Nachfolgend ein Beitrag vom 15.1.2018 von Hartmann, jurisPR-InsR 1/2018 Anm. 2

Orientierungssatz zur Anmerkung

Ein im Schuldnerverzeichnis nach § 882b ZPO eingetragener Rechtsanwalt muss zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls ein vollständiges Vermögens- und Gläubigerverzeichnis vorlegen und konkret darlegen, dass seine Vermögensverhältnisse im maßgeblichen Zeitpunkt – dem Erlass des Widerrufsbescheides bzw. Widerspruchsbescheides – nachhaltig geordnet waren. Der Verweis auf einen bevorstehenden Abverkauf von eigenen Immobilien reicht hierfür nicht aus, wenn sie im maßgeblichen Zeitpunkt nicht als liquider Vermögenswert zur Verfügung standen.

A. Problemstellung

Die Entscheidung befasst sich mit dem Widerruf der Anwaltszulassung wegen Vermögensverfalls nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO und stellt erneut die Rechtsprechung des BGH hierzu sowie zu weiteren Rechtsfragen klar.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Nach Klageabweisung durch den Bayerischen Anwaltsgerichtshof begehrte der klagende Rechtsanwalt die Zulassung der Berufung vor dem BGH. Ihm war seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO widerrufen worden. Der BGH hatte den statthaften und zulässigen Zulassungsantrag mangels Erfolg in der Sache abgewiesen, da keine Zulassungsgründe nach § 112e BRAO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5 VwGO vorlagen.
Der klagende Rechtsanwalt war in 39 Fällen in dem vom zuständigen Vollstreckungsgericht geführten Verzeichnis nach § 882b ZPO eingetragen. Am 29.06.2016 wurde ihm der Widerrufsbescheid zugestellt, wogegen er am 29.07.2016 Klage vor dem Anwaltsgerichtshof erhob. Dabei kündigte er seine Begründung mit gesondertem Schriftsatz an und bat „um Fristerstreckung mit Rücksicht auf die Sommerpause bis zum 30.09.2016“. Die ihm daraufhin gewährte Frist nutzte der Kläger jedoch nicht für eine Begründung, sondern reichte am 30.09.2016 per Fax ein weiteres Fristverlängerungsbegehren bis zum 21.10.2016 mit dem Hinweis ein, dass sein „temporärer Zahlungsengpass“ durch den Abverkauf von Wohneinheiten seines Mehrfamilienhauses zeitnah behoben werden könne und zudem auch Finanzierungsverhandlungen mit seiner Bank liefen. Mit Fax vom 25.10.2016 erbat der Kläger eine weitere Fristverlängerung. Der Anwaltsgerichtshof verlängerte die Frist letztmalig bis zum 21.11.2016 und wies auf die gängige Rechtsprechung zum Beurteilungszeitpunkt der Rechtmäßigkeit der Widerrufsverfügung hin.
Auch nach weiteren Hinweisen des Anwaltsgerichtshofs zum Gang des Verfahrens – insbesondere auf § 102 Abs. 2 VwGO – begründete der Kläger die von ihm erhobene Klage nicht. Der Kläger versuchte noch den auf den 29.03.2017 anberaumten Verhandlungstermin zu verschieben, indem er mit Fax vom 28.03.2017 um Verlegung wegen seines gesundheitlichen Zustandes bat. Hierfür legte er ein auf den 27.03.2017 datiertes Attest eines Orthopäden sowie einen Arztbericht einer Radiologin vom 13.01.2016 vor, wonach dem Kläger wegen einer Bandscheibenerkrankung Dienst-, Arbeits- und Reiseunfähigkeit bescheinigt wurde und dass er unter starker Medikation stehe.
Der Anwaltsgerichtshof lehnte die Terminverlegung mit Beschluss ab und entschied sodann am 29.03.2017 in der Sache: Er wies die Klage ab.
In seiner Begründung führte der Anwaltsgerichtshof aus, dass der Kläger mit dem pauschalen ärztlichen Attest nicht hinreichend glaubhaft gemacht habe, warum er wegen des Bandscheibenvorfalls nicht zu dem in der Nähe seines Wohnortes stattfindenden Gerichtstermin habe erscheinen können und warum ihm die Verhandlungsfähigkeit fehle. Zudem sei es ihm aufgrund des bereits Anfang Januar 2016 attestierten Bandscheibenleidens möglich gewesen, für die Bestellung eines Verfahrensbevollmächtigten Sorge zu tragen. Eine unvorhersehbare Erkrankung unmittelbar vor dem Verhandlungstermin oder eine grundlegende Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers sei vom Kläger nicht vorgetragen worden.
Der Kläger beantragte die Zulassung der Berufung vor dem BGH.
Der BGH lehnte den Zulassungsantrag des Klägers zur Berufung ab, da der Kläger sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsverfügung vom 27.06.2016 in Vermögensverfall befand. Der Kläger habe nicht nachweisen können, dass er die im Schuldnerverzeichnis des Vollstreckungsgerichts geführten Forderungen im maßgeblichen Zeitpunkt bereits getilgt habe. So sei die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls nicht erschüttert worden. Zur Widerlegung – so der BGH noch einmal in Anlehnung an seine gängige Rechtsprechung – habe ein Rechtsanwalt bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt ein vollständiges und detailliertes Gläubiger- und Verbindlichkeitenverzeichnis vorzulegen und konkret, z.B. durch einen realistischen Tilgungsplan, darzulegen, dass seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (BGH, Beschl. v. 12.07.2016 – AnwZ (Brfg) 22/16; BGH, Beschl. v. 29.12.2016 – AnwZ (Brfg) 36/16; BGH, Beschl. v. 24.03.2017 – AnwZ (Brfg) 60/16). Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger nicht. Auch sein Hinweis auf den Abverkauf seiner Immobilien reiche hierfür nicht, denn Immobilienbesitz sei nur dann beachtlich, wenn er im maßgeblichen Zeitpunkt als liquider Vermögenswert zur Verfügung stehe (BGH, Beschl. v. 06.02.2014 – AnwZ (Brfg) 83/13; BGH, Beschl. v. 09.02.2015 – AnwZ (Brfg) 46/14). Darüber hinaus seien auch die vom Kläger ohne jeglichen Beleg behaupteten weiteren Maßnahmen zur Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse im Hinblick auf den Beurteilungszeitpunkt bedeutungslos.
Der BGH führte weiter aus, dass nach der gesetzgeberischen Wertung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO stets mit Vermögensverfall des Rechtsanwalts eine Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden verbunden sei. Sie sei nur in Ausnahmefällen zu verneinen, wenn der Rechtsanwalt beispielsweise darlege, dass eine Gefährdung durch effektive Maßnahmen verhindert werde. Dies sei etwa dann der Fall, wenn der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit in einer Rechtsanwaltssozietät ausübe, wo durch entsprechende Maßnahmen u.a. sichergestellt sei, dass er selbst keine Mandantengelder entgegennehme und verwalte. Hingegen seien selbstauferlegte Beschränkungen eines Einzelanwaltes nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtssuchenden effektiv auszuschließen. So sei es auch beim Kläger, der im Übrigen auch nichts dazu vortrug, inwieweit eine Gefährdung Rechtssuchender ausgeschlossen sei.
Schließlich habe der Kläger auch keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf welchem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofes beruhen könne (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Er trug lediglich vor, krankheitsbedingt nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen zu können. Die Verfahrensweise des Anwaltsgerichtshofes rechtfertige nicht den vom Kläger erhobenen Vorwurf der Verletzung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG. Nach ständiger Rechtsprechung seien wegen der durch den Vermögensverfall des Rechtsanwalts indizierten Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden an den Verhinderungsgrund und seine Glaubhaftmachung strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Beschl. v. 12.03.2015 – AnwZ (Brfg) 43/14; BGH, Beschl. v. 28.11.2016 – AnwZ (Brfg) 23/16). Danach müsse der Antragsteller die Verhinderungsgründe derart angeben und untermauern, dass das erkennende Gericht die Frage seiner Reise- und Verhandlungsfähigkeit selbst beurteilen könne. So habe der Anwaltsgerichtshof zu Recht den Verhinderungsgrund durch das pauschale ärztliche Attest als nicht hinreichend glaubhaft gemacht angesehen. Letztlich offengelassen hat der Kläger, weshalb es ihm krankheitsbedingt nicht möglich war, den Vermögensverfall entkräftende Belege fristgerecht einzureichen.

C. Kontext der Entscheidung

§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO gibt vor, dass die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft dann zu widerrufen ist, wenn ein Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist. Etwas anderes gilt nur, wenn das Interesse der Rechtssuchenden nicht gefährdet ist. Kraft Gesetzes wird der Vermögensverfall des Rechtsanwaltes dann vermutet, wenn z.B. ein Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet ist (§ 26 Abs. 2 InsO) oder auch, wenn der Rechtswalt in das vom Vollstreckungsgericht geführte Schuldnerverzeichnis nach § 882b ZPO eingetragen ist. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Anwaltszulassung wegen Vermögensverfalls ist dabei auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides nach Abschluss des behördlichen Widerspruchsverfahrens bzw. bei Entbehrlichkeit eines solchen mit Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen. Sämtliche danach eintretenden Entwicklungen in der Vermögenssituation des betroffenen Rechtsanwaltes sind ausschließlich einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten.
Der BGH hatte bereits in seiner Entscheidung aus Mai 2017 klargestellt, dass die Eintragung in das Verzeichnis nach § 882b ZPO den Vermögensverfall (widerleglich) vermuten lasse (BGH, Beschl. v. 30.05.2017 – AnwZ (Brfg) 16/17). Der so vermutete Eintritt des Vermögensverfalls lasse wiederum widerleglich die Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden vermuten. Dabei sei zur Beurteilung ausschließlich auf den Zeitpunkt der Widerrufsbescheidung (bzw. des Erlasses des Widerspruchsbescheids) abzustellen.
Die hier dargestellte aktuelle Entscheidung des BGH reiht sich nahtlos in seine bisherige Rechtsprechung zu § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ein. Er festigt seine bisherigen Entscheidungen und führt erneut klarstellend aus, dass für die Erschütterung der Vermutung des Vermögensverfalls konkrete Darlegungen anhand eines detaillierten Vermögens- und Gläubigerverzeichnisses über die nachhaltige Vermögensordnung im maßgeblichen Zeitpunkt zu fordern seien, dass ein Hinweis auf einen zeitnahen Abverkauf von Immobilien zur Verbesserung der Vermögenslage dann nicht ausreiche, wenn die Immobilien im maßgeblichen Zeitpunkt nicht als liquider Vermögenswert zur Verfügung standen und dass es für die Erschütterung der weiteren Vermutung in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO über die mit dem vermuteten Vermögensverfall einhergehende Gefährdung der Interessen Rechtssuchender konkreter Darlegungen bedarf. Zu der in der angefochtenen Entscheidung des Anwaltsgerichtshofes aufgeworfenen Frage der Glaubhaftmachung eines Krankheitsfalles zur Terminsverlegung führte der BGH aus, dass die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofes hierzu rechtens sei und eine Verletzung rechtlichen Gehörs des Klägers daher nicht gegeben sei.
So gelang es dem Kläger hier weder den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils des Anwaltsgerichtshofes noch einen Verfahrensfehler darzulegen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Einmal mehr zeigt sich, dass dem Vermögensverfall drohenden Rechtsanwalt der Erhalt der anwaltlichen Zulassung schwierig sein wird. Es kommt für die Widerlegung der vorgenannten Vermutungsregelungen auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides (bzw. Widerspruchsbescheids) an, so dass Eile geboten ist (vgl. auch Hartmann, jurisPR-InsR 24/2017 Anm. 6).
Die Möglichkeit der Berufsausübung durch das Aufrechterhalten der Anwaltszulassung wird durch ein rechtzeitig beantragtes Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung oder ein Insolvenzplanverfahren gewahrt werden können. Die Möglichkeiten der Eigenverwaltung oder des Insolvenzplans stellen nämlich geeignete Maßnahmen dar, den genannten Anforderungen der BGH-Rechtsprechung (vgl. auch BGH, Beschl. v. 08.12.2010 – AnwZ (B) 119/09; BGH, Beschl. v. 14.10.2014 – AnwZ (Brfg) 22/14; BGH, Beschl. v. 25.08.2016 – AnwZ (Brfg) 30/16, sowie BGH, Beschl. v. 24.07.2017 – AnwZ (Brfg) 25/17) zur Widerlegung der Vermögensverfallsvermutung gerecht zu werden. Denn hierdurch besteht die Möglichkeit, ein vollständiges Gläubiger- und Vermögensverzeichnis nebst Tilgungsplan vorzulegen und somit die Beseitigung des Vermögensverfalls zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt darzulegen (vgl. BGH, Beschl. v. 17.03.2016 – AnwZ (Brfg) 6/16).

Widerruf der Anwaltszulassung wegen Vermögensverfalls
Carsten OehlmannRechtsanwalt
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