Der BGH hat eine jahrelang offen gelassene Rechtsfrage nun entschieden. Ein Anwaltsvertrag, der gegen das Verbot der Wahrnehmung widerstreitender Interessen verstößt, ist nichtig. In dem konkret entschiedenen Fall kam es am Ende aber auf diese Frage nicht an, weil der zwischen Mandant und Anwalt geschlossene Vertrag vom BGH als Handelsvertretervertrag eingestuft worden ist. Das BGH-Urteil vom 12. Mai 2016 (IX ZR 241/14) veröffentlicht das Anwaltsblatt im Juli-Heft mit einer Anmerkung von Dr. Christian Deckenbrock (AnwBl 2016, 594).
Das Urteil des IX. Zivilsenats ist in zweierlei Hinsicht spannend. Zum einen belegt es, dass Anwaltskanzleien längst viele Tätigkeiten auch außerhalb des engen Bereichs der rein anwaltlichen Aufgaben für ihre Mandanten erfüllen. Zum anderen klärt der BGH eine alte und bislang offene Streitfrage, nämlich, ob ein Verstoß gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrags führt. Das bejaht der BGH jetzt (dazu und zu den Folgen siehe die Anmerkung im Anschluss von Deckenbrock). Geklagt hatte eine Rechtsanwaltsgesellschaft, die sich zu Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Einkauf von Holz-Hackschnitzeln und Landschaftspflegeholz verpflichtet hatte. Zu ihren Aufgaben gehörte es nicht nur unterschriftsreife, für die Beklagte möglichst kostengünstige Lieferverträge zu vermitteln. Sie verpflichtete sich darüber hinaus auch zur Erstellung, Prüfung und Verhandlung der Lieferantenverträge. Als Gegenleistung sollte sie eine monatliche Pauschalvergütung von 3.000 Euro netto sowie eine erfolgsabhängige Vergütung erhalten, deren Höhe sich danach richtete, ob und wie weit der von der Beklagten an den von der Kanzlei vermittelten Lieferanten zu zahlende Kaufpreis dem durchschnittlichen Preis unterschritt. Mit dieser Vereinbarung sollte die Klägerin, so noch das OLG München (AnwBl 2015, 94) widerstreitende Interessen vertreten. Das OLG hat den Vertrag wegen Verstoßes gegen § 43 a Abs. 4 BRAO für nichtig erklärt. Dem folgte der BGH nicht, der sorgfältig zwischen Anwaltsmandat und dem Handelsvertretervertrag differenziert. Der Vertrag zur Vermittlung der Lieferanten sei nämlich als Handelsvertretervertrag einzuordnen, der die Klägerin aber auch zur rechtlichen Beratung und Vertretung der Beklagten verpflichtete. Der Handelsvertreter habe gemäß § 86 Abs. 1 Halbsatz 2 HGB das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen. Zwar habe die Klägerin die Möglichkeit gehabt, die erfolgsabhängige Vergütung zu erhöhen, indem sie bei der Aushandlung der Verträge niedrigere Preise durch für die Beklagte nachteilige Vertragsbedingungen erkaufte. In einem solchen Fall hätte sie aber gegen das Gebot im Handelsvertreterrecht, die Interessen des Unternehmers wahrzunehmen, verstoßen sowie gegen ihre Vertragspflichten. Der Vertrag an sich verstoße deshalb aber nicht gegen § 43 a Abs. 4 BRAO. Im Zentrum der Entscheidung stand zudem die Frage, ob die Rechtsanwaltsgesellschaft überhaupt als Handelsvertreterin und damit als selbständig Gewerbetreibende tätig sein durfte. Das OLG München hatte dies noch verneint. Der BGH hat die Frage offen gelassen. Er sah im Ergebnis jedenfalls keine Nichtigkeit des Vertrages wegen eines etwaigen Verstoßes gegen das Tätigkeitsverbot des § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO und führt aus, dass in dem Fall die Gefahr widerstreitender Interessen weniger nahe gelegen habe. „Hackschnitzel und Landschaftspflegholz kommen in der anwaltlichen Praxis nicht so häufig vor wie Versicherungen, Grundstücke und Finanzprodukte“, so der IX. Zivilsenat. Letztendlich entscheiden musste er die Frage nicht. Die berufsrechtliche Unzulässigkeit einer Tätigkeit führe für sich genommen weder zur Nichtigkeit der im Rahmen dieser Tätigkeit geschlossenen Verträge noch zur Nichtigkeit der Anwaltsverträge, welche der Anwalt schließt, obwohl seine Zulassung nach § 14 Abs. 2 Nr. 8 BRAO wegen eines berufsrechtlich unzulässigen Zweitberufs zu widerrufen sei.
Quelle: Deutscher Anwaltverein