Nachfolgend ein Beitrag vom 26.3.2018 von Siniatchkin/Richter, jurisPR-InsR 6/2018 Anm. 5

Leitsatz

Ein Insolvenzverwalter ist zu entlassen, wenn nachträglich bekannt wird, dass er im Zuge seiner Bestellung vorsätzlich Umstände verschwiegen hat, die geeignet waren, ernsthafte Zweifel an seiner Unabhängigkeit zu begründen, und eine Bestellung zum Verwalter nicht zuließen.

A. Problemstellung

Der vorliegende Beschluss des BGH befasst sich mit der Frage, inwiefern es einen wichtigen Grund i.S.v. § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO darstellt, wenn der Insolvenzverwalter Umstände verschweigt, die begründete Zweifel an seiner Unabhängigkeit aufkommen lassen.
Weiterhin stellt die Entlassung des Insolvenzverwalters gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO eine Ermessensentscheidung des Richters dar. Hier wird dabei entschieden, ob es eine Ermessensreduzierung auf Null darstellen würde, wenn der Insolvenzverwalter Umstände verschweigt, derentwegen er nicht bestellt worden wäre.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die C.-GmbH als Schuldnerin beantragte am 26.07.2013 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Dabei hat sie den weiteren Beteiligten für das Amt des vorläufigen Insolvenzverwalters vorgeschlagen, woraufhin dieser am 29.07.2013 bestellt wurde. Auf die Frage nach seiner Unabhängigkeit gab der weitere Beteiligte an, dass er an der Gründung der Schuldnerin im Jahre 1997 mitgewirkt habe. Danach hätten aber zu der Schuldnerin einschließlich ihrer Organe keine Mandatsbeziehungen mehr bestanden. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 01.10.2013 eröffnet und der weitere Beteiligte zum Insolvenzverwalter bestellt. Das Unternehmen der C.-GmbH wurde schließlich am 01.01.2014 veräußert.
Zum Ende des Jahres 2014 hin wurden weitere Mandantenkontakte in den Jahren 1998 bis 2003 zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Geschäftsführer der Schuldnerin bekannt. Der Beteiligte hielt aufgrund eines Treuhandvertrages in dem Zeitraum Anteile an der Gesellschaft, hat sich mit dem Geschäftsführer geduzt und war für diesen bis 2001 als Steuerberater tätig. Für den Zeitraum danach, also über zehn Jahre, hat der Verwalter an Eides statt versichert, dass keine Kontakte mehr zwischen ihm und dem weiteren Beteiligten bestanden.
Aufgrund dessen hat die Gläubigerversammlung am 17.04.2015 die Entlassung des Verwalters beantragt. Nachdem das AG Freiburg als Insolvenzgericht den Antrag abgelehnt und die sofortige Beschwerde beim LG Freiburg dagegen keinen Erfolg hatte, wird der Entlassungsantrag nun durch die Rechtsbeschwerde weiter verfolgt.
Nach Auffassung des Insolvenzgerichts stelle es zwar eine erhebliche Pflichtverletzung dar, dass der weitere Beteiligte seine Geschäftskontakte von 1998 bis 2003 verschwiegen hat. Da das Verfahren jedoch schon weit fortgeschritten sei und sonst ohne Einwände geführt wurde, sei er aber trotzdem im Amt zu belassen. Dies gerade auch deshalb, weil in der Zeit danach keine Kontakte mehr bestanden.
Das Beschwerdegericht betont zwar, dass der Insolvenzverwalter bei einer wahrheitsgemäßen Angabe nicht bestellt worden wäre. Es stimmt dem Insolvenzgericht im Ergebnis jedoch zu. Denn auf der einen Seite seien zwar erhebliche Pflichtverletzungen erfolgt. Auf der anderen Seite ließe sich aber nicht erkennen, inwieweit diese für die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters relevant seien. Infolgedessen sei es aufgrund der gebotenen Gesamtschau vertretbar, den Insolvenzverwalter im Amt zu belassen.
Der BGH hat der Entscheidung des Beschwerdegerichts widersprochen und der Rechtsbeschwerde der Gläubigerversammlung stattgegeben.
Hiernach läge ein wichtiger Grund vor, wenn feststeht, dass ein Verbleiben des Verwalters im Amt unter Berücksichtigung seiner schutzwürdigen Interessen die Belange der Gläubigergesamtheit und die Rechtmäßigkeit der Verfahrensabwicklung objektiv nachhaltig beeinträchtigen würde. Da das Amt des Insolvenzverwalters durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützt ist, müssten für eine Entlassung zudem höherwertige Interessen unter Zugrundelegung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überwiegen.
Für den Fall, dass ein wichtiger Grund vorliegt, liege es aber im Ermessen des überprüfenden Gerichts, den Insolvenzverwalter zu entlassen. Das Beschwerdegericht sei deshalb auf eine Ermessenskontrolle beschränkt.
Weiterhin führt der BGH an, dass der Insolvenzverwalter gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängig sein muss. Es ist zu bedenken, welchen Einfluss der Insolvenzverwalter auf das Insolvenzverfahren ausübe und dass er den Interessen der Gläubiger und des Schuldners verpflichtet sei. Es sei deshalb angemessen, die Unabhängigkeit schon bei objektiven Umständen auszuschließen, die berechtigte Zweifel aufkommen lassen.
Dies könne gerade der Fall sein, wenn der Insolvenzverwalter an der Schuldnerin beteiligt wäre oder noch Mandatsverhältnisse bestünden. Beides lag hier vor. Dabei hätte der Beteiligte diese Umstände vorsätzlich verschwiegen, obwohl das Insolvenzgericht ihm die Wichtigkeit korrekter Angaben mitgeteilt hat. Er hätte sie erst zugegeben, nachdem diese aufgedeckt worden sind.
Infolgedessen könnte eine ermessensfehlerfreie Entscheidung im konkreten Fall nur darauf hinauslaufen, dass der Insolvenzverwalter gemäß § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO entlassen würde. Denn der weitere Beteiligte hätte im Hinblick auf seine wirtschaftlichen Interessen das Insolvenzgericht und die Beteiligten des Verfahrens über für seine Bestellung wesentliche Umstände vorsätzlich getäuscht. Konsequenterweise sei er in diesem Fall in besonders hohem Maße zur Ausübung seines Amtes ungeeignet.

C. Kontext der Entscheidung

Der IX. Zivilsenat des BGH setzte sich bereits in seinem Beschluss vom 25.09.2014 (IX ZB 11/14) mit der Frage auseinander, inwiefern eine festgestellte Pflichtverletzung einen wichtigen Grund i.S.d. § 59 Abs. 1 InsO darstellt und somit zur Entlassung des Insolvenzverwalters führen kann. Ist eine Pflichtverletzung ersichtlich, die einen wichtigen Grund zur Entlassung des Insolvenzverwalters darstellt, hat das Insolvenzgericht diese auch dann zu würdigen, wenn die Gläubiger gegen den Insolvenzverwalter Schadensersatzansprüche gemäß den §§ 60, 61 InsO geltend machen können. Daraus folgt, dass nicht jede in einem Schadensersatzanspruch resultierende Pflichtverletzung einen wichtigen Grund i.S.d § 59 Abs. 1 InsO darstellt. Maßgeblich ist, dass es wegen der Erheblichkeit der Pflichtverletzung, die sich sowohl auf die restlichen Belange der Beteiligten als auch auf den Verfahrensablauf auswirkt, sachlich nicht mehr vertretbar erscheint, dass der Verwalter das Verfahren weiterhin verwaltet. Im Umkehrschluss stellt somit nicht jede einen Schadensersatzanspruch auslösende Pflichtverletzung einen wichtigen Grund zur Entlassung dar. Die im Einzelfall bezogene Bewertung der Gegebenheiten obliegt dem Tatrichter (BGH, Beschl. v. 08.12.2005 – IX ZB 308/04 – WM 2006, 440, 441).
Der vorliegende Beschluss behandelt hierbei zwei Fragen. Zum einen, ob es einen wichtigen Grund i.S.v. § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO darstellt, wenn der Insolvenzverwalter Umstände, welche berechtigte Zweifel an seiner Unabhängigkeit aufkommen lassen, den Beteiligten des Verfahrens vorenthält. Zum anderen, inwieweit der Ermessensspielraum des Insolvenzgerichts in dem Fall auf eine Entlassung des Insolvenzverwalters beschränkt ist.
Ein wichtiger Grund i.S.v. § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO liegt vor, wenn ein weiteres Belassen des Insolvenzverwalters unter Berücksichtigung von dessen schutzwürdigen Interessen die Belange der Gläubigergesamtheit und die Rechtmäßigkeit der Verfahrensabwicklung objektiv nachhaltig beeinträchtigen würde. Dabei müssen die Gründe auf konkreten, sachlich begründeten Umständen beruhen.
Auf der einen Seite hat der Insolvenzverwalter zwar eidesstattlich versichert, dass zwischen ihm und der Schuldnerin bis zum Beginn des Eröffnungsverfahrens seit über zehn Jahren keine Kontakte mehr bestanden. Dazu lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Insolvenzverwalter während des Verfahrens Vorteile für den Schuldner auf Kosten der Gläubiger bewirkt hat. Legt man den bisherigen Verlauf des Sachverhalts zugrunde, ist also davon auszugehen, dass das Verfahren für alle Beteiligten gerecht ablaufen würde. Schließlich könnte es ein milderes Mittel darstellen, wenn man einen Sonderinsolvenzverwalter bestellt. Sowohl das AG als auch das LG Freiburg sind beide von dieser Sichtweise ausgegangen.
Diese Ansicht widerspricht jedoch dem Zweck des § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO. Es ist nämlich zu bedenken, dass der Insolvenzverwalter einen beträchtlichen Umfang an Kompetenzen innehat. Dadurch übt er entscheidenden Einfluss auf den Verlauf und damit auch auf den Erfolg des Insolvenzverfahrens aus. Aufgrund dessen wurden durch den § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO maßgebliche Kriterien für die Auswahl des Insolvenzverwalters aufgestellt (Graeber in: MünchKomm InsO, § 56 Rn. 1, 2). Dazu gehört auch die Unabhängigkeit von Gläubiger und Schuldner. Richtigerweise nimmt der BGH aufgrund dessen an, dass schon ernsthafte Zweifel verursachende objektive Umstände ausreichen könnten, um eine Unabhängigkeit auszuschließen.
Im konkreten Sachverhalt müssten nun entsprechende objektive Umstände vorliegen. Zunächst hält der Insolvenzverwalter bis 2003 als Treuhänder Anteile an der Schuldnerin. Weiterhin war er bis 2001 als Steuerberater für den Geschäftsführer tätig. Es bestanden infolgedessen auch noch Mandantenbeziehungen zwischen ihm und einem Organ der Schuldnerin. Beide Umstände sind geeignet, um eine Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters auszuschließen, der BGH beruft sich dabei auf entsprechende vorherige Entscheidungen (BGH, Urt. v. 24.01.1991 – IX ZR 250/89 – BGHZ 113, 262, 277; BGH, Beschl. v. 13.10.2016 – IX AR (VZ) 7/15 Rn. 23 – NZI 2016, 913; BGH, Beschl. v. 17.03.2016 – IX AR (VZ) 1/15 Rn. 26 f. – NZI 2016, 508). Wären diese Umstände bei der Bestellung des Insolvenzverwalters bekannt gewesen, wäre er nicht erst bestellt worden. Ein Ausschluss der Bestellbarkeit nach § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO stellt dabei stets einen wichtigen Grund dar (Graeber in: MünchKomm InsO, § 59 Rn.18).
Das Vorliegen eines wichtigen Grundes führt aber nicht sofort zur Entlassung des Insolvenzverwalters. Es müsste zudem das Ermessen des Gerichts auf eine Entlassung des Insolvenzverwalters reduziert sein. Hierbei ist zunächst die verfassungsrechtliche Stellung des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen. Denn es würde einen erheblichen Widerspruch zur Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG darstellen, wenn der Insolvenzverwalter schon durch geringe Pflichtverletzungen des Amtes enthoben werden könnte. In Anbetracht des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darf es durch die Erheblichkeit der Pflichtverletzung sachlich nicht mehr vertretbar erscheinen, den Insolvenzverwalter noch im Amt zu behalten.
Es ist zwar zu beachten, dass der Insolvenzverwalter redlich gearbeitet hat. Hier hat er aber lediglich angegeben, dass er an der Gründung der Schuldnerin mitgewirkt hat. Die oben genannten Umstände hat er verschwiegen und erst zugegeben, nachdem weitere Beteiligte diese erkannt haben. Der BGH ist deshalb von einer Täuschung ausgegangen. Dadurch, dass der Insolvenzverwalter die Beteiligten und das Insolvenzgericht nun vorsätzlich getäuscht hat und folglich seine Einsetzung maßgeblich beeinflusst hat, hat er riskiert, einen erfolgreichen Verlauf des Insolvenzverfahrens zu gefährden. Dass diese Kontakte laut eidesstattlicher Versicherung seit über zehn Jahren nicht mehr bestanden, kann deshalb nicht ausschlaggebend sein.
Alles in allem ist dem BGH zuzustimmen, dass auch Geschäftsbeziehungen in der Vergangenheit die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters ausschließen und damit einen wichtigen Grund i.S.v. § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO darstellen können. Hierbei ist das Ermessen des Insolvenzgerichts auf Null reduziert, wenn der Beklagte das Gericht über für die Auswahl erhebliche Umstände getäuscht hat.

D. Auswirkungen für die Praxis

Der BGH beruft sich hinsichtlich der entscheidungserheblichen objektiven Umstände auf Entscheidungen, welche die Rechtmäßigkeit der Abberufung zu einem Zeitpunkt bejaht haben, als die Geschäfts- bzw. Mandantenbeziehungen noch bestanden haben. Im konkreten Fall ist aber davon auszugehen, dass diese Beziehungen zwischen dem Insolvenzverwalter und der Schuldnerin seit über zehn Jahren nicht mehr bestanden haben. Dies ist unerheblich. Möglich ist es aber auch, dass der Anwärter das Gericht zwar nicht über die Umstände getäuscht hat, diese aber verschwiegen hat. Es besteht also der Unterschied, dass der Verwalter nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig gehandelt hat. Dies hat auf den wichtigen Grund keinen Einfluss. Denn die ernsthafte Zweifel verursachenden objektiven Umstände liegen vor und dies unabhängig davon, ob der Insolvenzverwalter diese fahrlässig verschweigt oder über diese vorsätzlich täuscht. Problematisch ist der Fall des Verschweigens aber bezüglich des Entlassungsermessens. Man nehme an, der Insolvenzverwalter hat das Verfahren bisher ohne jegliche Beanstandungen geführt und nicht beabsichtigt, das Insolvenzgericht über die objektiven Umstände zu täuschen. Es könnte im Einzelfall durchaus als sachlich vertretbar erscheinen, den Insolvenzverwalter in diesem Fall im Amt zu belassen. Jedoch bestehen auch hier erhebliche Gefahren für den Verlauf des Insolvenzverfahrens. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen sein, dass der Insolvenzverwalter nach dem Bekanntwerden anfängt, die Gläubiger zugunsten des Schuldners zu benachteiligen. Bedenkt man zudem, dass der Schuldner mögliche Interessenkollisionen auch ungefragt dem Gericht zu offenbaren hat (BGH, Urt. v. 24.01.1991 – IX ZR 250/89 – NJW 1991, 982; BGH, Beschl. v. 19.01.2012 – IX ZB 25/11 – NZI 2012, 247; BGH, Beschl. v. 26.04.2012 – IX ZB 31/11 – ZInsO 2012, 1125), kann man auch bei einem fahrlässigen Verschweigen keine Ausnahme machen. Für potenzielle Anwärter als Insolvenzverwalter ergibt sich deshalb insgesamt die Pflicht, von sich aus sämtliche Umstände offenzulegen, die ernsthafte Zweifel an einer Unabhängigkeit begründen könnten. Das Vorliegen dieser Umstände ist dabei mit einer entsprechenden Sorgfalt zu prüfen, möchte man nicht eine Entlassung riskieren.

Entlassung des Insolvenzverwalters nach Verschweigen von Vorbefassung bei seiner Bestellung
Thomas HansenRechtsanwalt
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