Sponsored by OEHLMANN
München. Am vergangenen Wochenende war es soweit. Donnerstag Anreise nach München zur BMW-Welt, Fahrzeugübernahme, technische Abnahme, Fahrer-Briefing usw. Ich hatte mir ja den Rover Bugatti aus 1933 augesucht. Davon wurden weltweit nur 3 Stück gebaut, einer ist verschollen, einer befindet sich in einer Sammlung in den USA und den dritten sollte ich fahren. Ich bin noch nie vorher ein Vorkriegsfahrzeug gefahren, dem entsprechend gespannt war ich. Bremsen nur per Seilzug, auf die Hinterräder wirkend, Pedalerie und Fußraum extrem eng stehend. Getriebe null Synchronisation. Lenkrad in Wagenradgröße ist untertrieben. Ich hatte kurzzeitig daran gedacht, mir beide Unterschenkel amputieren zu lassen, weil ich exakt um diese Zentimeter zu groß für das Fahrzeug war. Der Eigentümer, der mir das Fahrzeug aus seinem Pool für die Rallye zur Verfügung gestellt hat, hat einen Schock bekommen, als er mich sah, da ich viel zu groß für das Fahrzeug sei. Und wo ich denn die Fahrerschuhe hätte. Mit normalem Schuhwerk würde ich alle 3 Pedale gleichzeitig treten. Toll, bescheidene Vorbereitung von mir. Ok, das wäre doch gelacht, wenn ich das nicht hinbekomme. Gesagt, getan, rein ins Auto, natürlich Rechtslenker, dafür keine Scheibenwischer. Wer braucht schon Scheibenwischer? Wer braucht überhaupt Fenster? Außer der kleinen Frontscheibe war da sowieso nichts. Wer braucht überhaupt irgend etwas? Tatsächlich lief die Probefahrt überraschend gut, die den Ausschlag gab, dass er mir das Fahrzeug trotz widriger Wetterbedingungen anvertraute. Verdeckmontage im übrigen nur möglich mit externem Mechaniker, Dauer ca. 30 Minuten. Es durfte also nicht ernsthaft regnen.
Na ja, dann kam die erste Überraschung: Auf unserer ersten Etappe nach Altötting waren wolkenbruchartige Regenfälle angesagt, Mitteilung kam kurz vor dem Start. Hektischer Austausch verschiedener Teilnehmer untereinander, einige montierten noch ein Verdeck, andere machten sich lustig und bezeichneten die Verdeckfahrer und Fahrer von Fahrzeugen nach dem Krieg allesamt als Warmduscher. Einige Starter ließen die Etappe aus, soweit ich das mitbekommen habe und ich? Na ja, ich hatte meiner Co-Pilotin noch etwas zu erklären. Ich hatte ihr nicht gesagt, was es heißt, in einem Vorkriegsauto zu fahren. Ich hatte ihr eine schöne Cabrioausfahrt durch traumhafte Straßen über Altötting ins Salzkammergut und in die Steiermark versprochen. Wellensteyn-Jacke hatte sie ja mit, aber keinen Neoprenanzug und auch keine Gummistiefel. Aber das Problem löste sich, denn ich erhielt mit dem Fahrzeug aus Sicherheitsgründen Startverbot. Neben Starkregen, fehelendem Scheibenwischer und Verdeck, kam noch der Umstand hinzu, dass der Rover Bugatti nur über Seilzug betätigte Hinterradbremsen verfügte. Und in den Bergen soll Schnee gefallen sein. Ich wechselte das Fahrzeug mit Hilfe des Veranstalters zu einem Nachkriegsauto mit reinrassiger Vorkriegstechnik, einem MG TD mit der Startnummer 52, der als Pressefahrzeug mitfahren sollte. Die Pressevertreter sind aber dann lieber in einem X5 Orga-Fahrzeug mitgefahren, weil auch der MG TD nur über ein Verdeck vergleichbar einem Tangaslip verfügte, natürlich keine Seitenscheiben, tiefe Türen wie beim Morgan +8. Wie wir später feststellen mussten, ging durch die Nässe weder die Hupe, noch die Scheinwerfer, der Scheibenwischer, die Blinker oder sonst irgend etwas, mit dem wir uns hätten bemerkbar machen können. Schnell wurde der MG TD umgelabelt, das heißt die Startnummern getauscht und los ging es. Ich war den vor dem Start nicht einen Meter mit dem Fahrzeug gefahren…
Jedenfalls stellte ich fest, dass die ganze Vorbereitung durch den Fahrzeugwechsel Makkulatur war, nix mehr mit Doppeltripmaster auf km-Basis, sondern schlicht ein englischer Meilentacho, der so außerhalb meines Sichtfeldes angebracht war, dass ich immer mein Knie küssen musste, um ihn zu sehen. Beleuchtet war er natürlich auch nicht und war sofort beschlagen. Der Regen drang durch das Verdeck vorne ein, da war ein 1 cm Spalt zwischen der Scheibe und dem Verdeck. Es tropfte, nein es lief ein stetiger Bach über das Armaturenbrett auf mein rechtes Bein. Wenn man so eine Rallye mit fährt, ist ja das Roadbook das entscheidende Utensil. Man weiß zwar, wo das jeweilige Etappen-Ziel liegt, aber eben nicht den Weg dorthin. Der ist mit sog. Chinesen-Zeichen und km-Angaben mit 2 Stellen hinter dem Komma vorgegeben. Toll! Und das bei dem Meilentacho, den wir im 1Meilen-Abstand immer wieder neu abgeglichen haben, denn mal war die Abweichung 10% in die eine Richtung und mal in die andere Richtung. Ich kann mich nicht erinnern, innerhalb so kurzer Zeit einmal so viele Rechenoperationen im Kopf ausgeführt zu haben. Es erfüllt einen mit großer Dankbarkeit, wenn man zumindest eine Nachkommastelle ablesen kann und die nicht auch noch schätzen muss. Umgekehrt wird der Zorn ziemlich groß, wenn man wegen der Feuchtigkeit nichts mehr ablesen kann. Aber auch da erfährt man eigene Demut, dann nämlich, wenn man sich bereits 1,5 km vom Start das erste Mal verfährt. Und das mit dem Roadbook macht auch Sinn, wenn es mit einem Tintenstrahldrucker ausgedruckt wird und wir Hektoliter Wasser ins Auto bekamen.
Und wenn einen dann die LKWs links und rechts überholen, weil die Karre eben keine 100 fährt und bei jedem Überholvorgang ein Schwall Wasser in den Innenraum kommt, muss man schon kerngesund sein und die Ehe auch. Wir haben uns dann relativ schnell geeinigt, dass wir unter die letzten 10 wollen und eigentlich nur ankommen. Nachdem wir dann wieder zur Route zurück gefunden hatten, waren wir 46 Minuten hinter der Idealzeit zurück, völlig durchnässt und durchgefroren. Dann überholten wir den ersten Rallyeteilnehmer, der mit defekter Zylinderkopfdichtung am Straßenrand stand, ein wunderschöner 3.200 CS Bertone, dessen thermische Probleme ich schon in der Startaufstellung bemerkt hatte. Da waren wir schon Drittletzter, denn einen Austin Healey hatte es bereits 200m nach dem Start ins technische Aus befördert. Aber Respekt: BMW Classic hatte binnen 10 Minuten der Fahrerpaarung ein anderes Fahrzeug besorgt, ohne irgend eine Verpflichtung, irgend einen Vertrag oder ähnliches. Mit einem Lächeln und der Aussage „Have fun“ ohne viel Federlesen gehandelt. Absolut großes Kino von BMW!! Und ich bin ja eigentlich so gar kein Fan der weißblauen Marke, zumindest nicht der aktuellen Modelle, einen 3.0 CSL würde ich natürlich niemals stehen lassen.
Aber zurück zu dem Bertone: Da wir ja sowieso hinten waren, kann man auch großzügig sein. Wir also angehalten und gefragt, ob Hilfe möglich sei, ja, wir seien ja quasi die einzigen, die angehalten hätten. Abschleppwagen sei unterwegs, das Auto sei doch nur geliehen, aber Ersatz sei schon unterwegs. Irgendwie rechnen die ja alle bei einer solchen Rallye mit einer Ausfallquote von bis zu 20%, erzählte mir später der Veranstalter und da unterscheide sich die Arabella Classics von anderen Veranstaltungen dieser Art: Da man sehr um das Wohl der Gäste bemüht sei und der motorsportliche Aspekt nicht so sehr im Vordergrund stehe, vielmehr der Charakter einer anspruchsvollen Ausfahrt mit noblen Unterkünften und dem entsprechender Verpflegung und Rahmenprogramm, habe man für derartige Fälle mit einigen Ersatzfahrzeugen vorgesorgt. Auch sehr großes Kino.
Wir also – völlig durchnässt, aber lächelnd – auf der vorgegebenen Route weiter gefahren. Es war durchaus letzte Rille, leider waren alle Kontrollpunkte mit Stempeln und Schildern sowie Sonderprüfungen schon abgebaut, als wir da durchkamen, denn der Abbau erfolgt bereits 15 Minuten, nachdem der letzte Starter rechnerisch in Idealzeit dort hätte ankommen müssen. Und mir fehlten immer noch 20 Minuten, um in das Zeitfenster wieder rein zu kommen. Blöderweise sind wir als 62. von 70 Fahrzeugen gestartet, sodass wir nach hinten gar keine Luft mehr hatten. Einen Bonus für das nahezu geringst motorisierte Auto hatten wir auch nicht. Aber ich gebe erst auf, wenn wir kein Rad mehr haben. Einige Stoßseufzer und auch kleinere Schreie kamen schon vom Beifahrersitz, denn Reifen in der Breite von Bierdeckeln, gepaart mit Trommelbremsen vorne und hinten, Starrachsen und Blattfedern sind insbesondere bei Regen durchaus eine Herausforderung. Ich gebe zu, dass der eine oder andere Drift dabei war und auf einer Schotterstrecke/Feldweg gab es auch eine kleine Sprungkuppe, da gab es einen größeren Schrei. Altötting kam im Roadbook näher (es gab auch eine degressive Spalte) und siehe da, es tauchte der nächste Teilnehmer auf, ein 2.500 CS mit Automatic in hellblaumetallic, wunderschönes Fahrzeug. Der hatte sich verfahren, hatte wieder auf die Strecke zurück gefunden und gab das Tempo vor. Ich habe ihn gehalten! Er war nur 4 Sekunden vor mir im Etappen-Ziel in Altötting.
Dort gab es ein richtiges Fahrerlager mit Seezungen-Röllchen und anderen Leckereien. Wenigstens hatten sie das noch nicht abgebaut. Im Etappen-Ziel hatten wir dann nur noch 26 Minuten Zeitverzug zur Idealzeit( d.h. 11 Minuten bis zur „Öffnung“ des Zeitfensters). Tausende von Zuschauern bejubelten unsere Einfahrt, wir waren die einzigen, deren Auto nach Rallye aussah, und wir als Fahrer und Beifahrer auch (komplett verdreckt das Auto und wir). Die Fernsehreporterin wollte uns befragen und hielt mir ein Mikro hin, ich hielt ihr daraufhin meine Hand hin. Sie gab sie mir dann etwas überrascht. Ich widersprach und sagte, nein Mädel, nicht Hand geben, raus helfen! Und das ganze lief über die Großleinwand. Konnte ich doch nicht wissen. Als ich mich dann aus dem Auto gefaltet hatte, konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Von da aus ging es dann weiter nach Fuschl zum Fuschl-See, nächstes Etappenziel war Schloss Fuschl, da haben sie wohl die Sissi-Filme gedreht. Kitsch pur und – wirklich- ein absoluter Traum
Auch die zweite Etappe nach Fuschl war eine reinrassige Regenetappe. In Altötting hat uns ja der Bischof noch gesegnet und jedem einzelnen Teilnehmer der Rallye persönlich alles Gute bei der Weiterfahrt gewünscht und die Hand gegeben. Irgendwie hat der himmlische Beistand die gegenteilige Wirkung gehabt, aber ich möchte jetzt nicht über das gestörte Funknetz vom lieben Gott zu seinen irdischen Vertretern philosophieren und irgendwie könnte man mir dann auch blasphemische Züge unterstellen, aber der Anstand gebietet – sagen wir mal – beredtes Schweigen. Am nächsten Morgen wurde dann die dritte Etappe gestartet, es ging zu dem Schwesterhotel Schloss Pichlarn, auch ein solches absolutes Luxushotel aus der Arabella-Gruppe. Dort jedenfalls wurde Rallye-Geschichte geschrieben. Ein Journalist aus Hamburg, der mit seinem Beifahrer einen super seltenen Schlüter BMW aus den 30ern bewegte, auch offen natürlich, war wie wir auch so durchgefroren, dass er die Sitzflächen aus dem BMW ausbaute und nebst Beifahrer und mit voller Montur und den Sitzkissen in die Hotelsauna ging und sich dort mit 2 splitterfasernackten weiblichen Hotelgästen in den „späten 50ern“ angeregt unterhielt. Der hatte mit gar nichts zu tun. Das hätte ich mir ja nicht mal getraut. So entstehen Legenden. Ich weiß ja nicht, wie die Story in ein paar Jahren erzählt wird …
Anschließend ging es nach Organisation des Abschleppens wieder zum Schloss Fuschl mit Galadinner und so weiter. Alkohol gab es auch! Das Interview haben sie bereits am Galaabend auf dem PC gezeigt. Sonntag früh absolutes Kaiserwetter: Strahlender Sonnenschein und 22 Grad. Schon am Abend vorher hatte es aufgerissen und die Sonne kam durch. Wie ungerecht ist das denn? Blöder Bischof. Da ich ja einen ganz guten Draht zu dem Organisator hatte und einen noch besseren zu dem, dessen Auto ich kaputt gefahren hatte – keine Ironie – habe ich uns für die Rückfahrt, die wir ansonsten im Zug oder so hätten antreten müssen, ein Orga-Fahrzeug besorgt, einen hübschen Ford Mustang Mach I. Und den habe ich dann über Salzburg und Traunstein am Chiemsee entlang zurück nach München chauffiert, ordentlich abgeliefert und dann in den Pajero meiner Frau gewechselt. An der ersten Ampel habe ich dann aus Versehen eine Vollbremsung hingelegt, obwohl ich doch nur normal gebremst habe. Man glaubt gar nicht, was für eine Fahrzeugentwicklung in den letzten Jahrzehnten stattgefunden hat.