Nachfolgend ein Beitrag vom 4.12.2017 von Wozniak, jurisPR-InsR 24/2017 Anm. 4

Leitsätze

1. An die bei Anmeldung einer Deliktsforderung zur Insolvenztabelle zu verlangende Sachverhaltsschilderung sind keine besonders hohen Ansprüche zu stellen. Jedoch müssen Mindestanforderungen erfüllt sein.
2. Eine Delikts-Forderungsanmeldung, die eine „unerlaubte Handlung“ unterstellt und den zu Grunde liegenden Sachverhalt lediglich schlagwortartig ganz oberflächlich schildert (hier: „Unerlaubte Handlung (Betrug) vom …“) erfüllt für eine Eintragung des Deliktscharakters in der Tabelle die Mindestanforderungen nicht.
3. Erfüllt eine Forderungsanmeldung hinsichtlich des behaupteten Deliktscharakters nicht die Mindestanforderungen, ist die nicht ordnungsgemäße Forderungsanmeldung durch das Insolvenzgericht zurückzuweisen und der Deliktscharakter nicht in die Tabelle aufzunehmen (Anschluss AG Köln, Beschl. v. 07.04.2017 – 71 IK 175/15 – ZInsO 2017, 1036).

A. Problemstellung

Das AG Norderstedt befasst sich – wie in letzter Zeit eine Vielzahl von unter- und oberinstanzlichen Gerichten – in der hier zu besprechenden Entscheidung mit der Fragestellung, welche Anforderungen an die inhaltliche Darlegung der Voraussetzungen der Anmeldung einer Deliktsforderung zur Insolvenztabelle zu stellen sind. Das Gericht gelangt zu der überzeugenden Erkenntnis, dass eine Deliktsforderungsanmeldung, die als unerlaubte Handlung angemeldet wird und den zugrunde liegenden Sachverhalt lediglich schlagwortartig und oberflächlich schildert, für die Eintragung der Deliktseigenschaft in die Tabelle nicht ausreicht. Sofern die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, habe das Insolvenzgericht die Forderungsanmeldung zurückzuweisen und den Deliktscharakter nicht in die Tabelle aufzunehmen. Das AG Norderstedt schließt sich insofern dem überzeugenden Beschluss des AG Köln vom 07.04.2017 – 71 IK 175/15 an.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Das streitgegenständliche Insolvenzverfahren wurde am 16.02.2017 eröffnet und wird im schriftlichen Verfahren durchgeführt. Die Gläubigerin, die hier tätig wird, hatte eine Forderung zur Tabelle angemeldet, die von der Insolvenzverwalterin unter laufender Nr. 8 zur Tabelle genommen wurde. Die Gläubigerin trug vor, bei dieser Forderung handele es sich um eine solche aus unerlaubter Handlung. Weiterer Vortrag zur Forderung war zunächst nicht erfolgt, insbesondere wurde zum Deliktscharakter der Forderung nichts erläutert. Es wurde allerdings auf einen beigefügten Titel verwiesen, nämlich den Vollstreckungsbescheid des AG Schleswig vom 23.08.2016, aus dem sich bei der Hauptforderung folgende Bezeichnung ergab: „unerlaubte Handlung (Betrug) vom 17.08.2012“.
Die Insolvenzverwalterin hat nach rechtzeitiger Niederlegung zum Niederlegungsdatum am 06.04.2017 die Tabelle beim Insolvenzgericht eingereicht und zugleich mitgeteilt, dass unter anderem die Forderung zur laufenden Nr. 8 aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung angemeldet wurde. Das Insolvenzgericht hielt die Anmeldung des Deliktscharakters für inhaltlich unzureichend und hat die Insolvenzverwalterin mit Schreiben vom 05.04.2017 darauf aufmerksam gemacht. Das Gericht hat sodann die Eintragung des Deliktscharakters zur Forderung zur laufenden Nr. 8 mit Beschluss vom 21.04.2017 zurückgewiesen und den Deliktscharakter in der Tabelle gestrichen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die nunmehr anhängig gemachte Erinnerung vom 05.05.2017.
Das Gericht kommt zum Ergebnis, dass die Rechtspfleger-Erinnerung im vorliegenden Fall zulässig ist, da die Insolvenzordnung zur getroffenen Beschlussfassung keine Rechtsmittel vorsieht, der Beschluss also zwar grundsätzlich unanfechtbar nach § 6 Abs. 1 InsO wäre. Da die angefochtene Entscheidung vom Rechtspfleger erlassen wurde, sei jedoch die Rechtspfleger-Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG gegeben. Die Erinnerung sei auch rechtzeitig eingelegt worden. Schließlich wird die Beschwer bejaht. Zwar trete kein Rechtsverlust im eigentlichen Sinne ein, da der Deliktscharakter auch noch nachträglich in einen Forderungsprüfungsverfahren anerkannt werden könne, wie sich aus § 177 Abs. 1 InsO ergebe. Jedoch würden der Gläubigerin gemäß § 177 Abs. 1 InsO i.V.m. Nr. 2340 KV GKG Kosten i.H.v. 20 Euro in Rechnung zu stellen sein.
Das Gericht sieht die Erinnerung jedoch als unbegründet an. Die Zurückweisung des Deliktscharakters der Forderung sei zu Recht erfolgt, da die Forderungsanmeldung nicht die formellen Mindestanforderungen i.S.d. § 174 Abs. 2 InsO erfülle. Wie der BGH mit seiner Entscheidung vom 09.01.2014 (IX ZR 103/13) richtig erkannt habe, müsse der Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in der Anmeldung so beschrieben werden, dass der aus ihr hergeleitete Anspruch in tatsächlicher Hinsicht zweifelsfrei bestimmt sei und der Schuldner zumindest erkennen könne, welches Deliktsverhalten ihm vorgeworfen werde. Dies sei jedoch vorliegend nicht der Fall. Bereits das erforderliche Tatbestandsmerkmal des Vorsatzes, das sich insbesondere aus den §§ 174 Abs. 2, 175 Abs. 2, 302 Nr. 1 InsO ergebe, sei bei der Forderungsanmeldung gänzlich ausgespart worden. Es sei nicht nur nicht erläutert worden, warum von einer vorsätzlichen Handlung auszugehen sei, sondern Vorsatz sei noch nicht einmal vorgetragen worden. Auch sei weder aus der Forderungsanmeldung selbst noch aus dem beigefügten Vollstreckungsbescheid irgendeine Sachverhaltsdarstellung ersichtlich. Zwar würden regelmäßig keine allzu großen Anforderungen an einen solchen Vortrag gestellt, weil das Insolvenzgericht nur die formellen Voraussetzungen der Anmeldung prüfe und keine materiell-rechtliche Forderungsprüfung durchführe. Auch ein Insolvenzverwalter müsse den deliktischen Anspruch grundsätzlich nicht materiell rechtlich überprüfen, es sei denn, er bilde die einzige Anspruchsgrundlage. Jedoch habe die Schuldnerin vorliegend aus den Forderungsunterlagen eben nicht – wie vom BGH gefordert – erkennen können, welches konkrete Handeln ihr vorgeworfen werde. Ob – wie die Erinnerungsführerin meint – das Vorliegen eines Titels eine gesonderte Sachverhaltsdarstellung entbehrlich mache, könne hier dahinstehen bleiben. Der Titel, hier Vollstreckungsbescheid vom 23.08.2016, lasse nämlich keinen Sachverhalt erkennen, mit dem eine bestimmte Forderung einem wie auch immer gearteten Verhalten zugeordnet werden könne.
Doch selbst wenn ein Titel vorläge, der einen Sachverhalt beinhalte, müsse das nicht eine gesonderte Sachverhaltsdarstellung entbehrlich machen. Insbesondere bei Versäumnisurteilen müsse nicht zwingend von einer vorhandenen Titulierung des Deliktscharakters im Sinne der InsO auszugehen sein, wenn nämlich der Anspruchsgrund im Urteil nicht rechtlich selbstständig festgestellt sei. Dies gelte auch für Vollstreckungsbescheide, weil ihnen keine richterliche Schlüssigkeitsprüfung vorangegangen sei (BGH, Versäumnisurt. v. 28.06.2012 – IX ZR 160/11). Es komme daher auch nicht darauf an, ob der zugrunde liegende Titel (hier Vollstreckungsbescheid) mit Rechtsmitteln anfechtbar gewesen wäre. Sei die Forderungsanmeldung wie vorliegend unzureichend, müsse das Insolvenzgericht diese zurückweisen. Auch sei auf gerichtlichen Hinweis keine rechtzeitige Nachbesserung des Vortrags erfolgt, weshalb die Streichung des Deliktscharakters erforderlich gewesen sei. Es obliege dem Gläubiger, mit der Anmeldung die erforderlichen Tatsachen vorzutragen, § 174 Abs. 2 InsO, so dass nicht ordnungsgemäßer Vortrag zu seinen Lasten gehe.

C. Kontext der Entscheidung

Wie die bereits in der Entscheidung zitierten vorgehenden Entscheidungen des AG Köln bzw. des BGH belegen, gewinnt die Aufnahme und Feststellung der Deliktseigenschaft zur Tabelle gerade in Insolvenzverfahren natürlicher Personen, sei es im IK- oder IN-Bereich, zusehends an Bedeutung.
Gläubiger, insbesondere solche, die von professionellen Gläubigervertretern vertreten werden, gehen vermehrt dazu über, Forderungen mit Deliktscharakter noch im Vorfeld eines Insolvenzverfahrens zu titulieren. Dabei hat sich schon weitgehend herumgesprochen, dass die Titulierung aus Gläubigersicht einem Bestreiten des Schuldners nur dann wirksam entgegensteht, wenn der Titel auch im Tenor die entsprechende Titulierung ausweist und dies nach einer sachlichen und inhaltlichen Prüfung der Angelegenheit erfolgt ist. Da ein derartiges Verfahren jedoch regelmäßig langwierig ist und dem Schuldner diverse „Verzögerungsmöglichkeiten“ zur Verfügung stehen, versucht man sich regelmäßig anders zu behelfen, hier etwa durch einen entsprechenden Vollstreckungsbescheid, der als Rechtsgrund „Betrug“ auswies. Man wäre im ersten Moment versucht, von einer titulierten Forderung, bei der auch der Rechtsgrund tituliert ist, auszugehen. Eine solche Lesart allerdings ist – wie das AG Norderstedt völlig zu Recht erkennt – falsch. Es kommt gerade nicht darauf an, ob eine Titulierung überhaupt vorhanden ist, sondern vielmehr darauf, dass ein Titel vorhanden ist, der auch vollstreckungsrechtlich (also im Tenor) den Rechtsgrund der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung feststellt und eine derartige Entscheidung regelmäßig auf der Basis eines kontradiktorischen Verfahrens, in dem der Schuldner mindestens die Möglichkeit einer Rechtsverteidigung gehabt hat, zustande gekommen ist. Dies war hier offensichtlich nicht der Fall.
Wäre also die Forderungsanmeldung unverändert zur Tabelle genommen worden, wäre die Frage, welche Wirkung ein Bestreiten des Schuldners hat und wer gehalten ist, nach einem solchen Bestreiten seine Ansprüche gerichtlich weiter zu verfolgen (Schuldner oder Gläubiger) zu klären gewesen. Die Frage stellte sich im konkreten Fall nicht mehr, da das Gericht bereits im Vorfeld die Eintragung der Deliktseigenschaft verweigert hat. Hintergrund ist eine faktisch nicht vorhandene Sachverhaltsschilderung, aus der abzulesen sein sollte, worauf sich die Vorhaltung der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung stützt. Hier hat die Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2014, die das AG Norderstedt zutreffend zitiert, bereits eine Schneise geschlagen und festgelegt, dass es darauf ankomme, dass der Schuldner in der Lage sei, das ihm vorgeworfene Verhalten konkret zu prüfen und hierzu Stellung zu nehmen. Im konkreten Fall war dies jedoch weder aufgrund des Vollstreckungsbescheids noch aufgrund der (nicht vorhandenen) Sachverhaltsschilderung im Rahmen des Forderungsanmeldungsverfahrens möglich. Das Gericht hat daher völlig zu Recht den Eintrag in die Tabelle abgelehnt. Die Entscheidung verdient volle Zustimmung.

D. Auswirkungen für die Praxis

Infolge der zitierten BGH-Entscheidung folgen nunmehr immer mehr Instanzgerichte einer konkreteren und bisweilen strengeren Lesart, was den Deliktscharakter der Forderungsanmeldung betrifft. Nachdem es in manchen Verfahren geradezu Mode geworden ist, die Deliktseigenschaft „mit anzukreuzen“, um ggf. verbesserte Vollstreckungsmöglichkeiten nach Verfahrensabschluss zu erhalten (oder auch nur eine Verhandlungsposition gegenüber dem Schuldner, um außergerichtlich eine Besserstellung gegenüber anderen Gläubigern zu erreichen), trifft die Entscheidung des AG Norderstedt in erfreulicher Klarheit eine juristisch präzise Abgrenzung, wann ein Sachvortrag und die entsprechende Deliktseigenschaft in die Tabelle eingetragen werden können. Der Gläubiger kann sich nicht einfach auf die Position zurückziehen, dass er einen Vollstreckungsbescheid habe erwirken lassen, der die entsprechende Titulierung ausweist, und dem Insolvenzverwalter, dem Insolvenzgericht bzw. dem Schuldner verblieben nur geringe Entscheidungsspielräume im Forderungsfeststellungsverfahren.
Für das Insolvenzverwalterbüro wird vor allen Dingen in der Tabellenabteilung noch genauer zu prüfen sein, wie mit der Forderungsanmeldung einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung umzugehen ist. Einerseits hat der Verwalter die Forderungsanmeldung so zur Tabelle zu nehmen, wie sie erfolgt, gleichwohl ist er jedenfalls bei völlig fehlendem Sachvortrag gehalten, den Schuldner auf die Mängel in der Anmeldung hinzuweisen und ggf. auf eine Nachbesserung hinzuwirken.

Anforderungen an die inhaltliche Darlegung der Voraussetzungen für Anmeldung einer Deliktsforderung zur Insolvenztabelle
Carsten OehlmannRechtsanwalt
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