Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 21. Januar 2015 – 2 Verg 4/14 –, juris

Orientierungssatz

1. Möchte sich ein Bieter für die Leistungserbringung (hier: Sonderabfall – Kleinmengenentsorgung) der Unterstützung anderer Unternehmer bedienen, so muss er dies der Vergabestelle in dem Angebotsformular mitteilen. Denn es stellt etwas grundlegend anderes dar, ob die Verwertung der gesammelten Sonderabfälle vom Bieter selbst auf seinem Betriebsgelände erfolgt, oder ob eine Drittfirma die Verwertung bzw. Beseitigung wahrnimmt und der Referenzgeber die Drittfirma für diese Dienstleistung selbst bezahlt.

2. Es ist vergaberechtlich unzulässig, nachträglich Angaben zu den eigenen Eignungsvoraussetzungen in einem so wesentlichen Umfang zu ändern und das Angebot inhaltlich nachzubessern.

3. Der Vergabestelle ist es auch in einem Verhandlungsverfahren verwehrt, dem Bieter die Möglichkeit einzuräumen, fehlende Eignungsnachweise zu den geforderten Eignungsvoraussetzungen nachzureichen, wenn er diese mit dem Angebot gefordert hat.

Aus den Gründen:

In der Sache hat die sofortige Beschwerde hingegen keinen Erfolg. Die Vergabekammer hat die Antragsgegnerin zu Recht verpflichtet, die Beigeladene zu 1 auszuschließen. Dabei kann dahinstehen, ob dieser Ausschluss wegen Verstoßes gegen das Prinzip des Geheimwettbewerbs berechtigt ist. Denn darauf kommt es nicht an, da bereits die Rüge 1 der Antragstellerin durchgreift. Gemäß § 19 Abs. 5 EG VOL/A ist die Beigeladene bei der Auswahl der Angebote nicht zu berücksichtigen. Entgegen ihren Angaben im Angebotsformular hat sie selbst keine Verwertung bzw. Beseitigung der von ihr im Auftrag des Landkreises F… gesammelten Sonderabfallkleinmengen durchgeführt. Deshalb kann der von ihr im Angebotsformular benannte Referenzgeber ihr für diesen Teil des Auftrages keine Referenz erteilen und aufgrund dieser Referenz ihre Eignung für die vollständige Auftragserfüllung nicht bejaht werden. Ihre nachträglichen Ausführungen, die Fa. H…GmbH habe dort die endgültige Beseitigung vorgenommen und sei für sie im Wege der Eignungsleihe tätig, dürfen von der Antragsgegnerin nicht berücksichtigt werden, da dies einer inhaltlichen Nachbesserung des Angebots gleichkäme und die Vergabestelle sonst gegen den vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 97 Abs. 2 GWB) verstoßen würde. Gemäß dem Angebotsformular wäre es ihr möglich gewesen, Verpflichtungserklärungen von Unternehmen, die als Referenzgeber benannt wurden, auf Verlangen der Vergabestelle vorzulegen, aus denen sich ergibt, dass diese erforderlichenfalls die zur Auftragserfüllung notwendigen Mittel zur Verfügung stellen. Voraussetzung dafür wäre gewesen, dass die Beigeladene zu 1 im Angebotsformular offengelegt hätte, dass sie sich der Hilfe der H…GmbH bedienen wolle und diese als Referenzgeber im Angebotsformular benannt hätte.

Nach § 19 Abs. 5 EG VOL/A sind nur die Bieter zu berücksichtigen, die die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erforderliche Eignung besitzen. Dies gilt auch für das vorliegende Verhandlungsverfahren ohne ÖTW. Denn auch in einem Verhandlungsverfahren ist die Eignung der Bieter zu prüfen (Hertwig, Praxis der öffentlichen Auftragsvergabe, 5. Aufl., Rn. 286; Weyand, Vergaberecht, 4. Aufl., § 101 GWB Rn. 178; vgl. auch § 6 Abs. 3 Nr. 6 VOB/A). Hinsichtlich der von ihr festgelegten Eignungsvoraussetzungen informierte die Vergabestelle die Beigeladene zu 1 mit Schreiben vom 11.04.2014 (VA I/…) darüber, dass der I…-Kreis die Leistung „Entsorgung von Sonderabfall-Kleinmengen (Sammlung, Transport und Verwertung/Beseitigung) im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb neu“ ausschreibt. Schon aus diesem Anschreiben war klar, dass es der Vergabestelle nicht nur auf eine Entsorgung dieses Abfalls im Sinne des § 3 Abs. 22 KrWG ankommt, sondern gerade auch darauf, dass ihr künftiger Vertragspartner neben der Sammlung und dem Transport der Sonderabfall-Kleinmengen auch deren Verwertung (§ 3 Abs. 23 KrWG) bzw. deren Beseitigung (§ 3 Abs. 26 KrWG) übernimmt. Dies ging auch unmissverständlich aus dem dem Schreiben vom 11.04.2014 als Anlage beigefügten Leitfaden zur Ausschreibung hervor. Dort ist auf Seite 6 in Nummer 3.1 unter dem Titel „Leistungsübersicht“ davon die Rede, der zu vergebende Auftrag umfasse „die Sammlung, den Transport und die Verwertung/Beseitigung von Sonderabfall-Kleinmengen, einschließlich Abholung von Sonderabfall-Kleinmengen von der stationären Sammelstelle Deponie W…“. …