Nachfolgend ein Beitrag vom 21.11.2016 von Cranshaw, jurisPR-InsR 22/2016 Anm. 1

Leitsatz

Der durch die Nutzung im Insolvenzeröffnungsverfahren eingetretene Wertverlust an Aussonderungsgut (hier: Lastkraftwagen) kann anhand der Kauf- und Rückkaufpreise und der nach der durchschnittlichen Laufleistung ermittelten Gesamtlebensdauer geschätzt werden.

A. Problemstellung

Der Insolvenzrechtssenat des BGH hat sich damit befasst, welche Parameter herangezogen werden können, um den Wertverlust zu ermitteln, den ein Aussonderungsberechtigter durch die Nutzung von in seinem Eigentum stehenden Gegenständen während des Insolvenz(eröffnungs)verfahrens infolge einer Anordnung gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO hinnehmen muss, der ihm aber nach Satz 1 HS. 3 der zitierten Norm auszugleichen ist. Die Besprechungsentscheidung ist von erheblicher Bedeutung für Leasingunternehmen im Fall der Insolvenz des Leasingnehmers.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

I. Die Klägerin ist eine Garantin, die einer Leasinggeberin für deren Forderungen aus einem Finanzierungsleasing gegen eine insolvent gewordene N.-GmbH aufgrund der übernommenen Garantie einzustehen hatte. Beklagter ist der Insolvenzverwalter der GmbH, über deren Vermögen am 28.07.2010 das Insolvenzverfahren eröffnet worden war.
Die Schuldnerin, eine Speditions- und Logistikgesellschaft mit internationalen Aktivitäten, hatte bei der Klägerin im August 2009 eine LKW-Flotte von 26 Fahrzeugen „gekauft“, die die Leasinggeberin im Rahmen eines Finanzierungsleasingvertrags finanzierte. Bei genauer Betrachtung hat die Leasinggesellschaft die Fahrzeuge bei diesem typischen Leasingsachverhalt bei ökonomischer Betrachtung in einem Dreiecksgeschäft bei der Klägerin und Verkäuferin gekauft, bezahlt, das Eigentum daran erworben und sie in einem Leasingvertrag an die Schuldnerin verleast, d.h. vermietet mit den spezifischen weiteren Regeln eines Leasingvertrages, auf die hier nicht weiter einzugehen ist. Bereits ab Februar 2010, also nur ein halbes Jahr später, zahlte die Schuldnerin die Leasingraten nicht mehr. Daraufhin nahm die Leasinggeberin die Verkäuferin, sicherlich ein LKW-Hersteller oder eine Konzerngesellschaft desselben, aus der übernommenen Garantie in Anspruch. Es mag dahinstehen, ob diese Garantieübernahme einer ständigen Kooperation zwischen der Verkäuferin und der Leasinggeberin entsprach oder ob sie einzelfallbezogen erfolgte. Jedenfalls spricht Entscheidendes dafür, dass die Leasinggeberin die Bonität der späteren Schuldnerin nicht für völlig zweifelsfrei hielt und daher Absicherung ihrer Forderungen begehrte. Nach Inanspruchnahme aus der Garantie übereignete die Leasinggeberin die Fahrzeuge an die Verkäuferin zurück, eine wirtschaftlich sinnvolle Vorgehensweise, da die Hersteller regelmäßig an geeigneten Netzen zum Absatz gebrauchter Fahrzeuge beteiligt sein sollten.
Vermutlich im Mai 2010 wurde der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin gestellt, denn am 26.05.2010 wurde der spätere Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Am 28.05.2010 erließ das Amtsgericht/Insolvenzgericht einen Beschluss gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO, der im Ergebnis die Herausgabe der fraglichen LKW ausschloss, weil man sie von erheblicher Bedeutung für die Fortführung des Unternehmens der Schuldnerin ansah, denn ansonsten hätte diese Entscheidung nicht getroffen werden dürfen. Der Beklagte nutzte die LKW, ab 01.08.2010 zahlte er die vertraglich vereinbarten Leasingraten. Er hatte den Zustand der LKW zu Beginn des Nutzungszeitraums nicht dokumentiert, d.h. wohl auch nicht geprüft. Als Folge der Kündigungssperre des § 112 InsO konnte damit der Leasingvertrag nicht gekündigt werden, und der Verwalter hatte sich zugleich über die Dreimonatsfrist des § 169 Satz 2 InsO i.V.m. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 HS. 2 InsO Liquiditätseinbußen der Masse erspart. Er zahlt keine Leasingraten innerhalb eines Dreimonatszeitraums vor Eröffnung bzw. bis zum Berichtstermin, denn die laufenden Zinsen des § 169 Abs. 1 Satz 1 InsO, auf den § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 HS. 2 InsO verweist, bedeuten hier das vertragliche Nutzungsentgelt. Die Klägerin hat in der Hauptsache auf Zahlung eines Betrages von 60.128,48 Euro geklagt, der nach dem Klagevortrag als Wertminderung der Fahrzeuge eingetreten sei, als Folge deren Nutzung bei der Betriebsfortführung. Dieser Anspruch wiederum folgt aus § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 HS. 3 InsO, er ist vom Anspruch auf die Zinsen bzw. hier das Nutzungsentgelt gem. § 169 InsO zu unterscheiden, wobei es – wie zu zeigen sein wird – Überschneidungen gibt.
Das LG Hamburg hatte den Beklagten zur Zahlung von 42.981,63 Euro nebst Rechtshängigkeitszinsen verurteilt. Berufung und Revision des beklagten Insolvenzverwalters waren ohne Erfolg.
II. 1. Das OLG Hamburg als Berufungsgericht hatte den Anspruch dem Grunde nach bejaht und ausgeführt, der Höhe nach könne dieser aus der Wertdifferenz zwischen dem Zeitpunkt des Beginns und dem Ende der Nutzung ermittelt werden (das sind die „Kauf- und Rückkaufpreise“ in der Terminologie des Leitsatzes). Möglich sei die Ermittlung auf der Grundlage von Bewertungsgutachten, was allerdings nicht „zwingend“ sei. Offen lässt das Berufungsurteil, ob andere allgemeine Erfahrungssätze wie etwa die steuerlichen AfA-Sätze ebenfalls herangezogen werden könnten. Der Wertverlust könne vom Gericht anhand der „Gesamtlebensdauer“ in Relation zu der „durchschnittlichen Laufleistung“ und der tatsächlich gefahrenen Kilometer geschätzt werden. Die sich vorliegend daraus ergebenden Werte lägen über denjenigen, die das Landgericht zugrunde gelegt habe. Da die Klägerin aber offenbar selbst keine Berufung (oder Anschlussberufung) gegen das Urteil des Landgerichts eingelegt hat, das hinter den von ihr geforderten ca. 60.000 Euro zurückbleibt, konnte eine Erhöhung auf diesen Betrag in der folgenden Instanz nicht mehr erfolgen, da insoweit jedenfalls Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung zulasten der Klägerin eingetreten war.
2. Der BGH arbeitet in seiner Begründung zunächst heraus, dass das Insolvenzgericht vorliegend eine Entscheidung gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO getroffen habe, deren Folge für den Aussonderungsberechtigten eine Nutzungsausfallentschädigung zum einen, ein Anspruch auf Ausgleich des durch die Nutzung eingetretenen Wertverlustes zum anderen sei. Die „Nutzungsausfallentschädigung in der Form von Zinsen“ (Rn. 7 der Besprechungsentscheidung, vgl. zu dieser stetigen Formel für die „vereinbarte Miete“ auch bei BGH, Urt. v. 03.12.2009 – IX ZR 7/09 – BGHZ 183, 269 Rn. 28 ff.) komme nach der Senatsjudikatur erst drei Monate nach der Anordnung des Insolvenzgerichts in Frage; der Ersatz für den Wertverlust aber werde für den gesamten Zeitraum der Nutzung durch die (werdende) Masse geschuldet. Der letztere Anspruch, so der BGH weiter, überschneide sich aber mit dem ersteren teilweise nach Ablauf der Dreimonatsfrist, denn die Nutzungsausfallentschädigung inkludiere bereits die vertragsgemäße Wertminderung des betroffenen Wirtschaftsguts durch „Abnutzung“. In diesen Fällen werde daher durch die Masse nur Wertersatz für eine „übermäßige“ Nutzung geschuldet, die also die vertraglich ausbedungene überschreite. Anders wiederum in den ersten drei Monaten nach der insolvenzgerichtlichen Anordnung. In diesem Zeitraum sei auch die Wertdifferenz durch „gewöhnliche“ Abnutzung auszugleichen, denn eine Nutzungsausfallentschädigung gibt es in diesem Zeitraum nicht, und die gerichtliche Anordnung gestatte die Nutzung, nicht indes den Verbrauch der betroffenen Wirtschaftsgüter, eine hier vorliegende Fallkonstellation. Bei dieser rechtlichen Bewertung stützt sich der Senat auf seine frühere Judikatur und die Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO (BT-Drs. 16/3227, S. 16, und BGH, Urt. v. 28.06.2012 – IX ZR 219/10 – BGHZ 194, 1).
Offen sei, wie der Anspruch, d.h. die Wertdifferenz zwischen dem Wirtschaftsgut zu Beginn und Ende der Nutzung, praktisch zu berechnen sei. Die Insolvenzordnung enthalte keine Anhaltspunkte dazu. Rechtsprechung und Literatur lehnten sich bei abstrakter Bewertung an die steuerlichen AfA-Tabellen des BMF an oder sie tendierten zur konkreten Feststellung des Wertverlustes.
Der BGH nähert sich der Problematik prozessrechtlich. Darlegung und Beweis des Anspruchs richteten sich nach dem Prozessrecht, insbesondere nach § 287 ZPO über die freie Beweisermittlung des Gerichts über Schadensentstehung und Schadenshöhe. Daher, so der BGH im Ergebnis, seien alle bisherigen Herangehensweisen zulässig, die Anbindung an „Erfahrungssätze“ (wie die AfA-Tabellen des BMF) ebenso wie die Berechnung auf der Grundlage der Relation von „durchschnittlicher Gesamtnutzung“ über die Lebenszeit des Wirtschaftsguts zu tatsächlicher Nutzung (= Nutzungsdauer) im konkreten Fall. Bei Fahrzeugen tritt die Relation zwischen der durchschnittlichen Gesamtlaufleistung über den Lebenszeitzyklus und der effektiven Laufleistung während der Nutzung im Verfahren nach der Anordnung gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO an die Stelle der Nutzungsdauer. Aber auch die konkrete Berechnung des Wertverlustes anhand von Gutachten komme in Frage. Ob die Tatsacheninstanz eine beantragte Beweiserhebung auf Beauftragung eines Sachverständigengutachtens zur Wertermittlung anordnet, unterliege dem Ermessen des Gerichts gemäß § 287 Abs. 1 Sätze 1, 2, Abs. 2 ZPO. Der Revisionsrichter könne die Beweiswürdigung des Tatrichters nur dahingehend prüfen, ob dieser die auch für die Anwendung des § 287 ZPO geltenden Grundsätze des § 286 ZPO über die Beweiswürdigung einhalte, d.h. ob sich die angefochtene Entscheidung mit dem „Streitstoff und den Beweisergebnissen auseinandergesetzt“ habe und ob die Beweiswürdigung nicht gegen „Denkgesetze und Erfahrungssätze“ verstoße. Vorliegend habe das Berufungsgericht insoweit richtig entschieden. Maßgeblich ist für den BGH der „zeitanteilige lineare Wertverlust“ im Rahmen der Relation zwischen der oben erwähnten Gesamtnutzung über die Lebensdauer des Wirtschaftsguts zur konkreten Nutzung durch den Verwalter bzw. der Laufleistung bei Fahrzeugen. Das Berufungsgericht habe sich an der Kilometerleistung der Fahrzeuge orientiert, den von der Klägerin angegebenen Wertverlust pro km Laufleistung habe es plausibilisiert. Anders könne die Lage bei überalterten Wirtschaftsgütern und Fahrzeugen sein, so dass „statistische“ Parameter – wie die vorstehenden – nicht verwendbar seien. Dieser Umstand sei dann in die Schätzung gem. § 287 ZPO einzubeziehen, vorliegend sei dergleichen nicht vorgetragen worden. Der Senat erwähnt auch kurz die Frage von Wartungs- und Reparaturkosten, zu denen ebenfalls nichts vorgetragen wurde, deren mögliche Berücksichtigung der BGH aber ausdrücklich offenlässt. Darlegungs- und beweisbelastet für Entstehung und Höhe des Wertersatzanspruchs sei der Gläubiger, d.h. der Eigentümer des Wirtschaftsguts und Aussonderungsberechtigte. Der Insolvenzverwalter trage allerdings eine Feststellungslast insoweit, als er zu Beginn der Nutzung den Zustand des Wirtschaftsguts festzustellen habe. Dies gelte nicht nur für Beschädigungen des Aussonderungsgegenstandes, wozu der Senat entschieden habe (BGH, Urt. v. 28.06.2012 – IX ZR 219/10 Rn. 24 ff.), sondern auch für die Fälle des Wertersatzanspruchs. Wäre eine „konkrete Schadensberechnung“ erforderlich gewesen, wären Zweifel als Folge der fehlenden Dokumentation des Beklagten über den Zustand der Fahrzeuge zu Beginn des Nutzungszeitraums durch ihn als Folge der Grundsätze der Beweisvereitelung „nicht notwendig zum Nachteil der Klägerin“ ausgegangen, wie der Senat etwas dunkel formuliert. Das Berufungsgericht habe vorliegend im Übrigen revisionsrechtlich unbedenklich auf eine Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten verzichtet.

C. Kontext der Entscheidung

I. Die Besprechungsentscheidung klärt einige offene Themen und trägt damit zur Rechtssicherheit bei. Längst geklärt ist freilich – auch verfassungsrechtlich – der zulässig tiefgreifende Eingriff in die Rechte der Aussonderungsberechtigten des durch den seit seinem Erlass etliche Fragen aufwerfenden § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO (vgl. zur Kritik etwa bei Vallender in: Uhlenbruck/Hirte/Vallender (Hrsg.), InsO, 14. Aufl. 2015, § 21 Rn. 38g, m.w.N.; BVerfG, Beschl. v. 22.03.2012 – 1 BvR 3169/11 – ZIP 2012, 1252 Rn. 18 f.). Geklärt ist auch, dass die gerichtliche Anordnung im Hinblick auf die Gegenstände der angeordneten Nutzung konkretisiert sein muss, wobei aber „Gruppenbezeichnungen“ zulässig sind, d.h. die Zuweisung von sachgemäß abgegrenzten Sachgesamtheiten (fiktives Beispiel für Fälle wie hier: „[…] Die von der L.-Leasinggesellschaft geleasten LKW der Hersteller MAN Typ …, Mercedes Benz Typ …, IVECO …“). Der BGH hält es für denkbar, „bestimmte Gläubiger und Arten von Gegenständen zusammenfassend zu bezeichnen“ (BGH, Urt. v. 03.12.2009 – IX ZR 7/09 – BGHZ 183, 269, 273 Rn. 19). Bei der Anwendung der Norm sind zwei Problemfelder zu unterscheiden. Zum einen geht es darum, unter welchen Voraussetzungen bei Anordnungen nach der etwas unglücklichen Vorschrift der Aussonderungsberechtigte (oder Absonderungsberechtigte) Leistungen aus der Masse als Masseverbindlichkeit zu erhalten hat. Entscheidend ist die Anordnung des Insolvenzgerichts auf substantiierten begründeten Antrag des vorläufigen Verwalters hin bzw. des (vorläufig) eigenverwaltenden Schuldners (mit Stellungnahme des vorläufigen Sachwalters) und die erhebliche Bedeutung des betreffenden Wirtschaftsgutes für die Fortführung des Schuldnerunternehmens. Der vorläufige Verwalter bzw. der Schuldner in der vorläufigen Eigenverwaltung werden prüfen müssen, ob das Wirtschaftsgut (z.B. Fahrzeuge, Maschinenanlagen, IT-Ausstattung, Büroausstattung) für die Betriebsfortführung von erheblicher Bedeutung ist oder ob man ohne den Gegenstand auskommen möchte. Zum anderen geht es um die Höhe der geschuldeten Beträge und – soweit erforderlich oder streitig – um deren Ermittlung.
II. Entscheidet man sich für die Fortsetzung der Nutzung des Gegenstandes in der Insolvenz, sind nach der hier verfahrensgegenständlichen insolvenzgerichtlichen Anordnung gemäß § 21 InsO mehrere Phasen mit unterschiedlichen Forderungen des Berechtigten zu unterscheiden:
In der ersten Phase, den ersten drei Monaten der Nutzung – vor und nach Verfahrenseröffnung, aber vor dem Berichtstermin (vgl. die §§ 21 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, 169 Satz 2 i.V.m. Satz 1, 29 Abs. 1 Nr. 1 InsO) – werden keine „Zinsen“ (hier: Nutzungsentgelt, d.h. im Ergebnis die Leasingrate) geschuldet, aber vollständiger Wertersatz für Wertverluste infolge der Nutzung. Auf übermäßige oder nur plangemäße Nutzung kommt es daher nicht an.
Im darauf folgenden Zeitraum, der zweiten Phase (nach Ablauf der Dreimonatsfrist, jedenfalls aber nach dem Berichtstermin), wird Nutzungsausfall (= Miet-, Leasingrate usw.) geschuldet, in welchem der Wertersatz für die Wertminderung als Folge der Nutzung bereits enthalten ist, soweit diese nicht höher ist, als es dem vertraglich ausbedungenen Nutzungsumfang entspricht. Die vertraglichen Zahlungsansprüche bleiben unberührt (vgl. aber zum Rang unter Abschnitt IV.).
III. Dafür mag folgendes fiktive Beispiel stehen: Die X.-AG, ein internationaler Logistiker und Spediteur, hat 50 LKW eines bestimmten Modells geleast und 50 weitere gleichartige LKW in ihrem Eigentum, die zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags im Wesentlichen alle einigermaßen neu sein sollen mit einer ebenfalls im Wesentlichen gleichen betriebsüblichen Laufleistung. Der zunächst vorläufige, dann mit Eröffnung „endgültig“ bestellte Verwalter, stellt im Eröffnungsverfahren den Antrag nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO und entscheidet sich nach weiteren Analysen des Geschäftsmodells der Schuldnerin und aufgrund eines überraschend günstigen Angebots unmittelbar mit Insolvenzeröffnung im Wege der Teilbetriebsstillegung mit Zustimmung des vorläufigen Gläubigerausschusses des eröffneten Verfahrens (§§ 158 Abs. 1, 67 Abs. 1 InsO) dafür, die im Eigentum der Schuldnerin stehenden LKW zu verkaufen. Die Leasingfahrzeuge nutzt er umso intensiver, teilweise verdoppelt sich die Laufleistung/Woche entgegen den vertraglichen Abreden. Hier besteht eine übermäßige Nutzung der Fahrzeuge, so dass der gezahlte Nutzungsausfall („Zinsen“ in der Terminologie der §§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. 169 InsO) nicht mehr den gesamten Wertverlust abdeckt. Der übermäßige Wertverlust ist daher gesondert auszugleichen und zusätzlich fortlaufend zu bezahlen, § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 HS. 3 InsO.
IV. Wird das Verfahren eröffnet, ist im Hinblick auf den Rang der Forderungen des Aussonderungsberechtigten zu unterscheiden: Die Forderungen, die im Zusammenhang mit der insolvenzgerichtlichen Anordnung nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO entstehen, sind Masseverbindlichkeiten kraft Gesetzes, also auch ohne dass ein „starker“ Insolvenzverwalter oder Zustimmungsverwalter bestellt wurde oder ob dem eigenverwaltenden Schuldner die Begründung von Masseverbindlichkeiten gestattet wurde. Ausgelöst hat die Masseverbindlichkeit der insolvenzgerichtliche Beschluss, der Charakter als Masseverbindlichkeit folgt dann unmittelbar aus dem Gesetz.
Die sonstigen vor Insolvenzeröffnung entstandenen vertraglichen Ansprüche des Aussonderungsberechtigten sind Insolvenzforderungen nach § 38 InsO; das gilt etwa für die Leasingraten innerhalb der Dreimonatsfrist nach der Anordnung gem. § 21 InsO oder für den Anspruch nach § 546a BGB (wenn das Leasingverhältnis vor Insolvenzantrag wirksam gekündigt worden ist). Abzusetzen ist jedoch von der Insolvenzforderung die in der Leasingrate enthaltene Wertminderung für die vertragsgemäße Abnutzung des Wirtschaftsguts, soweit diese bereits als Masseverbindlichkeit zu befriedigen ist (vgl. o.) und daher nicht zusätzlich quotenbildend sein kann.
§ 38 InsO gilt auch für die nach Verfahrenseröffnung entstandenen Forderungen, soweit die geleasten Mobilien im eröffneten Verfahren nach Ablauf der Dreimonatsfrist nicht genutzt werden und der Verwalter die Erfüllung ablehnt (§ 103 InsO). Anders ist dies bei unbeweglichen Gegenständen (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO und das Sonderkündigungsrecht gem. § 109 InsO) oder vom Vermieter/Leasinggeber als Insolvenzschuldner vermieteten refinanzierte Mobilien, die mit Finanzierungssicherungsrechten Dritter belastet sind (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 InsO), worauf vorliegend nicht weiter einzugehen ist. Die bloße Nichtherausgabe durch den Verwalter bei Ablehnung der Erfüllung löst in Fällen wie dem vorliegenden keine Masseverbindlichkeit aus (vgl. § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO).
Wird das Wirtschaftsgut, wie hier die LKW, nach Eröffnung weiter benutzt, ist das vertragliche Nutzungsentgelt nach Ablauf der Dreimonatsfrist, „spätestens“ nach dem Berichtstermin, aus der Masse zu zahlen, hierbei handelt es sich ebenfalls um Masseverbindlichkeiten (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Der Verwalter hat dann ggf. konkludent Erfüllung gewählt (vgl. zu den Anforderungen bei Ringstmeier in: K. Schmidt, InsO, 19. Aufl. 2016, § 103 Rn. 25-27).
In der Literatur wird für das Finanzierungsleasing vertreten, die Leasingraten könnten nur bis zur Vollamortisation gefordert werden, danach nur noch eine geminderte Nutzungsentschädigung im Umfang des wirtschaftlichen Wertes der Nutzungsüberlassung. Dabei mag offenbleiben, ob hier tatsächlich regelmäßig wesentliche Unterschiede bestehen (vgl. zu diesem Ansatz Sinz in: K. Schmidt, InsO, § 169 Rn. 14, entgegen BGH, Urt. v. 22.03.1989 – VIII ZR 155/88 – BGHZ 107, 123 Rn. 22, zum Vollamortisationsleasing).
V. Mit der Fortsetzung der Nutzung nach dem Berichtstermin beginnt die dritte Phase. Solange der Verwalter das vertragsgemäße Nutzungsentgelt zahlt, hier die Leasingrate, kann der Leasinggeber mangels Kündigungsgrunds nicht kündigen. § 112 InsO, wie oben bereits angemerkt, versperrt den Weg trotz Zahlungsrückständen oder Vermögensverschlechterung vor dem Insolvenzantrag für die Zeit danach. Ein Kündigungsrecht für den Fall der Insolvenzeröffnung versperrt schließlich § 119 InsO.
Die Abgrenzung zwischen den Insolvenzforderungen nach § 38 InsO und den Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO wird durch die Teilbarkeit der leasingvertraglichen Leistungen gem. § 105 InsO ermöglicht (vgl. BGH, Urt. v. 10.03.1994 – IX ZR 236/93 – BGHZ 125, 270 Rn. 13 ff., 15, noch zur Vergleichsordnung).
VI. Bei der Berechnung der Höhe des Wertersatzanspruchs zeigt sich der BGH als Folge des prozessrechtlichen Ansatzes auf der Ebene der Beweiserhebung und der Beweiswürdigung durch die Hervorhebung der §§ 286, 287 ZPO flexibel. Möglich ist ein statistisches Vorgehen anhand zu vermutender repräsentativer Daten. Dazu gehören die AfA-Sätze des BMF ebenso wie die Bildung eines Verhältnisses zwischen der Gesamtnutzungsdauer, d.h. dem Lebenszeitzyklus des Wirtschaftsguts und der Nutzungsdauer im Verfahren. Bei Kraftfahrzeugen ist entscheidender Parameter die zu erwartende Gesamtlaufleistung im Verhältnis zur Laufleistung während des Nutzungszeitraums gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO. Bei übermäßiger nicht mehr vertragsgemäßer Nutzung und bei Wirtschaftsgütern, deren durchschnittliche Gesamtnutzungsdauer erreicht ist, wird man ein Gutachten benötigen. Unzulässig wäre freilich das Argument, diese statistische Gesamtnutzungsdauer oder die durchschnittliche Gesamtlaufleistung seien erreicht, so dass kein Schaden durch Wertminderung eintreten könne, also Wertersatz nicht geschuldet werde.
Die Verwendung der AfA-Sätze des BMF wiederum erscheint dann weniger bis gar nicht geeignet, wenn diese nicht nur die tatsächliche betriebsübliche Nutzung in den Fokus stellen, sondern wenn weitergehende Effekte, zum Beispiel Anreizwirkungen für Investitionen, damit verbunden werden sollen. In einem solchen Fall kann nicht mehr von der vom BGH in der Besprechungsentscheidung (Rn. 13) gemeinten „zeitanteilige[n] lineare[n] Wertminderung“ gesprochen werden.

D. Auswirkungen für die Praxis

I. Die Entscheidung hat Bedeutung für Leasinggeber des Mobilien- und des Immobilienleasing, denn § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 InsO ist auch in Immobilienleasingfällen heranzuziehen (vgl. dazu Hölzle in: K. Schmidt, InsO, § 21 Rn. 77). Ein Wertverzehr dürfte dort angesichts der kurzen Nutzungsdauer nach § 21 InsO kaum auftreten, die von Hölzle hier angesprochene steuerliche Abschreibung, die „allenfalls“ in Frage komme, ist wiederum nur ohne den Anreizcharakter bei erhöhter AfA denkbar.
II. Die Besprechungsentscheidung gilt nicht nur im Insolvenzverfahren über das Vermögen von Mietern bzw. Leasingnehmern von Mobilien, die die betreffenden Wirtschaftsgüter unmittelbar selbst für Produktion und Dienstleistungen einsetzen (also etwa für Logistikunternehmen/Speditionen oder Taxiunternehmen), sondern auch für Vermietunternehmen, die z.B. Fahrzeuge oder Maschinen an Endnutzer vermieten, die ihrerseits im Verhältnis zum Leasinggeber nur Untermieter sind.
III. Die Entscheidung zeigt ferner den weiten Spielraum des Tatsachenrichters bei der Feststellung der Wertminderung durch Abnutzung. Der Berechtigte wird aufgrund des Urteils jeweils einzelfallbezogen entscheiden, ob er die Ermittlung der Wertdifferenz, zu der er substantiiert im Prozess vortragen muss, an statistischen Daten bzw. Erfahrungssätzen orientiert oder ob er ein Sachverständigengutachten beantragt, dem allerdings eine substantiierte Behauptung der Wertdifferenz dennoch zugrunde liegen muss. Ein eingereichtes „Privatgutachten“ des Anspruchsinhabers entspricht stets nur einer substantiierten Darstellung der Wertdifferenz durch die Prozesspartei, ohne dass dies prozessrechtlich ein förmlicher Beweis durch Sachverständigengutachten wäre.
IV. Die Insolvenzverwalter werden u.a. daran erinnert, dass der BGH ihnen die Feststellung des Zustandes und der Dokumentation des Ergebnisses auferlegt, wollen sie später im Wertersatzprozess nicht beweisrechtlich Nachteile hinnehmen. Die Leasinggeber werden mittelbar daran erinnert, den Insolvenzverwalter ggf. aufzufordern, sich über sein Wahlrecht gem. § 103 Abs. 2 Satz 2 InsO zu erklären, um schnellstmöglich Rechtssicherheit herbeizuführen.