Nachfolgend ein Beitrag vom 4.9.2018 von Fligg, jurisPR-PrivBauR 9/2018 Anm. 4

Orientierungssätze

1. Lässt sich ein Auftragnehmer gleichsam erst gerichtlich überführen, um anschließend Nacherfüllung anzubieten (hier: durch Anhörung eines Sachverständigen), kann er das Vorschussbegehren seines Auftraggebers nicht mit der Begründung zurückweisen, von ihm sei keine Nacherfüllung verlangt worden.
2. Im Rahmen der Vorschussklage hat der Auftragnehmer auch die noch nicht angefallene Umsatzsteuer zu zahlen.

A. Problemstellung

Das OLG Celle hatte sich in diesem Fall mit zahlreichen Fehlern eines Unternehmers zu befassen. So wurde im Fall durch den Unternehmer die Nachbesserung nicht ordnungsgemäß und rechtzeitig angeboten, es wurde keine ordnungsgemäße Bedenkenanmeldung formuliert und schließlich wurde eine fehlerhafte Bauausführung und Planung durch den Unternehmer vorgenommen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Beklagte hat sich gegenüber den Klägern vertraglich dazu verpflichtet, einen Anbau in Holzrahmenbauweise inklusive Dacheindeckung sowie die Anputzarbeiten zwischen Altbau und Neubau vorzunehmen. Auf der Außenwand wurde ein Wärmedämmverbundsystem durch einen Maler als Drittunternehmen angebracht.
Nach dreieinhalb Jahren begann der Laminatboden in der Küche sich aufzuwölben. Der durch die Kläger beauftragte Privatgutachter stellte im September 2013 fest, dass innerhalb der Boden-/Wandkonstruktion Feuchtigkeit vorhanden ist. Weiter führte er aus, dass diese Bauteilfeuchtigkeit deswegen in der Konstruktion vorhanden sei, da der Beklagte bauphysikalische Fehler bei der Errichtung der Außenwände vorgenommen hat und die – vom Beklagten nicht geschuldete – Außenabdichtung Leckagen aufweist.
Der Beklagte habe abweichend von den angebotenen und außenseitig anzubringenden diffusionsoffenen DWD-Platten eigenmächtig OSB-Platten verwendet. Diese wirken wie eine Dampfbremse, sodass Wasserdampf an den Platten kondensiert, was zu Schimmelbefall und zum Aufquellen des Bodens führe. Mangels innenseitigen Einbau einer Dampfbremse dringe warme und daher feuchtere Luft aus den Wohnräumen in die kühle Wandkonstruktion ein, sodass sich vor den OSB-Platten Kondensationsfeuchtigkeit niederschlägt. Den Sanierungsaufwand ermittelte der Privatsachverständige mit 54.383 Euro. Die Sachverständigenkosten wurden mit 4.618,02 Euro in Rechnung gestellt. Dieser Mangel wurde dem Beklagten außergerichtlich unter Fristsetzung zur Nachbesserung angezeigt, welche der Beklagte schriftlich ablehnte.
Mit Klageeinreichung wurden durch die Kläger vorgetragen, dass ebenfalls die Schwellhölzer nicht die richtige Materialqualität aufweise und die gesamte Dachkonstruktion abweichend von der Statik errichtet worden sei. Hierfür sei ein weiterer Betrag i.H.v. 35.000 Euro notwendig, so dass insgesamt ein Vorschussanspruch i.H.v. 89.383,00 Euro zzgl. Sachverständigenkosten i.H.v. 4.618,02 Euro geltend gemacht wurde. Eine Mangelanzeige dieser neuen Mangelpunkte gegenüber dem Beklagten unter Fristsetzung unterblieb.
Mit der Klageerwiderung bestritt der Beklagte zunächst alle Mängel. Nach durchgeführter Beweisaufnahme stellte der Beklagte nur die Mängel der Dachkonstruktion unstreitig. Gegenüber den weiteren Mängeln behauptete der Beklagte, dass angeblich drückendes Wasser für die Feuchtigkeitsschäden ursächlich wäre. Auch seien die OSB-Platten in Absprache mit dem Maler/Drittunternehmen als Putzträger eingebaut worden. Eine Abdichtung des Außensockels habe er nicht im Auftrag gehabt und die eingeholte Planung im Hinblick auf den Wandaufbau des Ingenieurbüros sei fehlerhaft, sodass die Kläger sich ein Mitverschulden zurechnen lassen müssen.
Schließlich fehle es an einer Nachfristsetzung, da er die Nachbesserung in der mündlichen Verhandlung angeboten habe und der ausgeurteilte Betrag des Landgerichts lediglich auf einer Schätzung beruhe.
Das LG Stade hat nach Beweisaufnahme und Bestätigung der Sanierungskosten i.H.v. 80.000 Euro bis 90.000 Euro den Beklagten unter Bezug der Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen zur Zahlung eines Vorschusses i.H.v. 89.000 Euro sowie zur Zahlung der Kosten des Privatsachverständigen i.H.v. 4.618,02 Euro verurteilt.
Begründet wurde dies mit den Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen. Dieser teilte mit, dass die Außenwände aufgrund eines falschen Aufbaus tauwassergefährdet sind und zudem unzulässigerweise hierauf teilweise Außenputz angebracht wurde. Weiter sei der Haussockel nicht dauerhaft gegen Feuchtigkeit abgedichtet gewesen, sodass hier ebenfalls Feuchtigkeit in die Konstruktion eintreten konnte.
Gegen das Urteil des LG Stade wendet sich der Beklagte in der Berufung.
Das OLG Celle bestätigt die Entscheidung i.H.v. 77.700 Euro zzgl. Sachverständigenkosten von 4.618,02 Euro. Der Schwerpunkt des Werkmangels liege in der Dampfdurchlässigkeit der Rahmenkonstruktion mangels Einbaus einer innenliegenden Dampfbremse. Weiter führt das OLG Celle aus, dass der Beklagte seine Leistung so hätte ausführen müssen, dass sie eine geeignete Grundlage für die darauf aufzubauenden weiteren Leistungen ist. Der Beklagte habe es unterlassen, im Sockelbereich die Bitumenschicht zwischen der Bodenplatte und der Holzkonstruktion ordnungsgemäß ca. 30 cm zur weiteren Verwendung hochzuführen. Nachdem er diese Ausführung mit Bitumenschicht unterlassen hatte, habe er die Kläger auf die Schutzbedürftigkeit des Sockels vor Feuchtigkeit hinweisen müssen. Dies gelte auch dann, wenn die weitere Abdichtung des Haussockels nicht im Auftrag des Beklagten gestanden habe. Da ein solcher Hinweis nicht erfolgt sei, hafte der Beklagte auch für die Folgen der mangelhaften Außenabdichtung.
Ferner sei die Verwendung der OSB-Platten als äußere Verkleidung der Holzkonstruktion als Putzträger eine Fehlplanung des Beklagten. Der Beklagte sei eigenmächtig von der Planung des Architekten abgewichen. Dass die Planung des Architekten ebenfalls fehlerhaft gewesen sei, ändere an der Haftung des Beklagten nichts. Dieser hätte auf die fehlerhafte Planung hinweisen und seinerseits eine ordnungsgemäße Ausführung vornehmen müssen. Außerdem ist es so, dass wenn Fehler einer Planung des Architekten dem Handwerker „ins Auge springen“ müssen, ein mögliches Mitverschulden auf Klägerseite infolge der Zurechnung des Planungsfehlers des Architekten grundsätzlich bereits ausscheide.
So war es hier. Der Beklagte hätte die fehlerhafte Planung erkennen müssen und können, sodass kein Raum für die Annahme eines Mitverschuldens der Kläger gegeben sei.
Ein Recht zur Nachbesserung habe der Beklagte ebenfalls nicht (mehr), da der Beklagte bezüglich der gerügten Mängel die Beseitigung vor Klageeinreichung schriftlich abgelehnt habe und im Hinblick auf die fehlerhafte Dachkonstruktion sich erst gerichtlich nach Anhörung des Sachverständigen habe überführen lassen müssen, bevor die Mangelbeseitigung angeboten worden sei. Zuvor seien sämtliche Mängel bestritten worden. In einem solchen Verhalten werde eindrucksvoll dokumentiert, dass der Beklagte die Mangelbeseitigung ablehne und einem Nacherfüllungsverlangen nicht nachgekommen wäre. Dann aber habe der Beklagte sein Recht zur Nachbesserung verloren. Des Weiteren habe der Beklagte auch im Rahmen der Vorschussklage gegenüber den Klägern auch die noch nicht anfallende Umsatzsteuer zu zahlen.

C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Celle wendet insgesamt einige Entscheidungen des BGH konsequent an. Nach dem BGH (vgl. Urt. v. 08.11.2007 – VII ZR 183/05) entspricht ein Werk nicht der vereinbarten Sollbeschaffenheit, wenn es nicht die vereinbarte Funktionstauglichkeit aufweist, die zur mangelfreien Herstellung notwendig ist. Wenn wie hier Tauwasser in der Konstruktion anfällt und zudem eine innenseitige Dampfbremse fehlt, ist die Werkleistung mangelhaft. Beruht ein Mangel darauf, dass der Beklagte seiner Hinweispflicht gegenüber einer fehlerhaften Planung nicht nachgekommen ist, obwohl er die Mangelhaftigkeit erkennen musste, tritt ein etwaiges Mitverschulden hinter dem Verschulden des Beklagten vollständig zurück (vgl. BGH, Urt. v. 11.10.1990 – VII ZR 228/89; OLG Bamberg, Urt. v. 10.06.2002 – 4 U 179/01 – BauR 2002, 1708). Dies gilt erst recht, wenn die eigenmächtige Planabweichung eine Funktionslosigkeit des Werks herbeiführt. Außerdem haftet der Beklagte auch für die Folgen des schutzlosen Sockelbereiches, da er seiner Hinweispflicht zum Schutz des Sockels nicht nachgekommen ist. Dies gilt auch dann, wenn die weiteren Außenabdichtungsarbeiten nicht beauftragt wurden. Der Beklagte hat es unterlassen, im Sockelbereich die Bitumenschicht zwischen der Bodenplatte und der Holzkonstruktion ordnungsgemäß ca. 30 cm zur weiteren Verwendung hochzuführen, so dass infolge der Schutzlosigkeit des Sockelbereichs und der eigenen mangelhaften Herstellung seiner Leistung der Beklagte mangels Erfüllung seiner Hinweispflicht der Schutzlosigkeit des Sockels haftet. Selbst wenn der Beklagte im vorliegenden Fall Bedenken angemeldet hätte, kann sich der Beklagte von den Rechtsfolgen seiner mangelhaften eigenen Leistung nicht durch einen Bedenkenhinweis befreien (vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 06.12.2012 – 1 U 107/11; BGH, Beschl. v. 17.09.2014 – VII ZR 17/13 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)). Sind die Kläger nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, steht infolge eines Vorschussanspruches den Klägern auch die Umsatzsteuer zu (vgl. BGH, Urt. v. 22.07.2010 – VII ZR 176/09).
Nicht so ohne weiteres aus dem Sachverhalt nachzuvollziehen ist es, dass der Beklagte im Hinblick auf die fehlerhafte Dachkonstruktion sein Recht zur Nachbesserung deswegen verloren habe, weil er die Mangelhaftigkeit zunächst bestritten habe und erst nach Beweisaufnahme die Nachbesserung anbot. Denn im Bestreiten von Mängeln im Verfahrensverlauf liegt gerade nicht ohne weiteres eine endgültige Erfüllungsverweigerung, denn das Bestreiten ist prozessuales Recht des Schuldners. Es müssen weitere Umstände hinzutreten, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Schuldner über das Bestreiten der Mängel hinaus bewusst und endgültig die Erfüllung seiner Vertragspflichten ablehnt, diesen unter keinen Umständen nachkommen will und es damit ausgeschlossen erscheint, dass er sich von einer Fristsetzung hätte oder werde umstimmen lassen (vgl. BGH, Urt. v. 29.06.2011 – VIII ZR 202/10; BGH, Urt. v. 21.12.2005 – VIII ZR 49/05). In der Entscheidung des OLG Celle (OLG Celle, Urt. v. 08.12.2016 – 6 U 50/16; BGH, Beschl. v. 13.09.2017 – VII ZR 9/17 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)) wurde im Einklang zum BGH ausgeführt, dass in dem Bestreiten eines Mangels im Prozess grundsätzlich keine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung liegt. Es ist nämlich der Taktik geschuldet, die Klärung der Frage des Mangels durch einen Sachverständigen herbeizuführen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Es zeigt sich anschaulich, dass ein Bestreiten der geltend gemachten Mängel im Prozess vorsichtig formuliert werden muss. Sofern Mängel noch nicht unter Fristsetzung gerügt worden sind, kann im Einklang mit der BGH Rechtsprechung zwar der Mangel zunächst bestritten werden, jedoch sollte spätestens nach durchgeführter Beweisaufnahme und Anhörung des Sachverständigen eine Nachbesserung angeboten werden. Außerdem wird festgestellt, dass ein Unternehmer die Planung auf offensichtliche Fehler untersuchen muss, damit er ggf. ordnungsgemäß Bedenken anmeldet. Abstand sollte ein Unternehmer davon nehmen, eine eigenständige Planungsverantwortung zu übernehmen. Dies jedenfalls dann – wenn wie hier – die Planung dann auch noch fehlerhaft ist.

Die richtige Ausübung des Nachbesserungsrechts
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