BGH, Pressemitteilung vom 18.09.2019
Der unter anderem für Ansprüche aus Besitz und Eigentum an beweglichen Sachen zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhandelt über ein Verfahren, in dem sich Grundstücksnachbarn darüber streiten, ob zugunsten der Kläger ein gewohnheitsrechtliches Wegerecht an den Grundstücken der Beklagten besteht.
Sachverhalt:
Die Kläger sind Eigentümer dreier nebeneinander an einer öffentlichen Straße liegender Grundstücke. Im rückwärtigen Teil dieser Grundstücke befinden sich u. a. Garagen. Die Beklagte ist Eigentümerin von Grundstücken, auf denen sich ein Weg befindet, über den die Kläger die rückwärtigen Bereiche und die Garagen ihrer Grundstücke erreichen. Eine entsprechende Nutzung des Weges wurde durch frühere Eigentümer der Grundstücke seit Jahren und nach dem Eigentumsübergang auf die Beklagte durch diese selbst geduldet. Mit Wirkung zum 31. Dezember 2016 erklärte die Beklagte gegenüber den Klägern die „Kündigung des Leihvertrages über das zu Ihren Gunsten vor über 30 Jahren bestellte, schuldrechtliche Wegerecht“. Sie kündigte an, den Weg mit Wirkung zum 1. Januar 2017 zu sperren und begann im Dezember 2016 mit dem Bau einer Toranlage. In einem von den Klägern eingeleiteten einstweiligen Verfügungsverfahren erklärte sich die Beklagte bereit, bis zum Abschluss eines erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens die Zufahrt offen zu halten.
Bisheriger Prozessverlauf:
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, die Kläger nicht an der Nutzung des Weges zu hindern. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts sind die Kläger in entsprechender Anwendung von §§ 1027, 1004 BGB aufgrund von Gewohnheitsrecht zur Nutzung des Weges zum Erreichen ihrer Garagen, zum Transport von Mülltonnen sowie zur Ausübung eines Gewerbebetriebes berechtigt. Unter der Voraussetzung einer lang andauernden tatsächlichen Übung und der Überzeugung der beteiligten Verkehrskreise, durch die Einhaltung dieser Übung bestehendes Recht zu befolgen, sei Gewohnheitsrecht auch im privaten und öffentlichen Wegerecht anzuerkennen. Soweit Gewohnheitsrecht nur als Rechtsquelle allgemeiner Art verstanden und deshalb als Rechtsgrund einer Verpflichtung zwischen Privatpersonen nicht anerkannt werde, sei dem nicht zu folgen. Im vorliegenden Fall bestehe eine langjährige tatsächliche Übung dahingehend, dass der rückwärtige Teil der klägerischen Grundstücke über die auf dem Grundstück der Beklagten befindliche Zufahrt erreicht werde. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die jeweiligen Grundstückseigentümer oder Nutzer oder die heutigen Parteien nicht von einem Wegerecht ausgegangen seien.
Mit der von dem V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zugelassenen Revision möchte die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.
Vorinstanzen:
LG Aachen – Urteil vom 11. Oktober 2017 – 11 O 157/17
OLG Köln – Beschluss vom 1. Juni 2018 – 16 U 149/17
Karlsruhe, den 18. September 2019
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