Nachfolgend ein Beitrag vom 02.09.2016 von Retzlaff, jurisPR-BGHZivilR 15/2016 Anm. 2

Leitsatz:

Abschlagszahlungsregelungen, die vorsehen, dass der Auftraggeber trotz vollständig erbrachter Werkleistung einen Teil des Werklohns einbehalten darf, können zur Unwirksamkeit einer Sicherungsabrede betreffend eine Vertragserfüllungsbürgschaft führen, wenn sie in Verbindung mit dieser bewirken, dass die Gesamtbelastung durch die vom Auftragnehmer zu stellenden Sicherheiten das Maß des Angemessenen überschreitet (Anschluss an BGH, Urt. v. 09.12.2010 – VII ZR 7/10 – BauR 2011, 677 = NZBau 2011, 229).

A. Problemstellung

Erfüllungssicherheiten zugunsten des Auftraggebers von Bauleistungen sind in seinen AGB bis zu einer Grenze von 10% der Auftragssumme angemessen. Wird diese Grenze überschritten, ist die Sicherungsabrede grundsätzlich unwirksam. Aber wie ist die Einhaltung der Grenze zu überprüfen? Was dient dem Auftraggeber alles als Erfüllungssicherheit – nur eine zu diesem Zweck übergebene Bürgschaft oder auch Einbehalte von Abschlagszahlungen, die er sich an anderer Stelle in seinen AGB vorbehält?

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin beauftragte ein Bauunternehmen unter Einbeziehung der VOB/B mit der Errichtung einer Wohnanlage. Der Unternehmer sollte Abschlagszahlungen nach einem vertraglich festgelegten Zahlungsplan erhalten. Die drei letzten Raten beliefen sich auf jeweils 5% der Bruttoauftragssumme. In den Vertrag sind allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerin einbezogen. Diese sahen die folgenden Regelungen vor:
„§ 10: Einbehalt der Klägerin zur Sicherung von Mängelansprüchen in Höhe von 5% der Bruttoauftragssumme, ablösbar durch Bürgschaft.
§ 12: Erfüllungsbürgschaft des Unternehmers in Höhe von 5% der Bruttoauftragssumme.
§ 13: Die Fälligkeit der drei letzten Abschlagszahlungen über jeweils 5% der Auftragssumme wird von den folgenden Bedingungen abhängig gemacht:

• Fertigstellung und Übergabe an die Kunden des Auftraggebers
• Beseitigung der Mängel aus den Abnahmeprotokollen
• Abnahme und Ablösung des Gewährleistungseinbehalts.“

Der Unternehmer übergab der Klägerin die Erfüllungsbürgschaft. Nun ist er insolvent, und die Klägerin nimmt den Bürgen aus der Bürgschaft in Anspruch. Dieser meint, gemäß den §§ 768, 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB von der Leistung frei geworden zu sein, da die Sicherungsabrede über die Erfüllungsbürgschaft unwirksam sei.
Die Instanzgerichte folgen dem nicht. Wird ein Bauunternehmer durch die AGB des Auftraggebers zur Stellung von Erfüllungssicherheiten verpflichtet, dann ist dies unwirksam, wenn die Sicherheit unangemessen hoch ist. Nach der Rechtsprechung des BGH ist dies allerdings erst bei einer Erfüllungssicherheit von mehr als 10% der Auftragssumme der Fall (BGH, Urt. v. 07.04.2016 – VII ZR 56/15 Rn. 72; BGH, Urt. v. 20.03.2014 – VII ZR 248/13 – BGHZ 200, 326 Rn. 15). Hier sind in § 12 nur 5% vereinbart, also sei die Bestimmung über die Erfüllungssicherheit AGB-rechtlich unproblematisch.
Der BGH verwirft diese Begründung und verweist den Rechtsstreit zurück an das Berufungsgericht.
Die Erfüllungsbürgschaft mag sich auf nur 5% der Auftragssumme belaufen. Nach § 13 könne der Auftraggeber aber außerdem die drei letzten Abschlagszahlungen in Höhe von weiteren 3 x 5% = 15% der Auftragssumme unter Bedingungen einbehalten, die der Unternehmer nicht oder jedenfalls nicht vollständig beeinflussen kann. So sei beispielsweise die Übergabe sämtlicher Wohnungen an die jeweiligen Erwerber, also der vollständige Abverkauf, Fälligkeitsvoraussetzung. Dies kann die Fälligkeit lange hinauszögern (Rn. 19). Damit habe der Auftraggeber die weitreichende Möglichkeit, einen weiteren Bareinbehalt von 15% der Auftragssumme vorzunehmen. Dieser Einbehalt könne dem Auftraggeber auch als Sicherheit für eventuelle (Erfüllungs-)Ansprüche gegenüber dem Unternehmer dienen. Somit verfüge der Auftraggeber im Ergebnis über eine Erfüllungssicherheit von 20% der Auftragssumme. Aus diesem Grund könne die Regelung über den Einbehalt der Abschlagszahlungen (§ 13) von der Regelung über die Erfüllungssicherheit (§ 12) nicht getrennt werden, mit dem Ergebnis, dass die Grenze des Angemessenen in der Gesamtschau möglicherweise nicht eingehalten sei.
Allerdings steht das noch nicht abschließend fest. Nach dem BGH setzt die Annahme der Übersicherung aufgrund des Einbehalts von Abschlagszahlungen voraus, dass deren Fälligkeit die gesetzlichen Vorgaben nach § 632a BGB nicht zugunsten des Unternehmers modifiziert. Hier machte der Auftraggeber geltend, der vertragliche Zahlungsplan bevorzuge den Unternehmer gegenüber der gesetzlichen Regelung des § 632a BGB, wobei es wohl auf die bis zum 31.12.2008 geltende Altfassung dieser Vorschrift ankam. Besteht die Erfüllungssicherheit im Einbehalt einer Zahlung, die der Unternehmer nach der gesetzlichen Regelung und dem Baufortschritt noch gar nicht oder jedenfalls nicht in dieser Höhe beanspruchen dürfte, läge doch keine unangemessene Benachteiligung vor. Zur Klärung dieser Problematik verweist der BGH den Rechtsstreit zurück.
Es ist möglich, dass sich diese Unklarheiten nicht restlos aufklären lassen. Dies würde nach dem BGH dann wohl zulasten des Auftraggebers und AGB-Verwenders gehen. Es soll an dieser Stelle offenbar nicht um die Darlegung der Unwirksamkeit, sondern die Entkräftung eines bereits ansonsten feststehenden Verstoßes gehen (vgl. Rn. 21).

C. Kontext der Entscheidung

Der erste Schritt der AGB-Kontrolle ist es, den „Regelungsbaustein“ zu definieren, der auf den Prüfstand kommt. Das Urteil macht deutlich, dass es nicht auf die äußerliche Abgrenzung in den AGB ankommt, sondern der innere Zusammenhang bzw. das Regelungskonzept entscheidend ist, hier der Zusammenhang zwischen Bürgschaftsverpflichtung und Zahlungsplan bzw. Einbehalt von Abschlagszahlungen.
Sollte sich am Ende ergeben, dass dem Auftraggeber mit diesem „Regelungsbaustein“ eine unangemessene Erfüllungssicherheit verschafft wird, wären damit alle Elemente des Bausteins von der Folge der Unwirksamkeit erfasst: Die Einschränkung der Fälligkeit von Abschlagszahlungen gegenüber § 632a BGB und die – isoliert unproblematische – Erfüllungssicherheit von 5%. Es ist ähnlich wie bei Bürgschaften, die Erfüllungs- und Mängelsicherheit zu kombinieren: Dort hat der BGH entschieden, dass die Abrede über eine isoliert betrachtet unproblematische Mängelsicherheit von 2 oder 3% unwirksam wird, wenn daneben eine Erfüllungssicherheit von 5% vereinbart ist, die auch Mängelansprüche besichert und deren Rückgabe weitgehend im Belieben des Auftraggebers steht. Damit erhält dieser die Möglichkeit, über den Zeitpunkt der Abnahme oder Abnahmereife hinaus dauerhaft eine unangemessen hohe Mängelsicherheit von 5+2 = 7% oder 5+3 = 8% einzubehalten (vgl. BGH, Urt. v. 01.10.2014 – VII ZR 164/12; BGH, Urt. v. 22.01.2015 – VII ZR 120/14).
Eine solche problematische Kombination von Erfüllungs- und Mängelsicherheit lag hier allerdings nicht vor: Der Vertrag sah vor, dass die Erfüllungsbürgschaft gemäß § 12 mit Stellung der Mängelsicherheit zurückzugeben ist. Somit kann es nicht zu einer Besicherung des Auftraggebers für Mängelrechte nach Abnahme in Höhe von mehr als 5% kommen (Rn. 30).

D. Auswirkungen für die Praxis

Sicherungsabreden über Erfüllungsbürgschaften können nicht losgelöst von Bareinbehalten an den Abschlagszahlungen gesehen werden. Auch wenn nur eine Erfüllungsbürgschaft in Höhe von 5% der Auftragssumme zu übergeben ist, kann dies unwirksam sein, wenn der Auftraggeber daneben zu Einbehalten berechtigt ist und damit insgesamt die kritische 10%-Hürde gerissen wird.
Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Zahlungsplan, von dem die Einbehalte gemacht werden können, den Unternehmer gegenüber der gesetzlichen Regelung des § 632a BGB besserstellt.