Nachfolgend ein Beitrag vom 4.12.2017 von Hartmann, jurisPR-InsR 24/2017 Anm. 6

Orientierungssatz zur Anmerkung

Ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, muss zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls ein vollständiges Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt nachhaltig geordnet waren. Hierfür ist ein pauschaler Hinweis, dass er innerhalb der nächsten Wochen ein „sehr großes Mandat“ mit „sehr erheblichen Honoraransprüchen“ zum Abschluss bringen werde, nicht ausreichend.

A. Problemstellung

Die hier dargestellte Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs Stuttgart befasst sich mit dem Widerruf der Anwaltszulassung wegen Vermögensverfalls. Der klagende Rechtsanwalt hatte in der Sache – zu Recht – keinen Erfolg.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Dem seit 1981 als Rechtsanwalt zugelassenen Kläger wurde bereits im Jahr 1996 wegen massiver Verschuldung in Höhe von seinerzeit rund 2,3 Mio. DM die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft durch das zuständige Justizministerium widerrufen. Schließlich hatte der Kläger mit einer sofortigen Beschwerde gegen seinen zurückgewiesenen gerichtlichen Antrag wegen verbesserter Einkommensentwicklung und neuer Mandate Erfolg – die Widerrufsentscheidung wurde am 29.09.1997 aufgehoben.
Knapp zehn Jahre später wurde die Eintragung des Klägers in das Schuldnerverzeichnis nach § 882c Abs. 1 Nr. 1 ZPO angeordnet, da er per Anerkenntnisurteil zur Zahlung eines Betrages i.H.v. 100.000 Euro nebst Zinsen verurteilt worden war. Da der Kläger die ihm eingeräumte Gelegenheit zur Stellungnahme verstreichen ließ, wurde erneut mit Bescheid vom 01.06.2016 seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerrufen, sein hiergegen eingelegter Widerspruch wurde zurückgewiesen. Der Widerrufsbescheid vom 10.08.2016 wurde auf die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls infolge der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis gestützt und auch darauf, dass der Kläger diese Vermutung nicht durch Gegenvortrag widerlegt habe.
Die von dem Kläger sodann im September 2016 erhobene Klage begründete er damit, dass der Zulassungswiderruf einen unverhältnismäßigen Eingriff in seine Berufsfreiheit aus Art. 12 GG darstelle und er zudem zeitnah ein „großes Mandat mit erheblichen Honoraransprüchen“ abschließen werde. Die beklagte Rechtsanwaltskammer sah hingegen die Voraussetzungen eines Widerrufs der Rechtsanwaltszulassung wegen Vermögensverfalls nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO als gegeben an. Im Laufe des Verfahrens kam es u.a. zu weiteren Eintragungen des Klägers ins Schuldnerverzeichnis nach § 882c Abs. 1 Nr. 2 ZPO aufgrund weiterer gegen ihn ergangener Titel.
Der Anwaltsgerichtshof Stuttgart hat entschieden, dass die Klage des Klägers zwar nach § 112c Abs. 1 BRAO, § 74 Abs. 2 VwGO zulässig, jedoch in der Sache unbegründet sei und demgemäß keine Aussicht auf Erfolg habe. In seiner Entscheidung führt der Anwaltsgerichtshof aus, dass die Rechtsanwaltszulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu widerrufen sei, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten sei. Anders sei dies, wenn dadurch die Interessen der Rechtssuchenden nicht gefährdet seien. Im Ergebnis sah der Anwaltsgerichtshof die Entzugsvoraussetzungen als erfüllt an. Dabei führte er aus, ein Vermögensverfall sei zu vermuten, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Rechtsanwaltes eröffnet oder er in das vom zuständigen Vollstreckungsgericht geführte Schuldnerverzeichnis nach § 26 Abs. 2 InsO, § 882b ZPO eingetragen sei.
Vorliegend sei der Vermögensverfall des Klägers aus dem Grunde zu vermuten, da er seit Erlass des Widerrufsbescheides am 10.08.2016 in das Schuldnerverzeichnis eingetragen gewesen und diese Eintragung auch nicht gelöscht worden sei. Vielmehr seien sogar weitere Eintragungen im Laufe des Prozesses hinzugekommen. Zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalles habe ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, ein vollständiges Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorzulegen und konkret darzulegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse im maßgeblichen Zeitpunkt nachhaltig geordnet waren. Die Darlegungs- und Beweislast für das Gelingen der Beseitigung des Vermögensverfalles treffe den Rechtsanwalt entsprechend seiner Mitwirkungspflicht nach § 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 36a BRAO a.F.
Mit seiner Entscheidung stützt der Anwaltsgerichtshof Stuttgart sich auf die gängige Rechtsprechung des BGH (so die Entscheidungen BGH, Beschl. v. 08.12.2010 – AnwZ (B) 119/09; BGH, Beschl. v. 14.10.2014 – AnwZ (Brfg) 22/14, sowie BGH, Beschl. v. 25.08.2016 – AnwZ (Brfg) 30/16).
In dem hier entschiedenen Fall fehlte es nach Auffassung des Anwaltsgerichtshofes Stuttgart an einem solchen hinreichenden Vortrag des Klägers. Es sah seinen pauschalen Hinweis auf ein „sehr großes Mandat“ und die daraus vermeintlich erwachsenden „sehr erheblichen Honoraransprüche“ als unzureichend an. Zudem läge der Zeitpunkt, in welchem sich diese Ansprüche realisieren würden und die Vermögenssituation des Klägers ggf. positiv beeinflussen könnten zeitlich nach dem 10.08.2016 und sei damit rechtlich nicht mehr erheblich.
Auch der klägerische pauschale Verweis auf einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit konnte nicht durchdringen. Einerseits fehlte es wiederum an konkreten Ausführungen des Klägers über eine Grundrechtsverletzung durch § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO, andererseits erschließe sich – so der Anwaltsgerichtshof – aus der Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 31.08.2005 – 1 BvR 912/04), dass entsprechende Normen wie § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO grundsätzlich nicht zu beanstanden seien.

C. Kontext der Entscheidung

Der Anwaltsgerichtshof an einem Oberlandesgericht entscheidet erstinstanzlich nach § 112a Abs. 1 BRAO über verwaltungsrechtliche Anwaltssachen wie etwa über die Rücknahme und den Widerruf der Rechtsanwaltszulassung nach § 14 BRAO.
Bei einem Zulassungswiderruf nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls sind für dessen Beurteilung allein die gegebenen Umstände im Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids bzw. im Falle der Erforderlichkeit der Durchführung eines Vorverfahrens diejenigen Umstände im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids maßgeblich, wobei nachträglich eintretende Vermögensentwicklungen außer Betracht bleiben (vgl. hier auch die Besprechung von Wozniak, jurisPR-InsR 14/2017 Anm. 1). Sie sind dem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten. Liegt nun also Vermögensverfall vor – wofür gegen einen Rechtsanwalt gerichtete Schuldtitel und Vollstreckungsmaßnahmen, aber auch die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis ein Beweisanzeichen sind – und gelingt dem betroffenen Rechtsanwalt die Erschütterung der Vermutungsregelung nicht, so droht ihm zwangsläufig in der Konsequenz die Entziehung seiner Zulassung. Die Vermutung des Vermögensverfalls lässt sich lediglich durch den Nachweis der Schuldentilgung im Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids widerlegen.
Liegt Vermögensverfall vor, so ergibt sich daraus auch grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen Rechtssuchender. Eine Entkräftung dieser Vermutung gelingt ebenfalls schwer.
Jüngst hatte der Senat für Anwaltssachen des BGH sich mit Fragen zum Widerruf der Rechtsanwaltszulassung wegen Eintritts des Vermögensverfalls auseinanderzusetzen (BGH, Beschl. v. 30.05.2017 – AnwZ (Brfg) 16/17). Dabei hat der BGH klargestellt, dass die Eintragung in das Verzeichnis nach § 882b ZPO maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage des Vorliegens eines Vermögensverfalls sei. Diese Eintragung stelle eine widerlegliche Vermutung für den Eintritt des Vermögensverfalls dar, der wiederum widerleglich die Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden vermuten lasse. Abzustellen sei ausschließlich auf den Zeitpunkt der Widerrufsbescheidung (bzw. des Widerspruchsbescheids), so dass späteren Veränderungen der Vermögenslage – etwa durch zeitlich spätere Tilgung von Verbindlichkeiten – keinerlei Bedeutung zukomme und diese allenfalls in einem erneuten Zulassungsverfahren zum Tragen kommen können.
Auch nach dieser Entscheidung des BGH sind weitere aktuelle Entscheidungen zu der Thematik des Widerrufes der Anwaltszulassung wegen Vermögensverfalls ergangen (so etwa BGH, Beschl. v. 24.07.2017 – AnwZ (Brfg) 25/17). Der BGH festigte hier erneut seine Rechtsprechung zum Zeitpunkt der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Zulassung. Darüber hinaus stellte der BGH klar, dass beispielsweise der Nachweis über den bloßen Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung mit den Gläubigern für die Erschütterung der gesetzlichen Vermutung gerade nicht ausreiche. Auch schließe ein Vortrag darüber, dass der Rechtsanwalt seine Tätigkeit bisher ohne Beanstandungen ausgeübt habe, die grundsätzliche Gefährdung Rechtssuchender nicht aus. Die Gefährdung könne nur in Ausnahmefällen verneint werden. So in engen Grenzen etwa, wenn hinsichtlich eines in einer Sozietät tätigen Anwaltes eine solche Gefährdung durch entsprechende Maßnahmen eingedämmt werde.
In einer weiteren aktuellen Entscheidung aus September 2017 stellte der BGH ferner klar, dass die Aufrechterhaltung der Zulassung mit der Maßgabe, lediglich Beratungsmandate wahrzunehmen, bei denen mit Ausnahme eigener Honorare keine Mandantengelder entgegengenommen werden, nicht als milderes Mittel zum Entzug der Anwaltszulassung in Betracht komme (BGH, Beschl. v. 18.09.2017 – AnwZ (Brfg) 27/17). Dies sei mit der Senatsrechtsprechung zu § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO nicht vereinbar, da hiernach der Widerruf der Zulassung zwingend zu erfolgen habe.

D. Auswirkungen für die Praxis

Wenn Rechtsanwälten der Vermögensverfall droht, ist der Erhalt der anwaltlichen Zulassung schwierig – das zeigt das enge Zeitfenster, wonach es für eine Widerlegung der vorgenannten Vermutungsregelungen auf Änderungen der Vermögenssituation bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides (bzw. Widerspruchsbescheids) ankommt.
Wie Wozniak in seinen Entscheidungsbesprechungen zu BGH, Beschl. v. 30.05.2017 – AnwZ (Brfg) 16/17 und BGH, Beschl. v. 22.11.2016 – AnwZ (Brfg) 48/16 ausführt (Wozniak, jurisPR-InsR 14/2017 Anm. 1; Wozniak, jurisPR-InsR 2/2017 Anm. 1), ist schnelles Handeln – etwa durch ein rechtzeitiges Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung oder Insolvenzplan – ratsam, um die Möglichkeit der Berufsausübung durch das Aufrechterhalten der Anwaltszulassung zu wahren.
Zwar wird der Vermögensverfall kraft Gesetz gerade dann vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögens des Rechtsanwalts eröffnet ist (§ 26 Abs. 2 InsO, § 882b ZPO), doch stellen die Möglichkeiten der Eigenverwaltung oder des Insolvenzplans geeignete Maßnahmen dar, den Anforderungen der BGH-Rechtsprechung (BGH, Beschl. v. 08.12.2010 – AnwZ (B) 119/09; BGH, Beschl. v. 14.10.2014 – AnwZ (Brfg) 22/14; BGH, Beschl. v. 25.08.2016 – AnwZ (Brfg) 30/16, sowie jüngst BGH, Beschl. v. 24.07.2017 – AnwZ (Brfg) 25/17) zur Widerlegung der Vermögensverfallsvermutung gerecht zu werden, da hierdurch konkret Rechnung gelegt werden kann über die Vermögensverhältnisse und ihre nachhaltige Ordnung. Damit besteht die Möglichkeit, ein vollständiges Gläubigerverzeichnis und ein Verzeichnis über die bestehenden Verbindlichkeiten nebst der Darstellung zur Tilgung und somit der Beseitigung des Vermögensverfalls darzulegen – und zwar zum für § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO maßgeblichen Zeitpunkt (vgl. dazu insbesondere: BGH, Beschl. v. 17.03.2016 – AnwZ (Brfg) 6/16).

Widerruf der Anwaltszulassung wegen Vermögensverfalls
Carsten OehlmannRechtsanwalt
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