Nachfolgend ein Beitrag vom 29.1.2018 von Wozniak, jurisPR-InsR 2/2018 Anm. 6

Leitsatz

Die Entlassung des Insolvenzverwalters nach § 59 InsO kann durch den Rechtspfleger erfolgen, sie unterfällt nicht dem Richtervorbehalt des § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG.

A. Problemstellung

Ob die Entlassung des Insolvenzverwalters gemäß § 59 InsO durch den Rechtspfleger oder den Richter zu erfolgen hat, ist in der Rechtsprechung und Literatur seit vielen Jahren umstritten. Das LG Dresden schlägt sich mit der hier zu besprechenden Entscheidung auf die Seite der „Rechtspfleger-Lösung“ und begründet dies überzeugend.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Entlassung als Insolvenzverwalter.
Das Regelinsolvenzverfahren wurde mit Beschluss vom 30.03.2012 eröffnet und der Beschwerdeführer zum Insolvenzverwalter bestellt. Zuletzt mit Berichten vom 31.12.2015 und 17.08.2016 hat er mitgeteilt, dass er die Prüfung insolvenzspezifischer Anfechtungssachverhalte abgeschlossen und unter anderem gegen F. Klage auf Zahlung von 22.045,86 Euro erhoben habe, er rechne mit einer mehrjährigen Verfahrensdauer. Bei Verfassung des zweiten genannten Berichts war die Klage (LG Dresden, 10 O 3220/15) bereits durch Versäumnisurteil vom 29.04.2016 abgewiesen, gegen das der Beschwerdeführer allerdings Einspruch eingelegt hatte. Diesen hat das Landgericht mit Zweitem Versäumnisurteil vom 09.09.2016 verworfen und eine Abschrift des Protokolls und des Urteils auch an das AG Dresden – Insolvenzgericht – übersandt. Mit Verfügung vom 14.09.2016 hat die Rechtspflegerin den Insolvenzverwalter zur Kenntnis- und Stellungnahme dieses Protokolls binnen drei Wochen aufgefordert und am 14.11.2016 erneut unter Fristsetzung zum 12.12.2016 gemahnt. Am 28.12.2016 hat das Amtsgericht die Festsetzung eines Zwangsgeldes angedroht, wenn er der aufsichtlichen Aufforderung zur Stellungnahme nicht bis zum 31.01.2017 nachkomme.
Mit Beschluss vom 22.02.2017 hat die Rechtspflegerin am Amtsgericht den Insolvenzverwalter entlassen. Dagegen richtet sich seine am 03.03.2017 beim Amtsgericht eingegangene sofortige Beschwerde, mit der er eine Begründung bis zum 17.03. ankündigt, aber jetzt schon anmerkt, dass der angegriffene Beschluss keine Begründung enthalte.
Das LG Dresden ist dem entlassenen Verwalter inhaltlich nicht gefolgt.
Dem Beschwerdeführer sei zuzugeben, dass der angegriffene Beschluss die wichtigen Gründe i.S.d. § 59 Abs. 1 Satz 1 InsO, auf die er sich stützen will, nicht nenne. Auch habe das Amtsgericht den Beschwerdeführer nicht nach § 59 Abs. 1 Satz 3 InsO angehört. Dies sei allerdings durch die Anhörung im Instanzenzug geheilt.
Inhaltlich sei der angefochtene Beschluss zunächst nicht nach § 8 Abs. 4 Satz 1 RPflG unwirksam. Zwar werde ein Richtervorbehalt nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG für die Entscheidung über die Entlassung des bisherigen und Ernennung eines neuen Insolvenzverwalters in der Literatur unterschiedlich beurteilt. So sei die zeitliche Geltung der Richterzuständigkeit „bis zur Entscheidung über“ den Eröffnungsantrag nur für die 1. Alternative dieses Punkts, also „unter Einschluss der Eröffnungsentscheidung“ gemeint (vgl. Frind in: Hamburger Komm. InsO, 6. Aufl., § 59 Rn. 7; Schmerbach in: Frankfurter Komm. InsO, § 59 Rn. 29, AG Göttingen, Beschl. v. 21.02.2003 – 74 IN 114/01). Die Gegenansicht beziehe die zeitliche Schranke auf sämtliche Alternativen des Punkts 1 (Graeber in: MünchKomm InsO, 3. Aufl., § 59 Rn. 61 f.; Keller, EWiR 2003, 935; AG Braunschweig, Beschl. v. 24.06.2008 – 272 IN 219/04, differenzierend LG Braunschweig, Beschl. v. 29.04.2008 – 6 T 924/07).
Die Kammer schließe sich der zweiten Auffassung an.
Für den Richtervorbehalt spreche zwar rein sprachlich, dass die Worte „und der Ernennung des Insolvenzverwalters“ in § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG wegen § 27 Abs. 2 Nr. 2 InsO obsolet seien, wenn man sie dahingehend auslegt, dass auch sie von der zeitlichen Schranke erfasst würden. Das wird allerdings dadurch relativiert, dass auch die Nennung des Verfahrens über einen Schuldenbereinigungsplan nach den §§ 305 bis 310 InsO obsolet sei, weil auch dieses vor der Entscheidung über den Eröffnungsantrag durchgeführt wird, § 311 InsO.
Letztlich erscheine die rein sprachliche Auslegung auch nicht von durchgreifender Bedeutung. Entscheidend sei vielmehr die hinter dem Richtervorbehalt stehende Relevanz, insbesondere Grundrechtsrelevanz der zu treffenden Entscheidung. So führt insbesondere die Eröffnungsentscheidung zu massiven Grundrechtsbeeinträchtigungen des Schuldners; das Schuldenbereinigungsverfahren wie auch das Planverfahren und das Verfahren über die Erteilung der Restschuldbefreiung, sobald dieses wegen eines Versagungsantrags streitig wird, betreffen auch das Grundrecht der Gläubiger aus Art. 14 GG. Die Verwalterauswahlentscheidung erreicht eine solche Grundrechtsrelevanz nicht, insbesondere sei das Grundrecht der Insolvenzverwalter auf freie Berufsausübung (Art. 12 GG) von der Verwalterauswahl durch das Gericht nur relativ gering betroffen, weil im Regelfall der erstmaligen Verwalterauswahl ohnehin die Gläubigerversammlung im Berichtstermin das letzte Wort über die Verwalterauswahl habe (§ 57 InsO) und dies nach zutreffender Ansicht analog auch für die Auswahl eines Neuverwalters nach Entlassung anzuwenden sei (vgl. Graeber in: MünchKomm InsO, § 59 Rn. 61 f.; Frind in: Hamburger Komm. InsO, § 59 Rn. 12d).
Aus alledem ergebe sich, dass auch die actus-contrarius-Erwägung des AG Göttingen nicht trage. Der Eröffnungsbeschluss sei dem Richter nicht in erster Linie wegen der Verwalterauswahl vorbehalten, deren Abänderung damit nicht zwingend dem Richter vorzubehalten sei. Schließlich werde auch nirgends vertreten, dass die Einstellung des Verfahrens als actus contrarius der Eröffnung dem Richter vorbehalten wäre, insbesondere auch nicht diejenige wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes.
In der Sache selbst liege ein wichtiger Grund i.S.d. § 59 InsO zur Überzeugung der Kammer vor. Ausweislich des von der 10. Zivilkammer dem Insolvenzgericht zur Verfügung gestellten Terminsprotokolls vom 09.09.2016 und der von der Kammer beigezogenen gesamten Verfahrensakte hätte die Kammer dort nicht unerhebliche Schwierigkeiten gehabt, den Beschwerdeführer als Kläger sowie seinen Verfahrensbevollmächtigten zu laden. Letztlich habe das Gericht die Wirksamkeit der Ladung des Klägers zum Nachteil der Masse nur wegen der Fortgeltensbestimmung des § 87 Abs. 1 ZPO als wirksam angesehen, obwohl der Beschwerdeführer nicht mehr in der Kanzlei seiner Verfahrensbevollmächtigten tätig sei. Vorsorglich hätte das Gericht eine Terminsladung zum Termin über die Verhandlung über den Einspruch auch dem Beschwerdeführer selbst zugestellt, woraufhin dieser gegenüber dem Gericht die Unwirksamkeit dieser Ladung geltend gemacht habe und nicht erschienen sei. Dieser Geschehensablauf stelle gleich in doppelter Hinsicht einen Grund zur Entlassung dar. Zum einen habe der Beschwerdeführer nicht hinreichend für seine Erreichbarkeit in einem Aktivprozess der Masse Sorge getragen, zum anderen stellt sich sein Verhalten in hohem Maße als unzuverlässig und masseschädigend dar, denn es habe für ihn vorhersehbar zu einer endgültigen, weil rechtskräftigen Aberkennung des streitgegenständlichen Anfechtungsanspruchs in Höhe von über 22.000 Euro geführt. Selbst wenn zugunsten des Beschwerdeführers davon ausgegangen werde, dass die Klage ohnehin unbegründet gewesen sei, hätte der Beschwerdeführer durch eine Klagerücknahme vor dem ersten Verhandlungstermin den Anfall von 2 Gerichtsgebühren und 1,2 Terminsgebühren der Beklagtenvertreter vermeiden können und hätte der Masse ca. 1.800 Euro erspart.
Der Vorwurf der Unzuverlässigkeit verschärfe sich noch dadurch, dass sich der Beschwerdeführer der insolvenzgerichtlichen Aufsicht entziehe und auf dreifaches Verlangen einer Stellungnahme zu den Vorgängen im Anfechtungsprozess beharrlich schweige.

C. Kontext der Entscheidung

Bei erster Lektüre mag sich der unbefangene Leser fragen, ob es nicht einerlei sei, wer den Insolvenzverwalter „hinauswirft“. Diese sehr am materiellen Recht orientierte Betrachtung verkennt allerdings die Reichweite von § 8 RPflG, dort insbesondere Abs. 4. Dieser ordnet an, dass ein dem Richtervorbehalt unterfallendes Geschäft von einem Rechtspfleger nicht wirksam übernommen werden kann. Die Entscheidung des LG Dresden zur Frage, ob der Rechtspfleger oder der Insolvenzrichter für die Entlassung gemäß § 59 InsO zuständig ist (im hier vorliegenden Fall aus sachlichen Gründen ohne weiteres gerechtfertigt), bietet daher berechtigt Gelegenheit, sich mit dem Wortlaut des § 18 RPflG intensiver auseinanderzusetzen. Das LG Dresden referiert zutreffend die beiden Hauptlinien in Literatur und Rechtsprechung: Eine Meinung liest den Richtervorbehalt aus dem Halbsatz „und die Ernennung des Insolvenzverwalters“, blendet dabei aber aus, dass der Kontext eher die Eröffnungsentscheidung zu meinen scheint, die die Verwalterbestellung einschließt. Hier behilft man sich dann regelmäßig mit actus-contrarius-Überlegungen oder dem Vergleich zum vorläufigen Insolvenzverwalter, dessen Abberufung (unstreitig) beim Insolvenzrichter liegt (hierzu: Graeber in: MünchKomm InsO, § 59 Rn. 40). Demgegenüber vertritt die Gegenauffassung die Ansicht, es gehe hierbei allein um die Eröffnungsentscheidung, und für eine Analogie sei kein Anwendungsbereich. Allenfalls komme ein Vorbehalt durch richterliche Entscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Sätze 1 und 3 RPflG in Betracht. Das LG Dresden entscheidet sich mit guten Gründen (und auch verfahrensökonomischer) für die Rechtspflegerzuständigkeit. Die Grundrechtsausführungen führen weit ins Verfassungsrecht, das hier m.E. nicht hätte bemüht werden müssen, um eine stringente Entscheidung zu erreichen. Einzig die Diskrepanz zwischen Entlassung des vorläufigen Verwalters im Eröffnungsverfahren (unstreitig Richter) und der Entlassung im eröffneten Verfahren (streitig, ob Richter oder Rechtspfleger) böte Anlass, die Argumentation des LG Dresden zu hinterfragen. Obgleich die Rechtsbeschwerde möglich gewesen wäre, wurde diese hier nicht eingelegt, so dass erst einer der nächsten Fälle die Gelegenheit zur höchstrichterlichen Klärung schaffen kann.

D. Auswirkungen für die Praxis

Ungeachtet einer (wann auch immer fallenden) höchstrichterlichen Entscheidung kann der Insolvenzrichter schon heute von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Sache nach § 18 Abs. 2 Satz 3 RPflG an sich zu ziehen (so instruktiv Graeber in: MünchKomm InsO, § 59 Rn. 40). Dies mag gerade mit Blick auf die Grundrechtsrelevanz die Akzeptanz der Entscheidung erhöhen.

Entlassung des Insolvenzverwalters durch den Rechtspfleger
Thomas HansenRechtsanwalt
  • Fachanwalt für Steuerrecht
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

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