mit der Frage der Angemessenheit der Vergütung des Insolvenzverwalters, insbesondere mit der Möglichkeit eines Abschlages von der Vergütung gemäß § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV, zu beschäftigen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Beschwerdeführer wurde als Insolvenzverwalter über das Vermögen einer natürlichen Person bestellt. Die Vermögensverhältnisse und die Zahl der Gläubiger des Schuldners waren während des gesamten Insolvenzverfahrens überschaubar. Gemäß § 63 Abs. 1 InsO hat der Insolvenzverwalter grundsätzlich einen Anspruch auf Vergütung für seine Geschäftsführung und Erstattung seiner Auslagen. Diesen Anspruch machte der Beschwerdeführer gegenüber dem Insolvenzgericht geltend.
Das Insolvenzgericht war im Rahmen der Prüfung des Vergütungsantrags zu dem Ergebnis gekommen, dass in dem gegenständlichen Insolvenzverfahren aufgrund der Unkompliziertheit des Verfahrens ein Abschlag von der Regelvergütung gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 2 Abs. 1 InsVV i.H.v. 30% gemäß § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV angemessen sei. Gegen den die reduzierte Vergütung festsetzenden Gerichtsbeschluss hat der Insolvenzverwalter Beschwerde eingelegt.
Das LG Münster hat die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Begründet hat die Kammer ihre Entscheidung mit dem Gedanken, dass das die Vergütung festsetzende Gericht gemäß § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV immer dann einen Abschlag von der Regelvergütung gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 InsO i.V.m. § 2 Abs. 1 InsVV vornehmen kann, wenn die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering ist. Diese Voraussetzungen seien vorliegend gegeben.
Ferner sei zu berücksichtigen, dass der Insolvenzantrag von einer Anwaltskanzlei vorbereitet und mit diesem alle für den Insolvenzverwalter nötigen Informationen bereits mit übersandt wurden, so dass weitere Recherchearbeit des Insolvenzverwalters nicht erforderlich war. Die übersandten Unterlagen machten deutlich, dass sich das Vermögen des Schuldners auf eine Lebensversicherung, einen Bausparvertrag, Anfechtungs- und Steuererstattungsansprüche und pfändbares Arbeitseinkommen beschränkte. Die Verwertung des vorhandenen Vermögens stellte sich in der Folge(zeit), insbesondere weil der Schuldner den Arbeitgeber nicht wechselte und seine Steuererklärungen nach Aufforderung selbst erstellte, als relativ arbeitsarm heraus. Lediglich der Einzug des Guthabens der Lebensversicherung und die Realisierung der Anfechtungsansprüche bedurften eines geringfügig höheren Aufwandes. Insgesamt betrachtet war das gegenständliche Insolvenzverfahrens jedoch wenig arbeitsaufwändig.

C. Kontext der Entscheidung

Grundsätzlich ist relevant für die Frage, ob ein Abschlag von der Regelvergütung des Insolvenzverwalters in dem individuell zu beurteilenden Fall vorzunehmen ist oder nicht, ob der Aufwand, den der Insolvenzverwalter in dem individuellen Verfahren im Rahmen der Verwaltung betreiben musste, regelgerecht oder vermindert bzw. erhöht war. Weicht der Arbeitsaufwand von der gesetzlich statuierten Regel ab, so sind entweder Erhöhungstatbestände oder spiegelbildlich Reduzierungstatbestände bezüglich der Insolvenzverwaltervergütung einschlägig.
Das gilt auch dann, wenn dies im Einzelfall zu einer nicht auskömmlichen Vergütung führt. Dies ist dem System der insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung immanent. Andernfalls müssten umgekehrt bei höheren Berechnungsgrundlagen Obergrenzen im Verhältnis zu den tatsächlich entstandenen Kosten eingeführt werden (BGH, Beschl. v. 12.01.2012 – IX ZB 97/11 – ZInsO 2012, 300).
Jüngst hat der BGH dies bestätigt. So hat er in seiner Entscheidung vom 06.04.2017 (IX ZB 48/16) beschlossen, dass ein Abschlag von der Regelvergütung dann vorzunehmen sei, wenn lediglich zwei Lebensversicherungen zu verwerten und der monatliche Eingang des pfändbaren Teils des Einkommens und der Steuererstattung des Schuldners auf dem Insolvenzsonderkonto zu überwachen gewesen seien. Diese Tätigkeiten seien so überschaubar, dass ein Abschlag von der Regelvergütung i.H.v. 15% gerechtfertigt sei. Dazu war in dem konkreten Fall, wie im Übrigen auch in dem hier besprochenen, getreten, dass die Unterlagen gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO bereits von einer Anwaltskanzlei vorgelegt worden seien, so dass eine diesbezügliche Recherche und Zusammenführung der Unterlagen ebenfalls nicht mehr seitens des Insolvenzverwalters erfolgen musste. Dieser Umstand rechtfertige nach Auffassung des BGH eine weitere Reduzierung der Regelvergütung um 25%, so dass für die vorgenannten Abschlagsfaktoren eine Reduzierung um insgesamt 40% vorgenommen wurde.
Der BGH hat in diesem Zusammenhang zugleich wiederholt, dass die Beurteilung etwaiger Zu- oder Abschläge Aufgabe des Tatrichters sei (st. Rspr., jüngst BGH, Beschl. v. 09.06.2016 – IX ZB 17/15 Rn. 14 – WM 2016, 1304). Die Rechtsbeschwerdeinstanz dürfe in der Folge nur überprüfen, ob eine Gefahr der Verschiebung von Maßstäben bestehe (BGH, Beschl. v. 04.07.2002 – IX ZB 31/02 – ZIP 2002, 1459, 1460; bestätigt in BGH, Beschl. v. 22.06.2017 – IX ZB 65/15 – ZInsO 2017, 1694). Es genüge daher, wenn der Tatrichter die potentiellen Zu- oder Abschläge dem Grunde nach prüfe und unter Betrachtung sämtlicher Umstände des Einzelfalls eine Angemessenheitsbetrachtung vornehme und auf Grundlage dieser einen Zu- oder Abschlag vornehme (BGH, Beschl. v. 20.05.2010 – IX ZB 11/07 Rn. 9 – BGHZ 185, 353).
Diese Sicht- bzw. Vorgehensweise werde nach Auffassung des BGH nunmehr durch § 3 Abs. 2 Buchst. e InsVV gerechtfertigt, wenn die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering ist. Insbesondere die Verfahrenserleichterungen gemäß § 5 Abs. 2 InsO und die daraus folgenden reduzierten Anforderungen an den Insolvenzverwalter rechtfertigen nach Auffassung des Gesetzgebers einen Abschlag von der Insolvenzverwaltervergütung (BT-Drucks. 17/11268, S. 36).
Mit Beschluss vom 22.06.2017 (IX ZB 65/15 – ZInsO 2017, 1694) hat der BGH die Zu- und Abschlagsthematik gemäß § 3 InsVV erneut aufgegriffen und klargestellt, dass die in der Vorschrift genannten Tatbestände nur beispielshaften Charakter haben, im Umkehrschluss daher darüber hinaus weitere Umstände vorliegen können, die für die individuelle Bemessung der Vergütung Bedeutung gewinnen können. Die Bewertung dieser Umstände obliegt sodann dem Tatrichter. Praktisch betrachtet ist Dreh- und Angelpunkt die Antwort auf die Frage, ob der Insolvenzverwalter in dem konkreten Verfahren stärker oder schwächer als vom Gesetzgeber als Regel aufgestellter Maßstab beansprucht wurde (BGH, Beschl. v. 11.05.2006 – IX ZB 249/04 – NZI 2006, 464). Der Mehr- oder Minderaufwand müsse jedoch ein gewisses Maß erreichen, um einen Ausschlag nach oben oder unten zu rechtfertigen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Ausgehend von dem Gedanken, dass beispielsweise Insolvenzverfahren über Vermögen natürlicher oder juristischer Personen regelmäßig einen gewissen Arbeitsaufwand bedeuten und daher dem Insolvenzverwalter eine Regelvergütung zustehen soll, muss es, bereits der Terminologie folgend, von dieser Regel auch Ausnahmen geben. Solche sind auf Grundlage der vorherigen Erkenntnis dann gegeben, wenn für den Insolvenzverwalter mehr oder weniger Arbeitsaufwand in dem individuellen Insolvenzverfahren angefallen ist. Im Falle eines Mehraufwandes sollte das Insolvenzgericht eine erhöhte Vergütung festsetzen, im Falle eines Minderaufwandes erscheint es nur angemessen und gerecht, dass der Insolvenzverwalter weniger als die Regelvergütung erhält, da er auch weniger Arbeit geleistet hat.
Nicht verständlich ist jedoch, warum der BGH nach wie vor an dem Gedanken festhält, dass ein Abschlag von der Regelvergütung auch dann vorzunehmen ist, wenn der Tatrichter im Rahmen der Prüfung des Vergütungsantrages feststellt, dass die in dem individuellen Verfahren festzusetzende Vergütung ggf. nicht auskömmlich für den Insolvenzverwalter ist. Den Insolvenzverwalter an dieser Stelle auf die propagierte Querfinanzierung, namentlich eine erhöhte Vergütung und deren Kompensationswirkung aus einem anderen Insolvenzverfahren zu verweisen, mag nur bedingt überzeugen.
Hintergrund ist, dass größere oder gar reine Insolvenzverwalterkanzleien sicherlich auf diese Querfinanzierung zurückgreifen können, mit der Folge, dass das Geschäft der Insolvenzverwaltung schlussendlich wirtschaftlich doch sinnvoll ist. Bei kleineren Einheiten, die bereits infolge ihrer Größe nur Insolvenzverfahren über Vermögen natürliche Personen oder kleiner juristischer Personen bearbeiten, vermag diese Querfinanzierung jedoch unter Umständen nicht auskömmlich zu sein. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass sowohl Insolvenzgericht als auch Insolvenzverwalter zum Zeitpunkt der Bestellung des Verwalters meist noch nicht überblicken können, ob es sich um ein durch den Insolvenzverwalter quer zu finanzierendes Insolvenzverfahren handelt oder nicht. Das Risiko, vermehrt quer zu finanzierende Verfahren zu erhalten, trägt der Insolvenzverwalter. Dies kann vor dem Hintergrund des Grundsatzes einer angemessenen Vergütung nicht gewollt sein.

Reduzierung der Verwaltervergütung in überschaubaren Verfahren
Thomas HansenRechtsanwalt
  • Fachanwalt für Steuerrecht
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