Nachfolgend ein Beitrag vom 13.3.2013 von Wimmer, jurisPR-InsR 5/2017 Anm. 1

I. Vorbemerkungen

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz1 wurde nach langen Geburtswehen endlich am 16.02.2017 in zweiter und dritter Lesung verabschiedet. Damit hat ein zähes Ringen innerhalb der Regierungskoalition doch noch einen Abschluss gefunden, der – zumindest nach den zu Protokoll gegebenen Reden – als Erfolg gefeiert wird.2 Die Frage, ob das, was lange währt, tatsächlich endlich gut – oder zumindest deutlich besser – wird3, lässt sich wohl nur nach dem Blickwinkel des Betrachters beantworten. So klingt in manchen Reden das Bedauern an, dass die Ansätze des Referentenentwurfs nicht weiter verfolgt worden seien.

Da der Regierungsentwurf bereits im Einzelnen vorgestellt wurde4, werden im Folgenden nur holzschnittartig der Gesetzentwurf dargestellt und nur die Änderungen des Gesetzes gegenüber dem Regierungsentwurf eingehender erläutert.

II. Wesentlicher Inhalt des Gesetzes

1. Anlass für die Reformarbeiten

Ausgangspunkt der Reformbestrebungen war der Befund, dass das Recht der Insolvenzanfechtung in den letzten Jahren insbesondere durch die Rechtsprechung des BGH so fein differenziert und ziseliert wurde, dass es für die Rechtsunterworfenen kaum noch vorhersehbar war, wie sie sich in der Krise des Unternehmens zu verhalten haben, ohne der Gefahr ausgesetzt zu sein, vom Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung in Anspruch genommen zu werden. Von den Wirtschaftskreisen wurde ein Reformbedarf insbesondere bei der Vorsatzanfechtung, aber auch beim Bargeschäft konstatiert. Dabei ging es etwa um die Befürchtung, dass es für ein von einer Anfechtung betroffenes Unternehmen zu einer existenzgefährdenden Lage kommen könne, wenn es eine Gegenleistung für eine ordnungsgemäß erbrachte Leistung im Falle der Insolvenz des Geschäftspartners wieder herausgeben müsse. Dieses Risiko habe sich noch dadurch verstärkt, dass in der Rechtsprechung des BGH an den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes immer geringere Anforderungen gestellt worden seien. Besonders kritisiert wurden dabei die Vermutungswirkungen, wenn dem Schuldner eine Zahlungserleichterung gewährt wurde.

2. Änderung von § 14 Abs. 1 InsO

Bei einem Gläubigerantrag wird es als Manko angesehen, dass der Antrag unzulässig wird, wenn die Forderung, auf die der Antrag gestützt ist, erfüllt wird. Deshalb wurde mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2011 § 14 Abs. 1 InsO dahingehend geändert, dass ein Antrag nicht allein dadurch unzulässig wird, dass die Forderung nach Antragstellung befriedigt wird, sofern in einem Zeitraum von zwei Jahren bereits ein Eröffnungsantrag gestellt worden war. Diese zeitliche Einschränkung hatte in der Praxis zur Konsequenz, dass die Vorschrift nicht die geplante Wirkung entfalten konnte, möglichst zeitnah für Klarheit zu sorgen, ob es sich lediglich um eine vorübergehende Liquiditätslücke oder um Zahlungsunfähigkeit handelt. Um diesen Missstand zu beheben, sieht die nun Gesetz gewordene Fassung von § 14 Abs. 1 InsO von dem einschränkenden Tatbestandsmerkmal der Vorantragstellung ab.

3. Streichung der Änderung von § 131 InsO

Im Regierungsentwurf war vorgesehen, § 131 Abs. 1 InsO um einen Satz zu ergänzen, dass eine Rechtshandlung nicht allein deshalb inkongruent wird, weil die Sicherung oder Befriedigung durch Zwangsvollstreckung erwirkt wurde. Dieser Änderungsvorschlag wurde auf die Überlegung gestützt, der Gläubiger mache lediglich von den im Gesetz vorgesehenen Zwangsmitteln Gebrauch, so dass es nicht gerechtfertigt sei, ihn einer Anfechtung auch dann zu unterwerfen, wenn er bei der Zwangsvollstreckung keine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hatte.

Der Verzicht auf eine Reform von § 131 InsO wird nun im Bericht des Rechtsausschusses mit dem Hinweis begründet, damit werde auf die Schaffung eines „indirekten Fiskusprivilegs“ verzichtet.5 Andernfalls hätte die Gefahr bestanden, dass die Regelung „aufgrund der Möglichkeit der Selbsttitulierung eine ungerechtfertigte Privilegierung hoheitlicher Rechtsträger gegenüber privaten Gläubigern“ bewirkt hätte.

Dabei ist es zumindest erfreulich, dass nicht auf die sehr angreifbare Argumentation abgestellt wird, bei einer Einschränkung der Deckungsanfechtung hätte nicht mehr die leicht zu ermittelnde Anfechtung von Vollstreckungsbefriedigungen zur Verfügung gestanden, was zu einer geringeren Zahl von Verfahrenseröffnungen geführt hätte.6 Da der Verzicht auf eine Einschränkung von § 131 InsO vorrangig mit der Möglichkeit der Selbsttitulierung durch die öffentliche Hand begründet wird, blieb die grundlegende Frage ausgeklammert, durch was es gerechtfertigt ist, einen Gläubiger, der seine Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzt, als weniger schutzwürdig zu behandeln, und wieso diesem Erwerb eine besondere Verdächtigkeit anhaften soll.

4. Änderung von § 133 InsO

Während § 133 Abs. 1 InsO unverändert bleibt, werden danach in die Vorschrift zwei neue Absätze eingefügt, so dass der bisherige Absatz 2 zu Absatz 4 wird. Damit erfolgt eine Trennung zwischen Deckungshandlungen einerseits und sonstigen Vermögensverschiebungen andererseits.

Die Anfechtungsfrist des geltenden Rechts von zehn Jahren wird für Deckungshandlungen – und zwar unabhängig davon, ob diese kongruent oder inkongruent sind – in § 133 Abs. 2 InsO auf vier Jahre zurückgenommen, um bei diesen für den Rechtsverkehr besonders bedeutsamen Rechtshandlungen für mehr Planungssicherheit zu sorgen.

Bei Bankrotthandlungen und fraudulösen Vermögensverschiebungen sowie bei inkongruenten Deckungshandlungen bleibt es bei der Vermutung des geltenden Rechts, dass der Anfechtungsgegner Kenntnis vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners hat, wenn er wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte, und die Handlung die anderen Gläubiger benachteiligt. Kongruente Deckungshandlungen werden demgegenüber künftig nach Absatz 3 Satz 1 dadurch privilegiert, dass die Vermutung nur eingreift, wenn der Anfechtungsgegner Kenntnis von der bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit hat. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass bei einer kongruenten Leistung der Schuldner nur dasjenige erhält, worauf er nach dem Schuldverhältnis einen Anspruch hat.

Einem der zentralen Anliegen der Wirtschaft wird durch den neuen § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO Rechnung getragen. Wie bereits ausgeführt, wird von interessierter Seite beklagt, die von der Rechtsprechung entwickelten Beweisanzeichen würden bereits bei Zahlungsstockungen oder bei einer Ratenzahlungsvereinbarung die Kenntnis des Vertragspartners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und von dessen Gläubigerbenachteiligungsabsicht vermuten lassen. Damit würden jedoch grundlegende wirtschaftliche Zusammenhänge verkannt, da die Notwendigkeit, saison- oder marktbedingte Engpässe abzufedern, bei einer Vielzahl von Geschäftsbeziehungen auftreten würde. Vor dem Hintergrund einer massiven Verunsicherung der Wirtschaftskreise und einer kaum vorhersehbaren Rechtsprechung der Instanzgerichte war der Gesetzgeber bemüht, eine Formulierung zu finden, die die weit verbreiteten Usancen der Zahlungserleichterungen möglichst umfassend absichert. Mit diesem Ziel wurde die kritisierte Vermutungsregelung quasi auf den Kopf gestellt, so dass die Gewährung einer solchen Zahlungserleichterung nun die Vermutung begründet, dass der Anfechtungsgegner zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte. Bei diesem Ansatz ist allerdings zweifelhaft, ob die Gewährung einer Zahlungserleichterung eine geeignete Vermutungsbasis darstellt, von der regelmäßig auf die Unkenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden kann. Eine allgemeine Lebenserfahrung dürfte sich insofern auch nicht feststellen lassen, vielmehr wird häufig gerade das Gegenteil der Fall sein. Die Einräumung einer Zahlungserleichterung dient häufig dem Zweck, den Betrieb des Schuldners noch so lange aufrechtzuerhalten, bis der sie gewährende Gläubiger seine Interessen hinreichend abgesichert hat.7 Angesichts der Unbestimmtheit der Regelung wird die Rechtsprechung aufgerufen sein, im Einzelnen zu bestimmen, welche Art von Zahlungserleichterungen privilegiert werden sollen, etwa in welcher Höhe, zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Begleitumständen sie eingeräumt wurden.

5. Änderung von § 142 InsO

§ 142 InsO wird neu gefasst und in drei Absätze aufgegliedert. In Absatz 1 wird das Bargeschäftsprivileg ausgedehnt, so dass künftig eine Anfechtung nur möglich ist, wenn die Voraussetzungen für eine Vorsatzanfechtung nach dem neuen § 133 InsO vorliegen und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte. Die Kritik, mit der Beschränkung der Anfechtung auf unlautere Handlungen seitens des Schuldners wäre eine Anfechtung bei bargeschäftsähnlichen Lagen künftig nahezu unmöglich,8 dürfte überzogen sein, da der unbestimmte Rechtsbegriff „unlauter“ bereits heute in zahlreichen Vorschriften Verwendung findet und angesichts der Weite des Begriffs die Rechtsprechung genug Möglichkeiten finden dürfte, die Anfechtung weiterhin als schneidiges Instrument auszugestalten. Insofern wird die Neufassung von § 142 Abs. 1 InsO als Appell des Gesetzgebers zu verstehen sein, bei einem gleichwertigen Leistungsaustausch eingehend zu prüfen, ob ein anfechtungswürdiges Verhalten vorliegt.

In § 142 Abs. 2 InsO wird in Satz 1 der Versuch unternommen, zu definieren, wann ein unmittelbarer Leistungsaustausch gegeben ist, wobei auf die „Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs“ abgestellt wird. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BAG9 wird für das Arbeitsverhältnis bestimmt, dass ein solch enger zeitlicher Zusammenhang vorliegt, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und dem dafür gewährten Arbeitsentgelt drei Monate nicht übersteigt.

Eingehend diskutiert und letztlich abgelehnt wurde im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens, ob der Vorschlag des Bundesrates aufgegriffen werden sollte, bei der Anfechtung von Lohnzahlungen nicht mehr auf den Netto-, sondern auf den Bruttolohn abzustellen und damit die Anfechtung gegenüber dem Finanzamt respektive der Einzugsstelle zu beschränken.10 Gegen diesen Vorschlag wird von Hirte zutreffend eingewandt, dass die „Leistungen“ des Fiskus und der Sozialversicherungsträger nicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Arbeitsleistung des Arbeitnehmers stehen und dass diese öffentlich-rechtlichen Gläubiger bei einer rechtzeitigen Antragstellung ebenfalls keine Ansprüche hätten.11

Ergänzt wurde § 142 Abs. 2 InsO RegE im Gesetzgebungsverfahren um einen neuen Satz 3, nach dem die Gewährung des Arbeitsentgelts durch einen Dritten nach § 267 BGB der Gewährung durch den Schuldner gleichsteht, wenn für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, dass ein Dritter die Leistung bewirkt hat.12 Bedeutung dürfte dies insbesondere für Konzernsachverhalte haben, wenn der Arbeitnehmer etwa bei der XY AG angestellt ist, die konkrete Lohnzahlung jedoch durch die XY GmbH erfolgt. Aber auch im Bereich der kmU sind solche Sachverhaltskonstellationen durchaus denkbar, wie das Urteil des BAG vom 13.11.2014 zeigt.13 In diesem Fall wurde das Entgelt des Arbeitnehmers über das Konto der Ehefrau des späteren Schuldners gezahlt. Das Gericht entschied, dass eine Gehaltszahlung, die nicht über das übliche Konto des Arbeitgebers, sondern über das Konto einer dritten Person erfolgt, als inkongruente Deckung zu werten ist, wenn der Schuldner dem Dritten die Mittel zuvor zur Verfügung gestellt hatte.

6. Änderung von § 143 InsO

Der Rückgewährsanspruch, dem der Anfechtungsgegner ausgesetzt ist, ist ab Fälligkeit mit einem Zinssatz zu verzinsen, der sich aus § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt. Da der Rückgewährsanspruch bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig wird, sieht sich heute der Anfechtungsgegner der Gefahr ausgesetzt, unter Umständen über mehrere Jahre eine Forderung mit 5% über Basiszinssatz verzinsen zu müssen. Da hierdurch Fehlanreize für den Insolvenzverwalter bewirkt werden können, ist nach dem geänderten § 143 Abs. 1 InsO eine Geldleistung nur zu verzinsen, wenn der Schuldnerverzug gegeben ist oder die Voraussetzungen des § 291 BGB vorliegen.

Diese Änderung war nahezu unstreitig und wurde im Gesetzgebungsverfahren nahezu einhellig begrüßt, obwohl sich, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, aus der Systematik des Anfechtungsrechts durchaus Bedenken vorbringen lassen.

7. Einfügung von Art. 103j EGInsO14

Art. 103j Abs. 1 EGInsO enthält zunächst die übliche Übergangsvorschrift, wonach auf Insolvenzverfahren, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes eröffnet wurden, die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden sind. An die Fassung des Regierungsentwurfs neu angefügt wurde ein Absatz 2, mit dem sichergestellt werden soll, dass auf Anfechtungsansprüche, die bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes fällig wurden, ein weitergehender Anspruch auf Zinsen ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens nur dann besteht, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 BGB gegeben sind. Damit soll zusätzlich erreicht werden, dass auch über § 818 Abs. 1 BGB keine weitergehenden Zinsen verlangt werden können.

Dass es sich bei diesem rückwirkenden Eingriff in den Zinsanspruch nicht um eine völlig unproblematische Regelung handelt, erschließt sich bereits daraus, dass die Erläuterung zu dieser Änderung ungefähr dreiviertel der gesamten Begründung der Beschlussempfehlung einnimmt. Zutreffend wird dort ausgeführt, dass der Zinsanspruch der Masse i.H.v. 5% über dem Basiszinssatz bereits mit Fälligkeit des Anfechtungsanspruchs, also mit der Verfahrenseröffnung entsteht.15 Es handelt sich somit um eine unechte Rückwirkung, da der neue Absatz 2 an einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt – die Abwicklung des Rückgewährsanspruch nach § 143 InsO – anknüpft, und den in der Vergangenheit erworbenen Zinsanspruch nachträglich entwertet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG ist dies nicht grundsätzlich zulässig, um die Rechtsordnung an den Wandel der Lebensverhältnisse anpassen zu können.16 Sofern bei dem von den nachteiligen Wirkungen der Rechtsänderung Betroffenen keine besondere Schutzwürdigkeit vorliegt, genießt die bloße Erwartung, das geltende Recht werde unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Allerdings wird dem Gesetzgeber in diesen Fällen aufgegeben, den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz hinreichend zu beachten. Dabei sind die Interessen, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf den Fortbestand der Rechtslage abzuwägen.

Bei dieser Abwägung hat das Interesse des Insolvenzverwalters, die Grundlage für seine Vergütung zu erhöhen, von vornherein außen vor zu bleiben. Die Insolvenzanfechtung hat lediglich das Ziel, die Insolvenzmasse in die Lage zu versetzen, in welcher sie sich befinden würde, wenn das anfechtbare Verhalten unterblieben wäre. Vergütungsgesichtspunkte spielen hierbei keine Rolle.

Abzuwägen ist deshalb das Interesse der Insolvenzgläubiger an einer möglichst hohen Befriedigung ihrer Forderungen mit dem Interesse des Anfechtungsgegners, nicht mit für ihn unüberschaubaren Zinsforderungen belastet zu werden. Während die Zinsbelastung für den Anfechtungsgegner leicht eine Höhe erreichen kann, die ihn selbst in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringt, ist die Verzinsung des Anfechtungsanspruchs für die Insolvenzgläubiger eher als „Beifang“ zu werten, den sie über ihre Quote gerne mitnehmen, der aber nicht ernsthaft in ihre Kalkulation einfließt. Diese Argumentation überzeugt zumindest dann, wenn der Anfechtungsgegner angesichts des heute üblichen Zinsniveaus überhaupt nicht die Möglichkeit hatte, Zinsen zu erwirtschaften. Eine andere Bewertung könnte jedoch dann angezeigt sein, wenn es ihm möglich war, selbst in einem schwierigen Marktumfeld eine lukrative Verzinsung zu erreichen. Fraglich ist deshalb auch, ob die Begründung der Beschlussempfehlung trägt, ein Zinsanspruch würde zu einer „weiter gehenden Bereicherung der Insolvenzmasse“ führen, der nur gerechtfertigt wäre, wenn der Anfechtungsgegner sich im Schuldnerverzug befindet. Versteht man das Anfechtungsrecht hingegen in dem oben dargestellten Sinne als Instrument, um die potentielle Vermögenslage herzustellen, wie sie ohne die anfechtungsrelevante Rechtshandlung bestanden hätte, so müsste wohl auch darauf abgestellt werden, ob der Schuldner respektive der Insolvenzverwalter ebenfalls in der Lage gewesen wären, mit dem zurückzugewährenden Geldbetrag Zinsen zu realisieren.

Angesichts der sehr moderaten Anforderungen, die das BVerfG an die Zulässigkeit einer unechten Rückwirkung stellt, dürfte es allerdings wenig wahrscheinlich sein, dass der neue Art. 103 Abs. 2 Satz 2 EGInsO als verfassungswidrig eingestuft wird.


Fußnoten

1) BT-Drs. 18/7054.

2) Plenarprotokoll 18/218 Anlage 2, S. 21907 ff.

3) So MdB Keul, Plenarprotokoll 18/218, S. 21912 (D).

4) Wimmer, jurisPR-InsR 1/2016 Anm. 1.

5) BT-Drs. 18/11199, S. 10 f.

6) Vgl. zu der Kritik an dem Änderungsvorschlag des Regierungsentwurfs Wimmer, jurisPR-InsR 1/2016 Anm. 1, unter III.2.b.

7) Vgl. zu dieser Kritik Wimmer, jurisPR-InsR 1/2016 Anm. 1, unter III.3.c(2); zweifelnd auch MdB Keul, Plenarprotokoll 18/218, S. 21913 (B).

8) So etwa Ganter, WM 2015, 2117, 2120; Brinkmann/Jacoby/Thole, ZIP 2015, 2001.

9) BAG, Urt. v. 06.10.2011 – 6 AZR 262/10 – NZI 2011, 981 Rn. 17 f.; kritisch etwa Ganter, ZIP 2012, 2037, 2043.

10) Im Grunde handelt es sich dabei um einen Versuch des Bundesrates, den durch die Rechtsprechung zertrümmerten § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV und den bereits im Versuchsstadium gescheiterten § 38 Abs. 3 Satz 2 EStG-E zu revitalisieren; vgl. hierzu mit eingehender Begründung OLG Hamburg, Urt. v. 21.10.2015 – 1 U 196/14 – ZInsO 2016, 2034.

11) MdB Hirte, Plenarprotokoll 18/218, S. 21909 (A).

12) Etwas unklar ist bei der Formulierung allerdings, worauf sich „dieses Arbeitsentgelts“ bezieht.

13) BAG, Urt. v. 13.11.2014 – 6 AZR 869/13 – ZInsO 2015, 306; vgl. allgemein zu der Anfechtung von Drittzahlungen Spiekermann, NZI 2014, 1030; Staufenbiel/Brill, ZInsO 2013, 2040.

14) Da bei der Verkündung der nächste freie Buchstabenzusatz einzusetzen ist, wäre auch ein neuer Art. 103k EGInsO denkbar.

15) Allerdings umfasst der Rückgewährsanspruch auch die Zahlung von Zinsen in marktüblicher Höhe als Nutzungen bereits von der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung an; vgl. Kirchhof in: MünchKomm InsO, 3. Aufl. 2013, § 143 Rn. 63. Dieser Anspruch soll nach § 143 Abs. 1 Satz 3 InsO n.F. künftig ebenfalls entfallen, auch soweit der Anfechtungsgegner tatsächlich Zinsen erwirtschaftet hat und der Insolvenzverwalter nachweist, dass auch er rsp. der Schuldner entsprechende Zinsen hätten erwirtschaften können; vgl. BT-Drs. 18/7054, S. 19.

16) Vgl. nur BVerfG, Zweiter Senat, Beschl. v. 07.07.2010 – 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05.