Niedersächsisches Finanzgericht, 11-K-10290/15
Urteil vom 26.05.2016
Orientierungssatz:
- Bei Inzahlungnahme von Gebrauchtwagen im Rahmen eines Tausches mit Baraufgabe gilt der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Die USt gehört dabei nicht zum Entgelt.
- Bei einem sog. Streckengeschäft im Gebrauchtwagenhandel kommt eine Minderung der Bemessungsgrundlage für die Lieferungen des Unternehmers an seine Kunden im Rahmen eines Tausches mit Baraufgabe um die Verluste, die später mit der Weiterveräußerung der in Zahlung genommenen Gebrauchtfahrzeuge entstanden sind, nicht in Betracht.
Tatbestand:
Streitig ist die umsatzsteuerliche Behandlung von verdeckten Preisnachlässen im Zusammenhang mit sogenannten Streckengeschäften im Jahr 2013.
Die Klägerin ist eine offene Handelsgesellschaft, deren Gesellschafter im Streitjahr H und J zu jeweils 50 v. H. waren. Gesellschaftszweck ist die Verpachtung von gewerblichen Anlagen, die sonstige Verwaltung und die Führung von Unternehmen und Betrieben. Die Klägerin ist alleinige Gesellschafterin der G GmbH und der J und H GmbH, deren alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführer die Herren J und H sind. Zwischen den beiden GmbHs und der Klägerin besteht umsatzsteuerliche Organschaft, weil die Klägerin die Betriebsgelände mit Anlagen an die beiden Gesellschaften verpachtet. Gegenstand der beiden GmbHs ist der Handel mit Kraftfahrzeugen.
Die Klägerin erklärte in ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für April 2013 berichtigte Umsätze in Höhe von ./. 14.000 €. Grundlage hierfür waren verdeckte Preisnachlässe aus sogenannten Streckengeschäften. Der Beklagte führte im November 2013 eine Umsatzsteuersonderprüfung für diesen Monat durch. Dabei stellte der Sonderprüfer fest, dass die Klägerin bei Neuwagenverkäufen jeweils ein gebrauchtes Fahrzeug in Zahlung genommen hatte und beim Verkauf dieses Gebrauchtfahrzeugs erneut ein gebrauchtes Fahrzeug in Zahlung genommen hatte. Die Verluste aus den Folgegeschäften führten nach Auffassung der Klägerin zur Änderung der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage für die Lieferung des Neufahrzeugs.
Der Sonderprüfer vertrat demgegenüber die Ansicht, dass der weitere verdeckte Preisnachlass die Bemessungsgrundlage des ursprünglichen Neuwagenverkaufs nicht mindere. Der gemeine Wert des beim Neuwagenverkauf von der Klägerin in Zahlung genommenen Gebrauchtwagens lasse sich nicht über die späteren Gebrauchtwagenverkäufe weiterer Fahrzeuge bestimmen. Entscheidend für die Bemessungsgrundlage des gelieferten Neuwagens sei nur der gemeine Wert des bei diesem Geschäft unmittelbar in Zahlung genommenen Gebrauchtwagens. Die Minderung der Umsätze sei daher rückgängig zu machen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht des Beklagten vom xx. November 2013 über die Umsatzsteuersonderprüfung zur StNr. xxx; AD-Nr. xxx verwiesen.
Der Beklagte folge der Rechtsansicht seines Außenprüfers und erließ am xx. November 2013 einen Bescheid über die Umsatzsteuervorauszahlung für April 2013. Gegen diesen Verwaltungsakt erhob die Klägerin am xx. November 2013 Einspruch, den der Beklagte mit Einspruchsbescheid vom xx. September 2014 zurückwies. Am xx. Oktober 2014 ging beim Beklagten die Umsatzsteuererklärung der Klägerin für 2013 ein, in der wiederum berichtigte Umsätze in Höhe von ./. 14.000 € erklärt wurden. Das gegen den Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid vom xx. November 2013 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom xx. September 2014 geführte Klageverfahren 16 K xxx/14 erklärten die Klägerin und der Beklagte übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt, weil die mit der Umsatzsteuererklärung erfolgte aktuelle Steuerfestsetzung dem Begehren der Klägerin entsprach. Das Gericht legte der Klägerin mit Beschluss vom xx. Juni 2015 die Kosten des Klageverfahrens 16 K xxx/14 nach § 138 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) auf, weil die Klage voraussichtlich keinen Erfolg gehabt habe.
In den Monaten April bis Juni 2015 führte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung O im Auftrag des Beklagten bei der Klägerin eine Außenprüfung durch, die die Jahre 2010 bis 2013 umfasste. Dabei griff der Außenprüfer den Sachverhalt um die verdeckten Preisnachlässe bei der Inzahlungnahme der Gebrauchtwagenfahrzeuge auf. Dabei stellte der Außenprüfer fest, dass die G GmbH am xx. April 2013 insgesamt neun Kunden angeschrieben hatte, die jeweils im Juni 2010 Fahrzeuge bei ihr erworben hatten. Den Kunden wurde mitgeteilt, dass die in Zahlung genommenen Gebrauchtfahrzeuge der Kunden den in der Rechnung über die Lieferung des Neufahrzeugs angegebenen Inzahlungsnahmepreise nicht erzielt hätten. Aus steuerlichen Gründen müsse die GmbH ihnen daher mitteilen, dass sich eine Entgeltminderung mit einem Weniger an Umsatzsteuer in Höhe bestimmter Beträge ergeben habe. Mit dieser Mitteilung komme die GmbH ihrer Verpflichtung nach § 14 c Abs. 1 Satz 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) nach. Auf die seinerzeit getroffene Zahlungsvereinbarung habe dieser Vorgang für die Kunden keinerlei Einfluss (Bl. 192 bis 200 der Arbeitsakte des Außenprüfers zur StNr. xxx; AD-Nr. xxx). Der Außenprüfer folgte demgegenüber der Auffassung des Sonderprüfers unter Hinweis auf Abschn. 10.5 Abs. 4 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE). Er erhöhte die erklärten Umsätze zum allgemeinen Steuersatz um 14.000 €. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Bericht des Finanzamts für Großbetriebsprüfung O vom xx. Juni 2015 über die Außenprüfung zur StNr. xxx; AD-Nr. xxx hingewiesen.
Der Beklagte erließ am xx. Juli 2015 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2013.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am xx. August 2015 Einspruch. Die rechnerische Ermittlung der Preisnachlässe sei vom Außenprüfer nicht angezweifelt worden. Der gemeine Wert des bei den Lieferungen der Neuwagen jeweils in Zahlung genommenen Gebrauchtfahrzeuge lasse sich nicht bei der Inzahlungnahme, sondern erst später bei dem Verkauf des letzten Fahrzeugs in der Kette ermitteln. Abschn. 10.5 Abs. 4 UStAE enthalte deshalb einen Widerspruch in sich, weil mit dieser Verwaltungsanweisung die korrekte Ermittlung des gemeinen Werts des Gebrauchtfahrzeugs verhindert werde. Zudem verstoße diese Anweisung gegen das Mehrwertsteuersystem, weil dieses darauf angelegt sei, dass nur der Endverbraucher mit Umsatzsteuer belastet werden solle. Dem Staat dürfe aus allen Umsatzgeschäften nur der Umsatzsteuerbetrag zufließen, den der Endverbraucher letztlich wirtschaftlich aufwende.
Der Rechtsbehelf blieb erfolglos. Im Einspruchsbescheid vom xx. November 2015 führte der Beklagte zur Begründung aus, bei der Lieferung eines Fahrzeugs unter Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens des Kunden läge ein Tausch mit Baraufgabe vor. Werde das Gebrauchtfahrzeug später durch den Händler unter Inzahlungnahme eines anderen Fahrzeugs verkauft, läge ein sogenanntes Streckengeschäft vor. Bei derartigen Streckengeschäften dürfe ein weiterer verdeckter Preisnachlass, der sich ergebe, wenn der Gebrauchtwagen zu einem höheren Preis als dem gemeinen Wert in Zahlung genommen werde, die Bemessungsgrundlage des ursprünglichen Neuwagenverkaufs nicht mindern. Ein das Entgelt des Neuwagenverkaufs mindernder verdeckter Preisnachlass läge nur dann vor, wenn dieser Gebrauchtwagen zu einem höheren als dem gemeinen Wert in Zahlung genommen werde. Die Bemessungsgrundlage für den Verkauf eines Neuwagens oder eines Gebrauchtwagens könne sich immer nur nach dem gemeinen Wert des unmittelbar in Zahlung genommenen Pkw richten.
Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zwar heiße es in Abschn. 10.5 Abs. 4 Satz 8 UStAE, dass der gemeine Wert eines beim Neuwagenverkauf in Zahlung genommenen Gebrauchtwagens nicht unter Berücksichtigung aus im sogenannten Streckengeschäft nachfolgenden Gebrauchtwagenverkäufen zu bestimmen sei. Aber in derartigen Fällen lasse sich der gemeine Wert erst dann feststellen, wenn das letzte Fahrzeug in der Kette veräußert worden sei. Erst mit dieser Lieferung sei auch das Neuwagengeschäft abgeschlossen. Nur so sei sichergestellt, dass der Unternehmer nicht mit der Umsatzsteuer belastet werde.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2013 vom xx. Juli 2015 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom xx. November 2015 zu ändern und die Umsatzsteuer um 2.600 € herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner im Einspruchsbescheid geäußerten Rechtsansicht fest und verweist im Übrigen auf die Ausführungen des Gerichts im Beschluss vom xx. Juni 2015 16 K xx/15.
Gründe:
Die Klage ist unbegründet.
Der Umsatzsteuerbescheid 2013 vom xx. Juli 2015 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 5. November 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Eine Minderung der Bemessungsgrundlage für die Lieferungen der Klägerin an ihre Kunden im Rahmen eines Tausches mit Baraufgabe um die Verluste, die später mit der Weiterveräußerung der in Zahlung genommenen Gebrauchtfahrzeuge für die Klägerin entstanden sind, kommt nicht in Betracht.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die fraglichen neun Lieferungen der Neuwagen an verschiedene Kunden im Juni 2010 wegen der Inzahlungnahme der Gebrauchtwagen im Rahmen eines Tausches mit Baraufgabe nach § 3 Abs. 12 Satz 1 UStG erfolgten. Nach § 10 Abs. 2 Sätze 2 und 3 UStG gilt bei derartigen Leistungen der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz, wobei die Umsatzsteuer nicht zum Entgelt gehört. Sachaufwendungen an den Leistenden sind jedenfalls dann Entgelt, wenn Kunde und leistender Unternehmer sich darüber einig sind, dass die Barvergütung kein hinreichender Gegenwert für die vereinbarte Leistung ist, sondern dass der Kunde für die von ihm empfangene Leistung eine Barvergütung und eine Sachvergütung aufwendet (Bundesfinanzhof – BFH -, Urteile vom 15. Dezember 1988 V R 257/84, BStBl. II 1989, 252; vom 1. Februar 1990 V R 26/85, BFH/NV 1990, 605). Zwischen der GmbH und ihren Kunden bestand bei Abschluss der Kaufverträge Übereinstimmung, dass neben der von den Kunden zu erbringenden Barzahlung auch ihr Gebrauchtwagen in Zahlung genommen werden musste.
Der Wert des anderen Umsatzes wird in richtlinienkonformer Auslegung des § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG mit Art 73 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) durch den subjektiven Wert für die tatsächlich erhaltene und in Geld ausdrückbare Gegenleistung bestimmt. Als subjektiver Wert ist derjenige Wert festzustellen, den der Empfänger der Leistung beimisst, die er sich verschaffen will und deren Wert dem Betrag entspricht, den er zu diesem Zweck aufzuwenden bereit ist. Dieser Wert umfasst alle Ausgaben einschließlich der Nebenleistungen, die der Empfänger der jeweiligen Leistung aufwendet, um die fragliche Leistung zu erhalten. Soweit der Wert des Entgelts nicht ermittelt werden kann, ist er nach § 162 der Abgabenordnung zu schätzen (BFH, Urteile vom 16. April 2008 XI R 56/06, BStBl. II 2008, 909, 912; vom 11. Juli 2012 XI R 11/11, BFH/NV 2013, 33 = Juris Rdnr. 35). Die Anknüpfung an den subjektiven Wert verhindert, dass Änderungen des Werts der Gegenleistung zwischen dem Zeitpunkt der Entgeltsvereinbarung und dem Zeitpunkt der Lieferung der Gegenleistung eine Änderung nach § 17 Abs. 1 UStG erforderlich macht. Die Verwendung eines fremdüblichen Marktpreises ist unzulässig; deshalb auch das Abstellen auf den gemeinen Wert der Gegenleistung nach § 9 Bewertungsgesetz (BFH, Urteil vom 16. April 2008 XI R 56/06, BStBl. II 2008, 909, 912). Für die Bemessung des Entgelts für die Lieferungen der Neufahrzeuge durch die Klägerin ist vielmehr entscheidend, welche Aufwendungen die Klägerin für den Erhalt der jeweiligen Gebrauchtfahrzeuge tatsächlich geleistet hat, welchen Betrag in Geld oder Geldeswert sie hierfür aufgewendet hat. Der in Abschn. 10.5 Abs. 4 Satz 2 und 3 UStAE dokumentierte gegenteilige Auffassung der Finanzverwaltung, wonach bei einem Tausch mit Baraufgabe im Kfz-Handel unter Inzahlungnahme eines Gebrauchtfahrzeugs der gemeine Wert des Gebrauchtfahrzeugs als Teil der Gegenleistung für den empfangenen Neuwagen anzusetzen ist, folgt das Gericht nicht (vgl. auch Wagner, in: Sölch/Ringleb, UStG, Loseblattsammlung, Stand: September 2014 Rdnr. 318).
Im Streitfall war die Klägerin bei Lieferung der einzelnen Neuwagen subjektiv bereit, diese an den Kunden zuzüglich einer festgelegten Baraufgabe für die Erlangung der Gebrauchtwagen hinzugeben. Der subjektive Wert, den die Klägerin ihren empfangenen Gegenleistungen beimaß, bestimmt sich deshalb nach dem Wert der Neufahrzeuge abzüglich der erhaltenen Baraufgabe. Diese nach der subjektiven Einschätzung der Klägerin ermittelte Differenz bildet nach § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG zusammen mit der Baraufgabe das Bruttoentgelt für die Lieferungen der Neufahrzeuge. Eine nachträgliche Minderung der Bemessungsgrundlage wegen der im Nachhinein enttäuschten Erlöserwartung für die in Zahlung genommenen Fahrzeuge kommt – wie der Beklagte zu Recht im Einspruchsbescheid ausgeführt hat – nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.