Nachfolgend ein Beitrag vom 2.6.2017 von Wimmer, jurisPR-InsR 11/2017 Anm. 1

A. Vorbemerkungen

Am 27.04.2017 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/848 über Insolvenzverfahren in der Fassung der BT-Drs. 18/12154 bei Enthaltung der Fraktion Die Linke verabschiedet. Damit dürfte das umfangreiche Gesetzgebungsprogramm zum Insolvenzrecht für diese Legislaturperiode abgeschlossen sein. Nur zur Erinnerung seien noch einmal die anderen größeren Reformvorhaben zum Insolvenzrecht, die in der 18. Legislaturperiode erfolgreich abgeschlossen werden konnten, genannt: das Gesetz zur Absicherung von bestimmten Finanzmarktkontrakten vom 22.12.2016 (BGBl I, 3147), das Gesetz zum Anfechtungsrecht vom 29.03.2017 (BGBl I, 654) und das Gesetz zum Konzerninsolvenzrecht vom 13.04.2017 (BGBl I, 866).

Mit dem Gesetz soll die VO 2015/848 (ABl EU Nr. L 141 v. 05.06.2015, S. 19; im Folgenden EuInsVO n.F.), welche die bisherige EuInsVO ablöst, in das deutsche Recht eingepasst werden. Zwar bedarf eine EU-Verordnung an sich keiner Umsetzung im nationalen Recht, sondern gilt nach Art. 288 AEUV allgemein und unmittelbar, gleichwohl ist es bei einigen Bestimmungen der EuInsVO unerlässlich, sie mit dem deutschen Recht abzustimmen, da insbesondere beim Verfahrensrecht sonst Friktionen auftreten könnten.

Daneben werden noch einige Redaktionsversehen aus früheren Gesetzgebungsvorhaben korrigiert und die Strafbarkeit wegen eines unvollständigen Insolvenzantrags neu justiert.

B. Die Änderungen im Einzelnen

I. Der neue Art. 102c EGInsO

1. Die wesentlichen Änderungen der EuInsVO

Da sich nach übereinstimmender Auffassung die bisherige EuInsVO1 bewährt hat, wird die Grundausrichtung der Verordnung beibehalten und im Wesentlichen systemimmanente Begradigungen vorgesehen. Allerdings soll die EuInsVO n.F. stärker auf die Sanierung von Unternehmen ausgerichtet werden, so dass zur Verfahrenseröffnung nicht zwingend ein klassischer Insolvenzgrund vorliegen muss. Die Verordnung gibt lediglich noch vor, dass dem Schuldner ganz oder teilweise die Verfügungsbefugnis über sein Vermögen entzogen sein muss, um sie auf einen Verwalter zu übertragen oder dass das Vermögen und die Geschäfte des Schuldners der Kontrolle oder der Aufsicht eines Gerichts unterstellt wurden. Ausreichend ist hierfür die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz.

Der COMI als zentraler Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit für die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens wird beibehalten und zur weiteren Präzisierung stärker an die Rechtsprechung des EuGH geknüpft. Die Vermutung, dass der satzungsmäßige Sitz bei Gesellschaften oder juristischen Personen den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen bildet, wird beibehalten. Bei Selbstständigen wird die Vermutung an den Ort der Hauptniederlassung geknüpft, während bei Verbrauchern der Ort ihres gewöhnlichen Aufenthalts maßgebend sein soll.

Da der COMI für das gesamte Insolvenzverfahren von zentraler Bedeutung ist, hat das Gericht, bei dem ein Eröffnungsantrag gestellt wurde, von Amts wegen seine internationale Zuständigkeit zu prüfen. Zusätzlich wird dem Schuldner und jedem Gläubiger eine Beschwerdebefugnis eröffnet, mit der sie die internationale Zuständigkeit rügen können.

Für insolvenznahe Klageverfahren enthielt die EuInsVO a.F. keine Bestimmungen zur internationalen Zuständigkeit. Die Neufassung sieht nun vor, dass die Zuständigkeit nach Art. 3 EuInsVO auch für Klagen gilt, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen oder in engem Zusammenhang mit ihm stehen.

Angesichts der Bedeutung, die die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf den gesamten Geschäftsverkehr zeigt, werden die Mitgliedstaaten durch die Neufassung verpflichtet, öffentlich zugängliche elektronische Register einzuführen. Diese Register werden über das europäische Justizportal vernetzt, so dass die Insolvenzgerichte sich bei Eingang eines Antrags leicht darüber informieren können, ob in einem anderen Mitgliedstaat bereits ein Verfahren gegen den Schuldner anhängig ist.

Angesichts des Störpotenzials, das Sekundärinsolvenzverfahren bei der Abwicklung grenzüberschreitender Insolvenzen entfalten können, unternimmt die Neufassung den Versuch, diese Verfahren möglichst einzuschränken oder die mit ihnen verbundenen potentiellen Konflikte zumindest zu entschärfen. Mit den sog. synthetischen Sekundärverfahren wird dabei ein neuer Ansatz verfolgt, über den die lokalen Gläubiger so gestellt werden sollen, als wäre ein Territorialverfahren eröffnet worden. Der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens kann eine Zusicherung abgeben, dass er bei der Verteilung des Vermögens, das in dem Mitgliedstaat belegen ist, in dem ein Sekundärinsolvenzverfahren hätte eröffnet werden können, die Verteilungs- und Vorzugsrechte nach der lex fori concursus dieses Verfahrens beachtet. Gelingt es nicht, ein Sekundärinsolvenzverfahren auf diesem Wege zu unterbinden, so sehen sich die involvierten Institutionen und Personen einer stärkeren Pflicht zur Zusammenarbeit ausgesetzt.

Völlig neu ist auch die Einführung von Vorschriften zum Konzerninsolvenzrecht. Wie bisher ist allerdings für jeden Schuldner mit eigener Rechtspersönlichkeit die internationale Zuständigkeit jeweils gesondert festzustellen. Die EuInsVO n.F. sieht nun Vorschriften vor, die insbesondere auf eine Harmonisierung der einzelnen Insolvenzverfahren abzielen. In Übereinstimmung mit den Reformarbeiten in Deutschland wird nicht der Versuch unternommen, über eine Konsolidierungslösung gewachsene gesellschaftsrechtliche Strukturen in den einzelnen Mitgliedstaaten einzuschränken.

Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die bisherige Ausrichtung der EuInsVO erhalten bleibt und die Neufassung im Wesentlichen Entwicklungen aufgreift, die entweder von der Praxis als stark regelungsbedürftig ausgemacht wurden oder die bereits in der Rechtsprechung hinreichend bestimmte Konturen erhalten haben.

2. Einpassung der EuInsVO in das deutsche Recht

a) Verhältnis zwischen Art. 102 EGInsO und Art. 102c EGInsO

Wie die bisherige EuInsVO bedarf auch deren Neufassung zwar keiner Umsetzung, aber einer Einpassung in das deutsche Recht. Für die EuInsVO a.F. erfolgte dies über Art. 102 EGInsO. Da die Neufassung eine Vielzahl von Änderungen und Neuerungen mit sich bringt, mussten die bisherigen Regelungen in Art. 102 EGInsO deutlich geändert und erweitert werden. Nach Art. 84 VO 2015/848 ist die Neufassung nur auf solche Verfahren anzuwenden, die nach dem 26.06.2017 eröffnet wurden. Deshalb behält Art. 102 EGInsO für die bis dahin eröffneten Verfahren weiterhin Bedeutung.

Da – wie bereits ausgeführt – die Grundausrichtung der EuInsVO beibehalten wurde, finden sich auch die meisten Regelungen des bisherigen Art. 102 EGInsO in dem neuen Art. 102c EGInsO. Allerdings durfte die Pflicht aus Art. 102 § 2 EGInsO, die Eröffnungsentscheidungen zu begründen, nicht übernommen werden, da sich eine solche Pflicht nun unmittelbar aus Art. 4 Abs. 1 EuInsVO n.F. ergibt.

Im Folgenden werden nur die Vorschriften von Art. 102c EGInsO behandelt, die von der Regelung in Art. 102 EGInsO wesentlich abweichen oder zumindest von einigem Gewicht sind.

b) Zu Art. 102c § 2 EGInsO

Die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens in einem anderen Mitgliedstaat hindert die deutschen Insolvenzgerichte, ebenfalls ein Hauptinsolvenzverfahren zu eröffnen. Ein entsprechender Antrag bei einem deutschen Gericht ist deshalb als unzulässig zu verwerfen. Wurde dennoch ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet, so kann dieses nach dem neuen § 2 als Sekundärinsolvenzverfahren fortgeführt werden, wenn der Antrag auch auf die Eröffnung eines Territorialverfahrens ausgerichtet ist. Fehlt den deutschen Gerichten die Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 2 EuInsVO oder liegt kein entsprechender Antrag vor, so ist das Verfahren einzustellen.

c) Zu Art. 102c § 4 EGInsO

Nach Art. 1 Abs. 1 EuInsVO n.F. gilt auch ein vorläufiges Verfahren, also unter bestimmten Umständen auch ein deutsches Eröffnungsverfahren, als Hauptinsolvenzverfahren, gegen dessen Einleitung nach Art. 5 Abs. 1 EuInsVO n.F. mittels Beschwerde die fehlende internationale Zuständigkeit des Eröffnungsgerichts gerügt werden kann. Es wäre allerdings nicht gerechtfertigt, alle nach deutschem Recht zulässigen vorläufigen Sicherungsmaßnahmen als Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens anzusehen. Deshalb wird die Fassung des Regierungsentwurfs dahingehend eingeschränkt, dass eine Beschwerde nur dann zulässig ist, wenn die Anordnung der Sicherungsmaßnahme nach der Rechtsprechung des EuGH 2 der Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens gleichsteht.

d) Zu Art. 102c § 5 EGInsO

Nach Art. 4 Abs. 1 EuInsVO n.F. hat jedes angegangene Insolvenzgericht zu prüfen, ob ihm die internationale Zuständigkeit für das beantragte Verfahren zukommt. Um diese Prüfung zu erleichtern, schreibt § 5 vor, dass bei einem in Deutschland gestellten Antrag Angaben zu machen sind, die dem Gericht die Prüfung der internationalen Zuständigkeit erleichtern. Im Wesentlichen sind die Tatsachen anzugeben, aus denen sich die Bestimmung des COMI herleiten lässt.

e) Zu Art. 102c § 6 EGInsO

Für Klagen, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und im engen Zusammenhang damit stehen, sind nach Art. 6 Abs. 1 EuInsVO n.F. die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Fehlt eine innerstaatliche Regelung über die örtliche Zuständigkeit, so soll in Deutschland nach § 6 Abs. 1 das sachlich zuständige Gericht am Ort des Insolvenzgerichts örtlich zuständig sein.

Ergänzend sieht Art. 6 Abs. 2 EuInsVO n.F. ein weiteres Forum für den Insolvenzverwalter vor, wenn eine Annexklage in einem engen Zusammenhang mit einer anderen zivil- oder handelsrechtlichen Klage gegen denselben Beklagten steht. In diesem Fall kann der Verwalter beide Klagen bei den Gerichten des Mitgliedstaats erheben, in dessen Gebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat. Örtlich zuständig ist nach § 6 Abs. 2 das Gericht, das auch für die andere zivil- oder handelsrechtliche Klage zuständig ist. Zu denken ist in diesem Zusammenhang etwa an die Verbindung einer insolvenzrechtlichen Haftungsklage mit einer gesellschaftsrechtlichen oder deliktsrechtlichen Klage (vgl. Erwägungsgrund 35).

f) Zu Art. 102c § 7 EGInsO

Nach der Neufassung der EuInsVO hat der Insolvenzverwalter zu beantragen, dass die Eröffnungsentscheidung in jedem anderen Mitgliedstaat bekannt gemacht wird, in dem sich eine Niederlassung des Schuldners befindet (Art. 28 Abs. 1 EuInsVO n.F.). Nach § 7 Abs. 1 ist das Insolvenzgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich die Niederlassung des Schuldners befindet.

Existiert keine inländische Niederlassung, kann der Verwalter dennoch nach Art. 28 Abs. 2 EuInsVO n.F. beantragen, dass die Eröffnungsentscheidung in anderen Mitgliedstaaten veröffentlicht wird. Im Inland ist dieser Antrag nach § 7 Abs. 2 bei dem Gericht zu stellen, in dessen Bezirk sich das wesentliche inländische Vermögen des Schuldners befindet. Gibt es im Inland keine Vermögenswerte, so kann der Antrag bei jedem Insolvenzgericht gestellt werden.

g) Die Einpassung des synthetischen Sekundärinsolvenzverfahrens

aa) Funktion der synthetischen Verfahren

Die Durchführung von Sekundärinsolvenzverfahren soll nicht nur die lokalen Gläubiger schützen, sondern kann auch der Verfahrensökonomie dienen, etwa wenn die Insolvenzmasse des Schuldners zu verschachtelt ist, um als Ganzes verwaltet zu werden (vgl. Erwägungsgrund 40 EuInsVO n.F.). Andererseits können sich diese Verfahren aber auch als Störfaktor erweisen und eine effiziente Verwaltung der Masse behindern (so Erwägungsgrund 41 EuInsVO n.F.). Die Bereinigung der Insolvenz wird wegen des erhöhten Abstimmungsbedarfs regelmäßig in die Länge gezogen, und die Kosten für die Verfahrensabwicklung steigen nahezu zwangsläufig. Diese nachteiligen Folgen will die Neufassung der EuInsVO über die Einführung sog. synthetischer Sekundärverfahren verhindern, in denen der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens den lokalen Gläubigern zusichert, dass sie so behandelt werden, als wäre ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet worden. Die prozeduralen Anforderungen dieses Verfahrens sind komplex und erfordern mehrere ergänzende Vorschriften im deutschen Recht.

Die Zusicherung erfasst das Vermögen des Schuldners, das im Zeitpunkt ihrer Abgabe im Mitgliedstaat des synthetischen Sekundärverfahrens belegen ist (Art. 36 Abs. 2 Satz 2 EuInsVO n.F.). Da auf den Zeitpunkt der Abgabe der Zusicherung abgestellt wird, könnte der Verwalter Gegenstände, die sich im Mitgliedstaat der Niederlassung befinden, in das Gebiet des Hauptinsolvenzverfahren transferieren und erst danach die Zusicherung abgeben. Um auch für diese Situation den Gläubigern eine verlässliche Beurteilung zu ermöglichen, wie sie bei Durchführung eines Territorialverfahrens gestanden hätten, sah Art. 102 § 11 EGInsO i.d.F. des RegE vor, dass der Verwalter auch Angaben dazu zu machen hat, welche Gegenstände er nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einen anderen Staat verbracht hat. Im Gesetzgebungsverfahren wurde diese Vorschrift mit dem Hinweis gestrichen, die Pflicht zur Abgabe einer solchen Erklärung lasse sich bereits aus der Verordnung heraus begründen (BT-Drs. 18/12154, S. 31). Leider wurde dabei versäumt, darauf hinzuweisen, aus welchen Vorschriften sich eine solche Pflicht ergeben solle.

bb) Zu Art. 102c § 11 EGInsO

Beabsichtigt der Verwalter in einem inländischen Insolvenzverfahren eine Zusicherung abzugeben, so hat er zuvor die Zustimmung des Gläubigerausschusses oder des vorläufigen Gläubigerausschusses einzuholen. Ist ein solcher Ausschuss nicht bestellt, unterbleibt eine Gläubigerbeteiligung. Zur Begründung für diese etwas gläubigerunfreundliche Bestimmung verweist der Bericht des BT-Rechtsausschusses auf die Eilbedürftigkeit des Verfahrens und auf die Haftung des Insolvenzverwalters nach § 60 Abs. 1 InsO. Nur am Rande sei angemerkt, dass unter Verweis auf die Haftung des Verwalters nahezu jede Gläubigerbeteiligung eingeschränkt werden könnte.

cc) Zu Art. 102c § 12 EGInsO

Durch § 12 wird der Insolvenzverwalter verpflichtet, die Zusicherung öffentlich bekannt zu machen. Alle Gläubiger, die an dem synthetischen Sekundärinsolvenzverfahren interessiert sind, sollen so Gelegenheit erhalten, vor der Billigung der Zusicherung hinreichende Kenntnis von ihrem Inhalt zu erhalten. Für die lokalen Gläubiger wird darüber hinaus angeordnet, dass ihnen die Zusicherung besonders zuzustellen ist. Nur die lokalen Gläubiger sind zur Abstimmung über die Zusicherung berufen, so dass gewährleistet sein muss, dass sie zuverlässig über die Durchführung eines synthetischen Sekundärinsolvenzverfahrens unterrichtet werden. Durch Verweis auf § 8 Abs. 3 Sätze 2 und 3 InsO wird klargestellt, dass der Verwalter sich bei der Zustellung auch eigenen Personals bedienen kann.

dd) Zu Art. 102c § 13 EGInsO

Bevor Massegegenstände oder der Erlös aus der Verwertung von Massengegenständen verteilt werden dürfen, hat der Verwalter die lokalen Gläubiger zu benachrichtigen (Art. 36 Abs. 7 Satz 1 EuInsVO n.F.). Die Unterrichtung ist den lokalen Gläubigern besonders zuzustellen.

ee) Zu Art. 102c § 14 EGInsO

Gibt der Verwalter eine Zusicherung ab, so haftet er gegenüber den lokalen Gläubigern nach Art. 36 Abs. 10 EuInsVO n.F., wenn er die Pflichten verletzt, die ihm aus der Zusicherung erwachsen. Während der RegE3 noch eine Klarstellung enthielt, dass der Verwalter, sofern er sich bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben Angestellter des Schuldners bedient, nur entsprechend § 60 Abs. 2 InsO haftet, wurde dies in der Gesetz gewordenen Fassung nicht mehr aufgegriffen. Dieses Haftungsprivileg soll sich nun unmittelbar aus der Verordnung selbst erschließen.4

ff) Zu Art. 102c § 15 EGInsO

Art. 47 Abs. 2 EuInsVO n.F. entspricht – bis auf eine marginale redaktionelle Anpassung – dem früheren Art. 34 Abs. 2 EuInsVO, so dass auch künftig eine in einem Sanierungsplan vorgesehene Einschränkung von Gläubigerrechten ohne Zustimmung der betroffenen Gläubiger keine Auswirkungen auf das nicht vom Sekundärinsolvenzverfahren erfasste Vermögen haben darf. Insofern lag es nahe, eine Art. 102 § 9 EGInsO entsprechende Regelung auch in Art. 102c EGInsO einzustellen. Diesen Weg hat der RegE beschritten, der allerdings die (heute) nahezu selbstverständliche Klarstellung einfügte, dass es sich um Maßnahmen in einem Sekundärinsolvenzverfahren handeln muss.5 Allerdings ist nun auch an dieser Formulierung Kritik geäußert worden, da sie bei wortgetreuer Interpretation dazu führe, dass in einem deutschen Sekundärinsolvenzverfahren kein Insolvenzplan mit Mehrheitsentscheidung beschlossen werden könne.6 Dies war aber bereits unter der EuInsVO a.F. der Fall. Die überwiegende Auffassung in der Literatur ging davon aus, der Gesetzgeber habe in verordnungskonformer Weise Art. 34 Abs. 2 EuInsVO, der lediglich die Wirkungserstreckung des Insolvenzplans in einem anderen Mitgliedstaat einschränkte, dahingehend erweitert, dass bereits eine Bestätigung des Plans die Zustimmung aller betroffenen Gläubiger erforderlich macht.7

Es ist zwar sicher zutreffend, dass ein Forderungsrecht territorial nicht begrenzt und deshalb diese Regelung in der Praxis kaum durchführbar ist.8 Allerdings hat der Verordnungsgeber die umstrittene Formulierung beibehalten und dabei in Kauf genommen, dass länderübergreifende Sanierungen dadurch erschwert sein können.9 Ein realistischer Anwendungsfall von Art. 47 Abs. 2 EuInsVO n.F. könnte etwa darin bestehen, dass die Sicherungsrechte an Inlandsvermögen durch den Plan neu geregelt werden.10 Ob diese Regelungsintention durch den neu eingefügten § 15 Satz 2 deutlicher wird, ist zumindest zweifelhaft.

gg) Zu Art. 102c § 17 EGInsO

Eine Zusicherung wird nach Art. 36 Abs. 5 EuInsVO n.F. erst wirksam, wenn sie von den bekannten lokalen Gläubigern gebilligt wurde. Das Verfahren, in dem diese Billigung zustande kommt, bestimmt sich nach den Regeln über die qualifizierte Mehrheit und über die Abstimmung, die für die Annahme von Sanierungsplänen gelten. Der Abstimmungsprozess über die Billigung der Zusicherung ist nicht gerichtsgesteuert, sondern wird vom Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens moderiert. Der Verwalter hat sich deshalb mit dem Recht des Staates des potentiellen Sekundärinsolvenzverfahrens vertraut zu machen, um diesen Abstimmungsprozess verantwortungsvoll steuern zu können. In § 17 wird nun im Einzelnen geregelt, welche Vorschriften des Insolvenzplanverfahrens auf die Abstimmung über die Billigung zu übertragen sind. Entgegen dem Vorschlag des Regierungsentwurfs wurde in die vom Bundestag beschlossene Fassung nicht der Minderheitenschutz entsprechend § 251 InsO übernommen.

hh) Zu Art. 102c § 18 EGInsO

Die Frage, mit welchem Stimmrecht die lokalen Gläubiger in diesem frühen Stadium des Verfahrens sich an der Abstimmung über die Zusicherung beteiligen, wird in § 18 dahingehend beantwortet, dass diese Gläubiger grundsätzlich in Höhe ihrer angemeldeten Forderung stimmberechtigt sind. Hat das Stimmverhalten von Gläubigern mit bestrittenen Forderungen auf das Abstimmungsergebnis Einfluss, kann der Verwalter oder der bestreitende lokale Gläubiger bei dem zuständigen Gericht eine Entscheidung über das Stimmrecht beantragen. Die Entscheidung ist nach § 19a Abs. 1 Nr. 3 RPflG dem Richter vorbehalten.

ii) Zu Art. 102c §§ 19, 20 EGInsO

Nach Art. 36 Abs. 5 Satz 4 EuInsVO n.F. hat der Insolvenzverwalter die bekannten lokalen Gläubiger über das Ergebnis der Abstimmung über die Zusicherung zu unterrichten. Dabei kann er sich nach § 19 auch eigenen Personals bedienen.

Auch wenn das Verfahren über die Billigung der Zusicherung erfolgreich abgewickelt wurde, kann dennoch ein Antrag auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens gestellt werden. Wird diesem Antrag nicht stattgegeben, so ist nach § 20 Abs. 1 der Antragsteller beschwerdebefugt.

Wird trotz wirksamer Zusicherung ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet, so kann der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens nach Art. 39 EuInsVO n.F. die Eröffnungsentscheidungen anfechten. Durch § 21 Abs. 2 wird klargestellt, dass dieser Rechtsbehelf als sofortige Beschwerde zu werten ist.

In § 19 RegE war vorgesehen, dass eine gerichtliche Bestätigung der Zusicherung dann zu erfolgen habe, wenn die Zustimmung einer Gläubigergruppe entsprechend § 245 InsO ersetzt werden soll oder wenn ein Gläubiger den Minderheitenschutz entsprechend § 251 InsO für sich in Anspruch nehmen möchte. Die Vorschrift wurde mit dem Hinweis gestrichen, dass im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens alle Gesichtspunkte berücksichtigt werden, die im Rahmen einer Entscheidung über die Bestätigung einer Abstimmung über die Zusicherung hätten geprüft werden müssen. Insofern sei es unter verfahrensökonomischen Gesichtspunkten geboten, auf eine Bestätigung zu verzichten.11 Ob dies tatsächlich zutrifft, wird erst die Zukunft weisen. Wird etwa die Abstimmung einer Gläubigergruppe ersetzt, so ist davon auszugehen, dass einzelne Gläubiger nicht mit dieser Entscheidung einverstanden sind und die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens beantragen werden. Nach der Regelung des Regierungsentwurfs hätte über einen unanfechtbaren Beschluss des Insolvenzgerichts rasch Klarheit erzielt werden können. Nun sind diese Gläubiger zwingend darauf angewiesen, einen Eröffnungsantrag zu stellen und im Falle der Abweisung ein Rechtsmittel einzulegen, das dann ggf. in eine Rechtsbeschwerde einmünden kann.

jj) Zu Art. 102c § 21 EGInsO

In Art. 36 Abs. 7 Satz 2, Abs. 8 und Abs. 9 EuInsVO n.F. werden mehrere Rechtsbehelfe vorgesehen, die prozedural in das deutsche Verfahrensrecht eingepasst werden müssen. Mit § 22 Abs. 1 Satz 1 wird zunächst angeordnet, dass das Insolvenzgericht ausschließlich örtlich zuständig ist, bei dem das Hauptinsolvenzverfahren anhängig ist. Um möglichst rasch Klarheit zu erzielen, ob eine Verteilung gemäß dem Inhalt der Zusicherung erfolgt, ist nach § 21 Abs. 1 Satz 2 die „Anfechtung“ innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen beim Insolvenzgericht einzulegen.

Nach Art. 36 Abs. 8 EuInsVO n.F. ist der Verwalter durch alle geeigneten Maßnahmen zur Einhaltung der Zusicherung anzuhalten. Da der Insolvenzverwalter nach § 58 InsO unter der Aufsicht des Insolvenzgerichts steht, und das Gericht nach dieser Vorschrift alle geeigneten Maßnahmen ergreifen kann, ist eine nähere Präzisierung nicht erforderlich.

Im Interesse einer zügigen Abwicklung des Insolvenzverfahrens wird durch § 21 Abs. 3 bestimmt, dass das Gericht grundsätzlich durch unanfechtbaren Beschluss zu entscheiden hat.

kk) Zu Art. 102c § 22 EGInsO

Die InsO enthält u.a. in den § 269a ff. nun auch ein Konzerninsolvenzrecht12, so dass die Notwendigkeit besteht, die entsprechenden nationalen Vorschriften mit der EuInsVO n.F. zu harmonisieren. Da die EuInsVO weder Bestimmungen über die örtliche Zuständigkeit noch solche zur Verwalterbestellung kennt, besteht ein Abstimmungsbedarf nur bei den §§ 56b Abs. 1, 269a bis 269i InsO. In ihrem Anwendungsbereich gebührt der Verordnung grundsätzlich der Vorrang vor den entsprechenden nationalen Bestimmungen. Allerdings bestimmt Erwägungsgrund 62, dass die Vorschriften der Verordnung über die Zusammenarbeit, Kommunikation und Koordinierung bei Konzerninsolvenzen nur insoweit Anwendung finden, als Verfahren über das Vermögen verschiedener Mitglieder derselben Unternehmensgruppe in mehr als einem Mitgliedstaat eröffnet worden sind.

Abweichend von dieser für das nationale Recht relativ großzügigen Regelung sieht nun § 22 vor, dass die nationalen Vorschriften über Kommunikations- und Kooperationspflichten verdrängt werden, wenn in einem anderen Mitgliedstaat ein konzernangehöriges Unternehmen seinen COMI hat. Auch bei dem Koordinationsverfahren nach den §§ 269d bis 269i InsO wird nach § 22 Abs. 2 von einem Vorrang der Bestimmungen der EuInsVO ausgegangen. Etwas anderes soll jedoch dann gelten, wenn das nationale Gruppen-Koordinationsverfahren nicht die Wirksamkeit eines solchen Verfahrens nach der EuInsVO beeinträchtigt.

ll) Zu Art. 102c §§ 23, 24 EGInsO

Die umfangreichen Bestimmungen der EuInsVO zum Gruppen-Koordinationsverfahren (vgl. Art. 61-77 EuInsVO) überlassen die Regelungen zu den Zuständigkeiten und zu den Zustimmungsvorbehalten im jeweiligen Verfahrensrecht dem nationalen Gesetzgeber. § 23 Abs. 1 sieht für die Fälle, in denen ein Gruppen-Koordinationsverfahren von besonderer Bedeutung für das Insolvenzverfahren ist, entsprechend den §§ 160, 161 InsO eine Zustimmung des Gläubigerausschusses rsp. der Gläubigerversammlung vor. § 23 Abs. 2 dehnt diese Pflicht auf vergleichbare Sachverhaltskonstellationen aus.

Auch bei einem Gruppen-Insolvenzverfahren nach der EuInsVO kann es zu einer Aussetzung der Verwertung kommen. Durch § 24 wird deshalb die Regelung in § 16 auf diese Fälle übertragen, so dass bei der Aussetzung der Verwertung eines Gegenstands, an dem ein Absonderungsrecht besteht, die geschuldeten Zinsen aus der Insolvenzmasse zu zahlen sind.

mm) Zu Art. 102c § 25, 26 EGInsO

In dem Verfahren über die nachträgliche Einbeziehung in ein Gruppen-Koordinationsverfahren muss im deutschen Recht festgelegt werden, welche Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Koordinators eröffnet sind (Art. 69 Abs. 2 EuInsVO n.F.). § 25 sieht deshalb vor, dass gegen eine Entscheidung des Koordinators die Erinnerung statthaft ist, und die Entscheidung über die Erinnerung mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden kann.

Gegen die Entscheidung über die Kosten des Gruppen-Koordinationsverfahrens ist nach § 26 die sofortige Beschwerde statthaft.

II. Die Änderungen zur InsO

1. Zu § 13 Abs. 3 InsO

Bereits unter dem geltenden Recht haben die Insolvenzgerichte bei unzulässigen Eröffnungsanträgen im Wege der Zwischenverfügung auf die Stellung eines ordnungsgemäßen Antrags hingewirkt. Diese Praxis soll nun ausdrücklich im Gesetz geregelt werden. In § 13 Abs. 3 InsO wird deshalb bestimmt, dass bei einem unzulässigen Eröffnungsantrag das Insolvenzgericht den Antragsteller unverzüglich auffordert, in einer angemessenen Frist den Mangel zu beheben. Fehlen dem Antrag Angaben, die nicht für dessen Zulässigkeit relevant sind, so ist dies künftig unschädlich. Dies wird insbesondere Angaben betreffen, die lediglich in einer Sollvorschrift enthalten sind.13 Diese Klarstellung hat insbesondere für die Strafvorschrift nach § 15a Abs. 4 InsO Bedeutung. Es war mehr als unbefriedigend, dass die Strafbarkeit davon abhing, bei welchen fehlenden oder unrichtigen Angaben das Gericht einen Eröffnungsantrag als „nicht richtig“ gestellt einstufte. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ein nahezu unhaltbarer Zustand.

2. Zu § 15 Abs. 4, 6 InsO

Zwar wird wie bisher auch der nicht richtig gestellte Eröffnungsantrag mit einer Strafsanktion belegt, doch wird als objektive Bedingung der Strafbarkeit in § 15a Abs. 6 InsO eingeführt, dass der Antrag rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen wurde. Da nach § 13 Abs. 3 InsO bei einem unzulässigen Eröffnungsantrag das Gericht auf die Mängel hinweist, wird regelmäßig eine Strafbarkeit nur infrage kommen, wenn der Schuldner dieser Aufforderung zur Nachbesserung des Antrags nicht nachkommt.

C. Inkrafttreten

Nach Art. 9 Abs. 1 tritt der überwiegende Teil des Gesetzes am 26.06.2017 in Kraft. Die Vorschriften, die der Harmonisierung mit dem Konzerninsolvenzrecht der EuInsVO n.F. dienen, werden nach Art. 9 Abs. 2 mit dem deutschen Konzerninsolvenzrecht, also am 13.04.2018, in Kraft treten.


1) VO (EG) 1346/2000 v. 29.05.2000; im Folgenden EuInsVO a.F.

2) Vgl. EuGH, Urt. v. 02.05.2006 – C-341/04 – ZIP 2006, 907 „Eurofood“.

3) BT-Drs. 18/10823, S. 11, 33.

4) BT-Drs. 18/12154, S. 15, 31.

5) So bereits BT-Drs. 15/16, S. 17 und die ganz h.M. vgl. nur Thole in: MünchKomm InsO, Art. 102 § 9 EGInsO Rn. 5; Wenner/Schuster in: FK-InsO, Art. 102 § 9 EGInsO Rn. 2.

6) Madaus, NZI 2017, 203.

7) Thole in: MünchKomm InsO, Art. 102 § 9 EGInsO Rn. 8.

8) Undritz in: Hamburger Komm. InsO, 5. Aufl. 2015, Art. 34 EuInsVO Rn. 4.

9) Reinhart in: MünchKomm InsO, Art. 48 EuInsVO 2015 Rn. 2.

10) Madaus, NZI 2017, 203.

11) BT-Drs. 18/12154, S. 33, unter Hinweis auf Madaus, NZI 2017, 203, 204.

12) Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen v. 13.04.2017, BGBl I, 866.

13) Dies wären etwa Angaben nach Art. 102c § 5 EGInsO; vgl. BT-Drs. 18/12154, S. 30.