Nachfolgend ein Beitrag vom 18.12.2017 von Fuhst, jurisPR-InsR 25/2017 Anm. 5
Leitsätze
1. Die Erfüllung der dem Insolvenzantrag zugrundeliegenden Forderung allein führt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO n.F. nicht mehr zur Unzulässigkeit des Insolvenzantrags. Allein aus der Zahlung der dem Insolvenzantrag zugrundeliegenden Forderung lässt sich nicht auf einen nachträglichen Wegfall der Zahlungsunfähigkeit schließen.
2. Die Erledigungserklärung mit der bloßen Begründung der Zahlung lässt es als möglich erscheinen, dass Motiv der Antragstellung von Anfang an nicht die Durchführung eines Insolvenzverfahrens war, sondern lediglich die Befriedigung ihres Individualanspruchs bzw. die Ausübung eines maximalen Drucks auf die Schuldnerin durch ein Insolvenzverfahren.
3. Dies rechtfertigt es, im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 91a Abs. 1 ZPO die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben.
A. Problemstellung
Durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom 29.03.2017 wurde § 14 Abs. 1 InsO dahingehend geändert, dass der Insolvenzantrag nicht allein dadurch unzulässig wird, dass die Forderung erfüllt wird. Auch die zuvor bestehende weitere Voraussetzung eines in den vorangegangenen zwei Jahren bereits gestellten Insolvenzantrags ist nunmehr weggefallen.
Demgegenüber trifft § 14 Abs. 3 InsO eine Regelung für die Kosten des Insolvenzantragsverfahrens lediglich für den Fall, dass die Forderung erfüllt wird und sich der Insolvenzantrag als unbegründet erweist. Eine Klarstellung für die Konstellation, dass der Insolvenzantrag nach Erfüllung der ihm zugrunde liegenden Forderung beidseitig für erledigt erklärt wird, hat der Gesetzgeber nicht getroffen, so dass sich das AG Köln mit der Frage der Kostentragung auseinanderzusetzen hatte.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Am 19.07.2017 beantragte die Antragstellerin, ein Sozialversicherungsträger, aufgrund von Beitragsrückständen, ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zu eröffnen. Die Antragstellerin wurde umgehend seitens des Insolvenzgerichts auf die Neufassung des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, dass sie im Rahmen einer nach § 4 InsO i.V.m. § 91a ZPO zu treffenden Entscheidung an den Verfahrenskosten beteiligt werden kann, wenn sie den Insolvenzantrag ohne Angabe von Gründen bzw. allein aufgrund einer Zahlung der Schuldnerin für erledigt erkläre.
In den darauf folgenden Wochen beglich die Schuldnerin bzw. deren Geschäftsführer in mehreren Teilzahlungen die Forderungen der Antragstellerin, so dass diese mit Schreiben vom 14.09.2017 den Insolvenzantrag in der Hauptsache für erledigt erklärte. Zur Begründung der Erledigungserklärung führte die Antragstellerin u.a. aus:
„[…] Offenbar ist es dem Schuldner erst nachträglich möglich geworden, Geldmittel zur Bezahlung der Beitragsschuld aufzubringen. Dadurch ist der ursprünglich bestehende Antragsgrund nachträglich weggefallen und das Antragsverfahren in der Hauptsache erledigt.“
Gleichzeitig beantragte die Antragstellerin, die Verfahrenskosten nach billigem Ermessen der Schuldnerin aufzuerlegen.
Mit gerichtlichen Schreiben vom 20.09.2017 wurde die Schuldnerin zur Erledigungserklärung angehört und die Antragstellerin nochmals darauf hingewiesen, dass eine Begleichung der dem Insolvenzantrag zugrunde liegenden Forderung seit der Neufassung des § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO kein erledigendes Ereignis mehr darstelle und aufgrund der Zahlung nicht ohne weiteres auf die Wiederherstellung der einmal glaubhaft gemachten Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden könne. Die Antragstellerin wurde zudem darauf hingewiesen, dass sie ihre Erledigungserklärung jedenfalls bis zu einer Zustimmung durch die Schuldnerin widerrufen könne.
Weder die Schuldnerin noch die Antragstellerin haben auf die gerichtlichen Hinweise im Schreiben vom 20.09.2017 reagiert.
Da die Schuldnerin der Erledigungserklärung nicht innerhalb der gesetzlichen Notfrist von zwei Wochen widersprochen hat, war insoweit von einer Zustimmung zur Erledigungserklärung auszugehen, § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO, § 4 InsO.
Bei dieser Ausgangslage ist es nach Ansicht des AG Köln gerechtfertigt, die im dritten Leitsatz festgelegte Billigkeitsentscheidung nach § 91a Abs. 1 ZPO zu treffen und die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufzuheben. Diese Kostenentscheidung entspräche dem Verfahrensstand und der Billigkeit, da anhand der bekannten Fakten nicht entschieden werden könne, wie über den Insolvenzantrag zu entscheiden gewesen wäre. Zudem erscheine es, rückwirkend betrachtet, denkbar, dass es sich bei dem Insolvenzantrag um einen sog. Druckantrag gehandelt habe, der mangels Rechtsschutzinteresses als unzulässig zurückzuweisen gewesen wäre. Dafür spreche auch die fehlende Reaktion der Antragstellerin auf das gerichtliche Schreiben vom 20.09.2017, zumal die Antragstellerin noch die Möglichkeit gehabt hätte, ihre Erledigungserklärung bis zum Eintritt der Zustimmungsfiktion des § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO zu widerrufen.
Die Erfüllung der, dem Insolvenzantrag zugrunde liegenden Forderung stelle – für sich genommen – kein erledigendes Ereignis i.S.d. § 91a ZPO mehr dar. Es lasse sich zudem nicht auf einen nachträglichen Wegfall der Zahlungsunfähigkeit schließen, die von der Antragstellerin in ihrem Antrag zunächst hinreichend glaubhaft gemacht wurde, so dass auch insoweit nicht von einer Erledigung des Antrags ausgegangen werden könne.
Letztlich sei das Verhalten der Antragstellerin auch aus kostenrechtlichen Gründen nicht nachvollziehbar. Selbst wenn sich im Rahmen weiterer Ermittlungen ein Eröffnungsgrund für das Insolvenzverfahren nicht hätte feststellen lassen, hätte das Insolvenzgericht den Antrag gemäß § 14 Abs. 3 InsO als unbegründet abweisen müssen. In diesem Fall wären die Kosten des Verfahrens aber nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung der Schuldnerin aufzuerlegen gewesen.
C. Kontext der Entscheidung
Ausgangspunkt für die Kostentragung im Insolvenzantragsverfahren ist § 23 Abs. 1 GKG. Danach schuldet grundsätzlich derjenige die Gebühr für das Verfahren über den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, der den Antrag gestellt hat (Satz 1). Für den Fall, dass der Antrag abgewiesen oder zurückgenommen wird, gilt dies auch für die entstandenen Auslagen (Satz 2). Etwas anderes gilt nach § 23 Abs. 1 Satz 4 GKG lediglich dann, wenn der Schuldner nach § 14 Abs. 3 InsO die Kosten des Verfahrens trägt. Nach § 14 Abs. 3 InsO hat der Schuldner die Kosten des Verfahrens zu tragen, wenn die Forderung des Gläubigers nach Antragstellung erfüllt und der Antrag als unbegründet abgewiesen wird.
Für den Fall einer beidseitigen Erledigungserklärung in der Hauptsache ist hingegen nach § 4 InsO i.V.m. § 91a ZPO über die Kostentragung durch eine Billigkeitsentscheidung des Gerichts unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu befinden.
§ 14 Abs. 3 InsO und § 23 Abs. 1 Satz 4 GKG wurden mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2011 eingeführt, um eine Zweitschuldnerhaftung des antragstellenden Gläubigers (insbesondere der Sozialkassen und der Finanzämter) auszuschließen, wenn sich der Antrag zwar als zulässig, aber unbegründet erweist. Durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom 29.03.2017 wurde § 14 Abs. 1 InsO dahingehend geändert, dass der Insolvenzantrag nicht allein dadurch unzulässig wird, dass die Forderung erfüllt wird, unabhängig davon, ob bereits in den vorangegangenen zwei Jahren ein Insolvenzantrag gestellt wurde.
Dies vorausgeschickt wäre im vorliegenden Fall zunächst von einer Kostentragungslast der antragstellenden Krankenkasse auszugehen. Nachdem die dem Insolvenzantrag zugrunde liegende Forderung durch Zahlung befriedigt wurde, wird der Antrag allein dadurch nicht unzulässig, § 14 Abs. 1 Satz 2 InsO. Das Gericht hat somit nach der Erledigungserklärung seitens der Krankenkasse zu Recht über die Verfahrenskosten nach billigem Ermessen zu entscheiden.
In der Begründung dieser Entscheidung meint das Gericht nunmehr, dass es nach heutigem Akten- und Kenntnisstand als möglich erscheine, dass Motiv der Antragstellung von Anfang an nicht die Durchführung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens war, sondern lediglich die Befriedigung des Individualanspruchs der Antragstellerin bzw. die Ausübung eines maximalen Drucks auf die Schuldnerin gewesen sei. Dies schlussfolgert das Gericht daraus, dass der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin noch laufe und die Antragstellerin daher mit der Entstehung neuer Sozialversicherungsrückstände zu rechnen habe. Ein solcher „Druckantrag“ zur Durchsetzung nicht schutzwürdiger, verfahrensfremder Zwecke wird jedoch mangels Rechtsschutzinteresses vielfach als unzulässig angesehen. Diese Möglichkeit eines Druckantrags rechtfertige es, der Antragstellerin einen Teil der Verfahrenskosten aufzuerlegen.
Entgegen der Ansicht des AG Köln ist zu berücksichtigen, dass es auch den institutionellen „Zwangsgläubigern“ (insb. Krankenkassen und Finanzämter) möglich sein muss, einen Insolvenzantrag nach Erfüllung der Antragsforderung für erledigt zu erklären, ohne sich dem Risiko einer (teilweisen) Kostentragung auszusetzen. Neben der vom Gesetzgeber mit der letzten Reform des § 14 Abs. 1 InsO gewünschten frühzeitigen Antragstellung (die im Falle einer Kostentragung bei beidseitiger Erledigungserklärung konterkariert werden würde) haben insbesondere die Krankenkassen regelmäßig ein über die bloßen Befriedigungsaussichten hinausgehendes Interesse: Im Falle eines Insolvenzereignisses (Abweisung mangels Masse oder Eröffnung des Verfahrens) können sie einen Teil ihrer Ausfälle von der Bundesagentur für Arbeit ersetzt bekommen, § 175 SGB III.
Inkonsequent wird die Begründung des AG Köln zudem, wenn moniert wird, dass die Antragstellerin die Möglichkeit gehabt hätte, die Erledigungserklärung bis zum Eintritt der Zustimmungsfiktion des § 91a Abs. 2 Satz 2 ZPO hätte zurücknehmen können, um somit – sofern sich im Rahmen einer weiteren Ermittlung die Unbegründetheit des Insolvenzantrags herausstellen sollte – eine volle Kostentragungslast durch die Schuldnerin zu erreichen, § 23 Abs. 1 Satz 4 GKG i.V.m. § 14 Abs. 3 InsO. Das Gericht schließt somit aus der Erledigungserklärung der Krankenkasse, dass es sich möglicherweise bei dem Antrag um einen sog. Druckantrag gehandelt habe, der – nach Auffassung des Gerichts – unzulässig gewesen sei, um sodann im nächsten Schritt, bei Rücknahme genau dieser Erledigungserklärung, eine volle Kostentragungslast durch die Schuldnerin in Aussicht zu stellen.
Ob in seinem solchen Falle, nach Erfüllung der Forderung und darauf folgender beidseitiger Erledigungserklärung, eine anteilige Kostentragung durch den Antragsteller gerechtfertigt ist, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab, dürfte vorliegend jedoch mit erheblichen Zweifeln verbunden sein.
D. Auswirkungen für die Praxis
Die Änderung des § 14 InsO und die darauf beruhende Entscheidung des AG Köln hat erhebliche Auswirkungen für den Verlauf von Insolvenzantragsverfahren. Sofern sich auch andere Insolvenzgerichte der Ansicht des AG Köln anschließen und auch bei institutionellen (Zwangs-)Gläubigern eine zumindest partielle Kostentragungslast beim Antragsteller belassen, wenn dieser den Antrag nach Erfüllung der zugrunde liegenden Forderung für erledigt erklärt, dürften schon zur Vermeidung zusätzlicher Kosten künftige Verfahren nur noch in Ausnahmefällen für erledigt erklärt werden.
In diesen Fremdantragsverfahren müsste sodann jeweils eine Begutachtung hinsichtlich des Vorliegens eines etwaigen Insolvenzgrundes vorgenommen werden, um im Falle der Unbegründetheit die Verfahrenskosten dem Insolvenzschuldner aufzuerlegen, § 14 Abs. 3 InsO.
Jeder (Fremd-)Antragsteller ist somit zur Vermeidung einer Kostentragung gut beraten, wenn er trotz Erfüllung der Hauptsacheforderung den ansonsten zulässigen Insolvenzantrag nicht für erledigt erklärt.
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