Ein wegweisendes Urteil hat das Bundesverfassungsgericht zur Frage der Meinungsfreiheit im Zusammenhang mit der oft mit „harten Bandagen“ geführten Auseinandersetzung von Rechtsanwälten vor Gericht verkündet. Dieses befindet sich in einer Reihe weiterer Urteile, die insgesamt der Meinungsfreiheit einen außerordentlich hohen Stellenwert beimessen, sei es bei der Presseberichterstattung, sei es im Rahmen der politischen Auseinandersetzung oder auf anderen per se „konfliktträchtigen“  Feldern der Kommunikation.


Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 02.07.2013, Az. 1 BvR 1751/12

Orientierungssatz
1a. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit findet seine Schranke in den allgemeinen Gesetzen, zu denen die Vorschriften der § 823 Abs 1, Abs 2, § 1004 Abs 1 S 2 BGB analog iVm dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art 2 Abs 1, Art 1 Abs 1 GG) und § 185 StGB gehören. Bei der Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften müssen die Fachgerichte das eingeschränkte Grundrecht interpretationsleitend berücksichtigen (vgl BVerfG, 26.02.2008, 1 BvR 1602/07, BVerfGE 120, 180 <199 f.>; stRspr).
1b. Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit sind verkannt, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung, Formalbeleidigung oder Schmähkritik eingestuft wird (vgl BVerfG, 09.10.1991, 1 BvR 1555/88, BVerfGE 85, 1 <14>). Die Schmähung ist eng definiert; bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage liegt sie nur ausnahmsweise vor (vgl BVerfG, 10.10.1995, 1 BvR 1476/91, BVerfGE 93, 266 <294>). Schmähkritik ist dadurch gekennzeichnet, dass die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.
1c. Äußerungen in einem gerichtlichen Verfahren überschreiten nur in Ausnahmefällen die Grenzen des aufgrund der Meinungsfreiheit Zulässigen. Gegen Prozessbehauptungen kann nur dann rechtlich vorgegangen werden, wenn die Unhaltbarkeit der Äußerung auf der Hand liegt oder sich ihre Mitteilung als missbräuchlich darstellt (vgl BVerfG, 28.03.2000, 2 BvR 1392/96, NJW 2000, 3196 <3198>). Die bloße „Unangemessenheit“ und „Unnötigkeit“ der Äußerung reichen dafür nicht aus.
1d. Die Verurteilung zur Unterlassung einer Äußerung im Interesse des Schutzes der Meinungsfreiheit muss auf das zum Rechtsgüterschutz unbedingt Erforderliche beschränkt werden (vgl BVerfG, 19.02.2004, 1 BvR 417/98, BVerfGK 2, 325 <329>).
2a. Die Annahme des LG, wonach die streitgegenständliche Äußerung eine Schmähkritik darstelle, begegnet durchgreifenden Bedenken. Die Äußerung weist Sachbezug auf und stellt eine etwaige Diffamierung des Klägers des Ausgangsverfahrens nicht in den Vordergrund.
2b. Das OLG lässt bei der Abwägung der betroffenen Interessen wesentliche Aspekte außer Acht. Obschon der Begriff „Winkeladvokatur“ in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers des Ausgangsverfahrens eingreift, gewichtet das OLG die konkreten Umstände nicht stark genug. Seine Ausführungen werden dem Ausnahmecharakter der Unzulässigkeit von Äußerungen in einem gerichtlichen Verfahren nicht gerecht.
Das OLG berücksichtigt nicht hinreichend, dass der Begriff der „Winkeladvokatur“ nur intern geäußert wurde und allein die berufliche Ebene und damit die Sozialsphäre betrifft. Zudem hat sich der Beschwerdeführer wörtlich nur auf die Kanzlei und nicht auf die Person bezogen.
3. Festsetzung des Gegenstandswertes auf 25.000 Euro.


Natürlich sollte sich jedenfalls nach meiner Meinung der Rechtsanwalt im Rahmen der gerichtlichen Auseinandersetzung durchaus der nicht nur berufsrechtlich gebotenen Sachlichkeit nicht entfremden. Schließlich führt dies in aller Regel nur zu einer Verhärtung der Fronten und dient keineswegs den Parteiinteressen. Auf der anderen Seite gehört eben manchmal auch auf einen groben Klotz ein grober Keil. Zwar hat dies mit filigraner Diplomatie nicht viel zu tun. Es gibt aber durchaus Situationen, in denen dem Gegner eben auch „in seiner Sprache“ geantwortet werden muss. DAnn aber sollte man wissen, was man darf und was nicht zulässig ist.

Mich beispielsweise ärgern durchaus Anwaltskanzleien, deren Haupttätigkeit offenkundig darin besteht, mit Terminverschiebungen und Fristverlängerungsanträgen Rechtsstreite derart in die Länge zu ziehen, dass diese betriebswirtschaftlich für alle Beteiligten völlig „aus dem Ruder“ laufen. Bedauerlicherweise gebieten die Gerichte diesem Unwesen kaum Einhalt.