Nachfolgend ein Beitrag vom 5.7.2016 von Strohal, jurisPR-FamR 14/2016 Anm. 6

Leitsatz

Bei der Beurteilung der Unentgeltlichkeit einer Verfügung des Testamentsvollstreckers gemäß § 2205 Satz 3 BGB ist beim Erwerb eines in den Nachlass fallenden Miteigentumsanteils an einem Grundstück durch den Testamentsvollstrecker persönlich kein Wertabschlag vorzunehmen, wenn sich durch den Vertrag sämtliche Miteigentumsanteile an dem Grundstück in seiner Hand vereinigen sollen (Fortführung von Senatsurteil vom 13.05.2015 – IV ZR 138/14 – ZEV 2015, 482).

A. Problemstellung

Ist bei der Bestimmung des Verkehrswertes eines Miteigentumsanteils an einem (Haus-)Grundstück angesichts geringerer Veräußerungschancen generell ein Wertabschlag vorzunehmen?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Zum Nachlass einer Erblasserin gehört der hälftige Miteigentumsanteil an einem Mehrfamilienhaus. Einer der Erben, der bereits Miteigentümer an diesem Haus gewesen war, hat mit dem Ziel des Alleineigentums aufgrund seiner Vertretungsbefugnis als Testamentsvollstrecker diesen Miteigentumsanteil der Erbengemeinschaft zu einem unter dem Verkehrswert liegenden Kaufpreis erworben. Weil der Testamentsvollstrecker noch vor Eigentumsübergang aus dem Amt entlassen worden ist, ist die Auflassung an den Erwerber für zwei zum Notartermin nicht erschienene Miterben durch den Bürovorsteher des Notars als Vertreter ohne Vertretungsmacht erklärt worden. Die Miterben haben die Genehmigung dieses Vertreterhandelns verweigert.
Die Klage des Erwerbers gegen die Miterben, die für sie ohne Vertretungsmacht abgegebene Erklärung des Bürovorstehers zu genehmigen, ist im ersten und zweiten Rechtszug abgewiesen worden.
Der BGH hat die dagegen eingelegte Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Er bestätigt die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach der Kaufvertrag unwirksam sei, weil der Erwerber als Testamentsvollstrecker gegen das Verbot unentgeltlicher Verfügung und gegen das Gebot ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses verstoßen habe.
Das Verbot unentgeltlicher Verfügungen des Testamentsvollstreckers, von Anstands- oder sittlicher Pflicht entsprechenden Schenkungen abgesehen, soll die von der Verfügung ausgeschlossenen Erben gegenüber dem allein verfügungsberechtigten Testamentsvollstrecker schützen und eine Verminderung des Nachlasses ohne Zufluss gleichwertiger Vermögenswerte verhindern.
Dieses Verbot erfasse auch teilweise unentgeltliche Verfügungen, denen kein äquivalenter Gegenwert zugunsten des Nachlasses gegenüberstehe, der Wert des hälftigen Miteigentums also geringer als die Hälfte des Verkehrswerts des gesamten Objekts bemessen sei.
Allgemeine Grundsätze dazu, ob und wann bei einem Miteigentumsanteil an einem Grundstück Wertabschläge wegen dessen eingeschränkter Verkehrsfähigkeit und Verwertbarkeit zu machen seien, ließen sich nicht aufstellen. Der Erwerber hätte, wäre es planmäßig zur vollständigen Durchführung des Kaufvertrages gekommen, die Stellung als Alleineigentümer des Grundstücks erlangt und den vollen Verkehrswert realisieren können. Unter diesem Gesichtspunkt sei es nicht veranlasst, bei der Bewertung des in den Nachlass fallenden Miteigentumsanteils an dem Grundstück einen Wertabschlag vorzunehmen.

C. Kontext der Entscheidung

Anlass zur Diskussion um die Verkehrswertermittlung ist das gegen den Testamentsvollstrecker gerichtete Verbot, über Nachlassgegenstände zu verfügen, denen kein äquivalenter Gegenwert gegenübersteht (§ 2205 Satz 3 BGB). Eine unentgeltliche Verfügung des Testamentsvollstreckers liegt nach der vom BGH fortgeführten Rechtsprechung des Reichsgerichts (BGH, Urt. v. 15.05.1963 – V ZR 141/61) dann vor, wenn er objektiv ohne gleichwertige Gegenleistung Opfer aus der Erbmasse bringt und subjektiv entweder weiß, dass dem Opfer keine gleichwertige Leistung an die Erbmasse gegenübersteht, oder doch bei ordnungsgemäßer Verwaltung der Masse unter Berücksichtigung seiner künftigen Pflicht, die Erbschaft an den Erben herauszugeben, das Fehlen oder die Unzulänglichkeit der Gegenleistung hätte erkennen müssen. Verstößt der Testamentsvollstrecker dagegen, ist die – auch nur teilweise unentgeltliche – Verfügung unwirksam (§ 138 BGB).
Der Verkehrswert eines Grundstücks wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre (§ 194 BBauG).
Der Nachlasswert ist, sofern keine Verkaufserlöse vorliegen, durch Schätzung zu ermitteln. Eine bestimmte Wertberechnungsmethode ist nicht vorgeschrieben. Im Vordergrund stehen hierfür die Sach-, Substanz- und Ertragswertmethode (§ 2311 Rn. 45). Gegenüber den Ergebnissen aus diesen Wertermittlungen nimmt die Praxis dann Abschläge vor, wenn die Chance, einen Miteigentumsanteil unter marktwirtschaftlichen Bedingungen zu veräußern, sehr gering ist (Birkenheier in: jurisPK BGB, 7. Aufl., § 2311 Rn. 54.1 m.w.N.).
Der BGH widerspricht einer Generalisierung dieser Bewertungsform und lehnt die Aufstellung allgemeiner Grundsätze, ob und wann Wertabschläge gerechtfertigt sein könnten, ab. Mit dieser Entscheidung führt der BGH seine Rechtsprechung (zuletzt BGH, Urt. v. 13.05.2015 – IV ZR 138/14) dahingehend fort, dass ein solcher Wertabschlag dann nicht geboten ist, und der Wert des hälftigen Miteigentumsanteils jedenfalls dann dem hälftigen Wert der Immobilie insgesamt entspricht, wenn der Alleinerbe bereits Eigentümer der anderen ideellen Miteigentumshälfte ist. Es seien keine Gründe ersichtlich, einen Wertabschlag vorzunehmen, weil die Immobilie in diesem Fall problemlos verwertet werden könne.
Soweit die erst jüngst veröffentlichte Entscheidung des OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.06.2015 – I-3 U 11/14 – FamRZ 2016, 670) den Anschein erweckt, sich gegen die vorgenannte Rechtsprechung des BGH zu stellen, besteht beiderseits Einigkeit darüber, dass dieser Entscheidung ein anderer, nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt. Es wurde nicht als gerechtfertigt angesehen, die hier besonders gelagerte Zusammenführung des Alleineigentums in einer Hand der Erbengemeinschaft in Form einer Erhöhung des Verkehrswerts für den hälftigen Miteigentumsanteil zugute kommen zu lassen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die bislang gängige Praxis des Wertabschlags gegenüber Verkehrswertbestimmungen in Fällen eingeschränkter Verkehrsfähigkeit und Verwertbarkeit führt der BGH von einer generellen Verpflichtung auf Einzelfallentscheidungen zurück. Es werden also Gründe dafür benannt werden müssen, wann im Einzelfall die Verkehrsfähigkeit und Verwertbarkeit einen derartigen Abschlag rechtfertigt.