Nachfolgend ein Beitrag vom 17.11.2017 von Maya El-Auwad, Berlin. Die Autorin ist Rechtsassessorin. Sie ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Deutschen Anwaltverein, Berlin tätig:

Das Bundesverfassungsgericht hat der Beschwerde einer Assessorin stattgegeben, der die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Unwürdigkeit versagt wurde.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit heute veröffentlichtem Beschluss der Verfassungsbeschwerde einer Assessorin stattgegeben, der die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Unwürdigkeit versagt wurde: „Ein Bewerber kann nicht allein deswegen als unwürdig angesehen werden, weil sein Verhalten im beruflichen Umfeld oder im gesellschaftlichen Bereich auf Missfallen stößt“, heißt es in dem Beschluss (Beschl. v. 22.10.2017, Az. 1 BVR 1822/16).

Hintergrund der Verfassungsbeschwerde war ein zunächst von der Rechtsanwaltskammer Köln im Jahr 2015 ergangener Ablehnungsbescheid, mit dem der Assessorin die Zulassung zur Anwaltschaft, die sie bereits 2014 beantragt hatte, versagt wurde. Die Beschwerdeführerin hatte sich während ihres Referendariates aufgrund ihres Migrationshintergrundes ungerecht benotet gefühlt – und daraufhin zum verbalen Rundumschlag gegen ihren Ausbilder und – nachdem dieser Anzeige erstattet hatte – auch gegen die das Ermittlungsverfahren leitende Oberstaatsanwältin ausgeholt. Sie wurde wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteil. Nach Absolvieren ihres Zweiten Staatsexamens beantragte die Beschwerdeführerin dann die Zulassung zur Anwaltschaft – ohne Erfolg. Mit der Beleidigung ihres Einzelausbilders und später auch der Oberstaatsanwältin habe sie sich eines Verhaltens schuldig gemacht, das sie gemäß § 7 Nr. 5 BRAO unwürdig erscheinen lasse, den Beruf eines Rechtsanwalts auszuüben, begründete die Rechtsanwaltskammer (RAK) Köln ihre Ablehnungsentscheidung. Der Anwaltsgerichtshof Nordrhein-Westfalen sah das auch so und hatte die gegen den Bescheid gerichtete Klage abgewiesen, der BGH ließ eine Berufung nicht zu. Anders nun aber das Bundesverfassungsgericht: Die Ablehnung der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft sei zu Unrecht ergangen und stelle einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht auf freie Berufswahl dar, entschied das Gericht durch Kammerbeschluss.

Auch der Deutsche Anwaltverein hatte durch seinen Verfassungsrechtsausschuss und seinen Berufsrechtsausschuss bereits im Februar dieses Jahres zu dem Verfahren Stellung bezogen: Die Beleidigung ihres Ausbilders im Referendariat hätte unter keinem Gesichtspunkt zu einem Berufsverbot führen dürfen. Insbesondere könne ein Verhalten, das bei einem bereits zugelassenen Rechtsanwalt keinen Ausschluss aus der Rechtsanwaltschaft zur Folge hat, auch nicht den Versagungsgrund der Unwürdigkeit nach § 7 Nr. 5 BRAO begründen. Diesen Punkt scheint das Bundesverfassungsgericht anders zu sehen.

Auch die Bundesrechtsanwaltskammer hielt die Verfassungsbeschwerde für begründet.

Das Bundesverfassungsgericht folgt mit seiner Entscheidung im Wesentlichen den Ansichten des Deutschen Anwaltvereins, mit dem Unterschied, dass es nicht die Auffassung teilte, ein Berufsverbot sei unter „keinen Umständen“ möglich. Rechtsanwaltskammer (RAK) Köln und Anwaltsgerichtshof hätten aber bei der Auslegung und Anwendung des § 7 Nr. 5 BRAO die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG nicht hinreichend beachtet.

Damit bleibt ein fader Beigeschmack: Das Gericht hätte der Beschwerdeführerin, die seit fast drei Jahren gegen die Ablehnung kämpft, die Zulassung auch direkt erteilen können. Dafür fehlte aber offensichtlich die Kraft. Stattdessen entschied das Gericht sich dafür, das Verfahren an den Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen zurückzuverweisen. Für die Beschwerdeführerin heißt es deshalb weiter warten. Die Rechtsanwaltskammer (RAK) Köln hat bereits angekündigt, weiter gegen die Zulassung der Beschwerdeführerin zu kämpfen: „Jetzt wird die erneute Verhandlung vor dem Anwaltsgerichtshof in Hamm zeigen, wie weiter zu verfahren ist. Hier müssen Rechtsanwaltskammer und Anwaltsgerichtshof noch weitere Ausführungen und Feststellungen treffen“, teilt die Rechtsanwaltskammer (RAK) Köln in einer Stellungnahme mit.

Berufsfreiheit siegt: Kein Berufsverbot als Anwältin wegen Ausbilderbeleidigung
Birgit OehlmannRechtsanwältin
  • Fachanwältin für Erbrecht
  • Zertifizierte Testamentsvollstreckerin (AGT)

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