Nachfolgend ein Beitrag vom 29.4.2016 von Nassall, jurisPR-BGHZivilR 8/2016 Anm. 2

Leitsätze

1. Für die Beurteilung, ob ein Werk mangelhaft ist, kommt es nach einer durchgeführten Abnahme auf den Zustand des Werks zum Zeitpunkt der Abnahme an.
2. Die Verletzung einer Prüfungs- und Hinweispflicht durch den Werkunternehmer ist kein Tatbestand, der eine Mängelhaftung begründen kann (Bestätigung von BGH, Urt. v. 08.11.2007 – VII ZR 183/05 – BGHZ 174, 110 Rn. 22).

A. Problemstellung

Die Entscheidung befasst sich mit der Bedeutung der Hinweispflicht des Werkunternehmers im System der werkvertraglichen Mängelgewährleistung.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger beauftragte die Beklagte mit Fliesenarbeiten an den Bädern seines Hauses. Nach Fertigstellung und Abnahme der Arbeiten stellte er fest, dass die Fugen nicht die erforderliche Konsistenz aufwiesen. Er verlangt deshalb Mangelbeseitigung. Das Berufungsgericht hat die Klage für begründet erachtet, dabei allerdings offengelassen, ob die Beklagte die Fugen unzureichend hergestellt habe. Selbst wenn man – wie von ihr geltend gemacht – zu ihren Gunsten unterstelle, dass der Zustand der Fugen durch die Reinigung mit einem säurehaltigen Mittel bedingt worden sei, liege die Ursache des Mangels nicht im Verantwortungsbereich des Klägers, da die Beklagte ihre Hinweispflichten verletzt habe.
Der BGH hat aufgehoben und zurückverwiesen: Mit einem nach einer durchgeführten Abnahme eingetretenen Zustand könne die Mangelhaftigkeit eines Werkes allein nicht begründet werden. Die Verletzung einer Prüfungs- und Hinweispflicht durch den Unternehmer stelle keinen Tatbestand dar, der eine Mangelhaftung begründen könnte.

C. Kontext der Entscheidung

Für die Beurteilung, ob ein Werk mangelhaft ist, kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Abnahme an. Das ergibt sich aus § 644 BGB. Unerheblich ist demgegenüber der Zeitpunkt, zu dem der Mangel in Erscheinung tritt. Zeigen sich Mangelerscheinungen erst nach Abnahme, werden sie von der Gewährleistungshaftung des Werkunternehmers nur erfasst, wenn sie auf einen nicht vertragsgemäßem Zustand des Werkes zum Zeitpunkt der Abnahme zurückzuführen sind. Im Gewährleistungsrechtsstreit sind deshalb dahingehende Feststellungen zu treffen. Auf etwaige, dem Werkunternehmer treffende Hinweis- und Belehrungspflichten kommt es in diesem Zusammenhang nicht, jedenfalls zunächst nicht, an. Hinweis- und Belehrungspflichten des Unternehmers sind im Werkvertragsrecht unter zwei Aspekten von Bedeutung. Zum einen obliegt es dem Werkunternehmer, seinen Besteller auf Mängel der Leistungsbeschreibung und auf Bedenken gegen die Tauglichkeit der von diesem gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile, gegen die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Unternehmers und auf Risiken, die sich aus Ausführungsanordnungen des Bestellers ergeben, hinzuweisen.
Diese Prüfungs- und Hinweispflicht bildet nach der Rechtsprechung des BGH aber keinen selbstständigen Haftungstatbestand; vielmehr geht es hierbei nur um eine Obliegenheit, deren Erfüllung den Werkunternehmer von seiner verschuldensunabhängigen Mängelgewährleistung befreit: Setzt sich der Besteller über die ihm erteilten Hinweise und Belehrungen seines Werkunternehmers hinweg, kann er den Werkunternehmer nach Treu und Glauben später nicht auf Mängelgewährleistung in Anspruch nehmen, wenn sich die vom Werkunternehmer aufgezeigten Risiken verwirklicht haben und das Werk deshalb mangelhaft ist (BGH, Urt. v. 08.11.2007 – VII ZR 183/05 – BGHZ 174, 110, 120).
Zum anderen können den Werkunternehmer Instruktionspflichten als eigenständige Pflichten treffen, etwa im Hinblick auf die Pflege und Wartung der von ihm hergestellten Anlage oder auf bestimmte mit ihrem Betrieb verbundene Gefahren. Derartige Instruktionspflichten sind indes rechtlich Teil der generellen Verschaffungspflicht des Werkunternehmers nach den §§ 631, 633 BGB, nicht lediglich der Verpflichtung zur mangelfreien Herstellung; es geht insoweit um die Vollständigkeit der Werkleistung (BGH, Urt. v. 03.11.1992 – X ZR 83/90 – NJW 1993, 1063). Zudem setzt die Haftung wegen Verletzung solcher Instruktionspflichten Verschulden voraus. Steht deshalb – wie im Streitfall möglicherweise – eine „zerstörende Pflege“ des mangelfrei hergestellten Werkes in Rede, kommt eine Haftung des Werkunternehmers wegen unterlassenen Hinweises auf die zerstörerische Wirkung einer bestimmten Pflegemaßnahme nur in Betracht, wenn er Anlass zu der Annahme hatte, der Besteller werde solche Pflegemaßnahmen ergreifen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Verletzung einer Hinweis- und Belehrungspflicht des Werkunternehmers vermag die Mangelhaftigkeit des von ihm hergestellten Werkes nicht zu begründen. Bezieht sich die Hinweis- und Belehrungspflicht auf den Umgang des Bestellers mit dem mangelfrei hergestellten Werk, kann ihre Verletzung allenfalls eine mängelgewährleistungsunabhängige Schadensersatzhaftung des Werkunternehmers begründen, die indes – anders als die Mängelgewährleistung – Verschulden voraussetzt.