Nachfolgend ein Beitrag vom 12.09.2016 von Raab, jurisPR-InsR 17/2016 Anm. 5
Orientierungssätze
1. Die geschäftsmäßige Speicherung der auf dem Internetportal www.insolvenzbekanntmachungen.de bekanntgemachten Restschuldbefreiung des Insolvenzschuldners im Datenbestand eines Dritten ist zulässig, da es sich bei diesem Internetportal um eine allgemein zugängliche Quelle i.S.v. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. BDSG handelt.
2. Der geschäftsmäßigen Datenspeicherung zum Zwecke der Übermittlung steht nicht entgegen, dass die Bekanntmachung der Restschuldbefreiung auf dem Internetportal nach § 3 Abs. 1 der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet (InsoBekV) nur für die Dauer von sechs Monaten öffentlich zugänglich ist, während sie zum Zwecke der Auskunftserteilung gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BDSG für die Dauer von drei Jahren gespeichert werden darf.
3. Der Speicherung der Daten über die erteilte Restschuldbefreiung steht auch nicht entgegen, dass das schutzwürdige Interesse des Insolvenzschuldners an dem Ausschluss der Speicherung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG offensichtlich überwiegt. Es ist nicht Zweck der Erteilung der Restschuldbefreiung, dass der Schuldner wieder am Wirtschaftsleben teilnehmen kann, als ob es das Insolvenzverfahren nicht gegeben hätte. Daher kann er nicht verlangen, einer Person gleichgestellt zu werden, die niemals von einer Insolvenz betroffen war. Ein solches Interesse ist nicht schutzwürdig.
A. Problemstellung
In der vorliegenden Entscheidung des OLG Frankfurt begehrte der Kläger die Löschung eines Eintrages im Internet über die Erteilung der Restschuldbefreiung über sein Vermögen. Die Entscheidung setzt sich mit der Frage auseinander, ob die Voraussetzungen des § 29 BDSG einschlägig sind.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger führt zur Begründetheit des Löschungsanspruches an, dass § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG gegen die Europäische Datenschutz-Richtlinie (95/46/EG) verstoße und die Voraussetzungen für eine Löschung vorliegen würden, da die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Veröffentlichung nach § 29 BDSG nicht gegeben seien. Weiterhin sei die Speicherfrist am 31.12.2013 abgelaufen.
Die Vorinstanz hatte ausgeführt, dass der Kläger sich nicht auf die Europäische Datenschutz-Richtlinie berufen könne. Weiterhin waren die Voraussetzungen nach § 29 BDSG gegeben, so dass nach der Entscheidung des Landgerichts eine rechtmäßige Datenspeicherung vorlag. Weiterhin hätten potenzielle Vertragspartner ein schützenwertes Interesse daran, von der Erteilung der Restschuldbefreiung Kenntnis zu erlangen, und die Speicherfrist würde erst am 31.12.2016 ablaufen.
Das OLG Frankfurt hält die Berufung für zulässig, jedoch unbegründet. Die Vorinstanz habe zu Recht entschieden, dass die Speicherung der Daten durch die Beklagte nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG zulässig sei. Die vorgenannte Norm verstoße zudem nicht gegen Art. 7 der Europäische Datenschutz-Richtlinie. Zu Recht habe hierzu das Landgericht darauf hingewiesen, dass die Richtlinie keine unmittelbare Drittwirkung zwischen Privaten entfaltet.
Nach der Rechtsprechung des EuGH können Richtlinien zwar generell unmittelbare Geltung zugunsten Einzelner erlangen, wenn die Richtlinie nicht oder nicht richtig umgesetzt wurde. Diese Wirkung der Richtlinie zugunsten eines Privaten gelte jedoch nur gegenüber dem betreffenden Mitgliedstaat. Eine sog. horizontale Drittwirkung, mitunter eine Wirkung zwischen Privatpersonen kommt nicht in Betracht.
Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG ist das geschäftsmäßige Speichern von personenbezogenen Daten zum Zweck der Übermittlung insbesondere dann zulässig, wenn die Daten aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden können oder die verantwortliche Stelle sie veröffentlichen durfte, es sei denn, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Erhebung, Speicherung oder Veränderung offensichtlich überwiegt. Nach Ansicht des Gerichts sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Speicherung erfüllt und das Ausschlusskriterium nicht einschlägig.
Seitens der Beklagten wurde die Information von www.insolvenzbekanntmachungen.de und somit von einer allgemein zugänglichen Quelle erlangt. Nach § 300 Abs. 4 InsO war die Erteilung der Restschuldbefreiung bekanntzumachen. Dies geschah nach § 300 Abs. 1 InsO durch Veröffentlichung im Internet am 17.12.2013. Es erfolgte die übliche zur Verfügungsstellung der Information für einen Zeitraum von zwei Wochen.
Weiterhin konnte die Frage offenbleiben, ob die Beklagte die Information noch während des Zeitraums von zwei Wochen oder erst innerhalb der ersten sechs Monate nach der erstmaligen Veröffentlichung im Internet in ihre Auskunftei aufgenommen hat. Denn nach Ablauf der zwei Wochen bleibt die Information über die Erteilung der Restschuldbefreiung weiterhin bis zum Ablauf von sechs Monaten jedermann zugänglich. Eine Informationsquelle ist als allgemein zugänglich anzusehen, wenn sie technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, d.h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen (BVerfG, Beschl. v. 03.10.1969 – 1 BvR 46/65). Dies war auch während der folgenden sechs Monate der Fall. Der Zugang ist auch im erweiterten Zeitraum jedermann möglich, der den Sitz des Insolvenzgerichts und eine weitere Information wie Namen oder Sitz des Insolvenzschuldners oder die jeweilige Registernummer eingibt.
Weiterhin steht auch nicht entgegen, dass die Speicherung auf dem Internetportal www.insolvenzbekanntmachungen.de nur für die Dauer von sechs Monaten öffentlich zugänglich ist, während der Beklagte sie für die Dauer von drei Jahren speichern darf. Denn nach § 29 BDSG komme es lediglich darauf an, dass die Daten im Zeitpunkt der Speicherung aus öffentlichen Quellen entnommen wurden. Bei der Löschungspflicht nach § 3 Abs. 1 InsoBekV geht es lediglich um die öffentlichen Bekanntmachungen im Insolvenzverfahren. Die Speicherung nach § 29 BDSG stelle im Gegensatz hierzu gerade keine öffentliche Bekanntmachung dar, sondern dient nur der Information. Nach § 35 BDSG ist gerade erst nach drei bzw. vier Jahren zu prüfen, ob eine länger währende Speicherung erforderlich ist.
Weiterhin überwiegt im Rahmen einer Abwägung gerade nicht das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Speicherung nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG. Soweit der Kläger ausführt, dass sich sein finanzieller Zustand seit der Erteilung der Restschuldbefreiung enorm verbessert habe, so ist nach Ansicht des Gerichts unverständlich, dass es ihm nicht gelungen ist, potentielle Geschäftspartner von seiner Kreditwürdigkeit zu überzeugen und allein die Information über die Erteilung der Restschuldbefreiung ihn kreditunwürdig erscheinen lasse. Weiterhin sei es gerade nicht Zweck der Restschuldbefreiung, dass der Schuldner wieder am Wirtschaftsleben teilnehme, als ob es das Insolvenzverfahren nicht gegeben hätte. Der Schuldner könne gerade nicht verlangen, mit einer Person gleichgestellt zu werden, welche kein Insolvenzverfahren durchgeführt habe. Ein derartiges Interesse sei nicht schutzwürdig und könne daher gerade nicht das Interesse von zukünftigen Geschäftspartnern an der Überprüfung der Kreditwürdigkeit des Schuldners überwiegen. Im Rahmen der Bonitätsprüfung sei es gerade für potenzielle Geschäftspartner des Schuldners wichtig zu erfahren, ob das Risiko einer erneuten Insolvenz besteht. Hierfür sei die Erteilung der Restschuldbefreiung ein nicht unerhebliches Indiz.
Weiterhin sei die Sperrfrist nicht abgelaufen. Diese läuft erst am 31.12.2016 ab. Nach § 35 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 BDSG hat die Prüfung, ob die gespeicherten Daten gelöscht werden sollen, sofern diese mittlerweile erledigt sind, am Ende des dritten Kalenderjahres zu erfolgen. Die dreijährige Frist begann damit am 01.01.2014 zu laufen, nachdem die Erteilung der Restschuldbefreiung gegenüber dem Kläger am 17.12.2013 veröffentlicht wurde. Für die Berechnung dieser Frist war auch gerade nicht auf die Veröffentlichung über der Eröffnung des Insolvenzverfahrens abzustellen.
C. Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung beschäftigt sich mit den Voraussetzungen von § 29 BDSG und der unmittelbaren Drittwirkung von europäischen Richtlinien.
D. Auswirkungen für die Praxis
Ein Anspruch auf Löschung über die Erteilung der Restschuldbefreiung besteht erst nach Ablauf der Frist nach § 35 BDSG.