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Nachfolgend veröffentliche ich einen Beitrag von Iris Henning vom 20. Januar 2014

Die wilden Vögel fliegen

Gefeierte 3K-Premiere: „Die letzte Zigarre“ ist ein schwarz-humoriges Stück über eine vertrocknete Ehe, Leidenschaft und Peinlichkeit

Von Iris Henning

Mühlhausen. Da steht er am Fenster, raucht heimlich seine dicke Zigarre und jammert den verpassten Gelegenheiten hinterher. Ragnar (Thomas Döring) , der pensionierte Schuldirektor, wollte sich eigentlich auf sein schulfrei freuen. So wie damals. Als er Schüler war und die Ferien ihm jedes mal das Gefühl der großen Freiheit gaben, zum Beispiel, diesem „Affenkäfig“, der Kleinstadt, zu entfliehen.

Heute darf er in diesem „Affenkäfig“ noch nicht mal eine Zigarre oder einen Whisky genießen – und Schweinebraten gibt es auch nicht. Annelie (Erika Apel), seit Jahrzehnten sein Eheweib, verbietet ihm wegen seiner labilen Gesundheit diese Genüsse. Zudem ist sie eine scharfzüngige Hausarbeits-Maschine, die mit boshaftem Vergnügen jede Nichtigkeit für verbale Giftpfeile nutzt. Je schmerzvoller die treffen, desto besser.

Aber Ragnar ist ebenfalls nicht ohne. Auch er genießt es sichtlich, seiner Frau das Zusammenleben schwer zu machen. Ihre Ehe ist längst vermodert, Lust und Leidenschaft sind vertrocknet. Mit Folgen: Ragnar lässt sich von Zeitschriften in seinen sexuellen Phantasien beflügeln, Annelie hat eine leidenschaftliche Affäre mit dem besten Freund des Hauses, mit Helge, dem Pfarrer der Kleinstadt.

Doch irgendwann dreht Ragnar am Rad und startet ein Experiment. Wohl gehütete Geheimnisse werden daraufhin gelüftet. Sehnsüchte, Ängste und Träume kommen ebenso ans Licht wie ungebremste Leidenschaft und Affären jenseits der jungen Jahre. Dass es Liebe, Sex und Peinlichkeiten noch im Pensionsalter gibt, muss auch Helges Tochter (Lena Kolle) akzeptieren. „Das hört nie auf“, sind Annelies Worte an die junge Frau.

„Die letzte Zigarre“ ist ein wunderbar humorvolles Gewirr aus Egoismus, Rücksicht, Pflichtbewusstsein und einem vermeintlich nahen Tod, in dem pikant und charmant bewiesen wird, dass es auch im 60-plus-Alter nie zu spät sein kann, sein Leben in die Hand zu nehmen. Ragnars Biologen-Motto bewahrheitet sich: „Nur die zahmen Vögel verspüren die Sehnsucht. Die wilden – fliegen“.

„Die letzte Zigarre“ zeigt auf großartige Weise und mit gehörigem schwarzen Humor ein Stück Lebenswirklichkeit, wie sie vor allem den Beziehungserfahrenen nicht fremd sein dürfte. In keiner Szene wirkt das Stück dabei peinlich oder gar moralisierend. Es ist ein sich steigerndes Vergnügen, mit dem Abstand des Zuschauers diese Balance zwischen menschlicher Komödie und Tragödie zu beobachten.

Irgendwie sind all die Situationen auch nicht fremd. Solche Konflikte könnten sowohl hinter der verschlossenen Tür des Nachbarn ausgetragen werden als auch in der eigenen Wohnstube – was man natürlich niemals zugeben würde.

„Da gibt es Dinge, von denen wohl jeder sagen könnte: ‚Ja, so ist das. Das stimmt’“, ist die Ansicht von Spielleiter Bernhard Ohnesorge über das Kammerstück des schwedischen Autors Bengt Ahlfors.

Mit immenser Spielfreude sind auch die Akteure des Stücks „Die letzte Zigarre“ dabei: „Es macht unglaublich Spaß, den pensionierten Lehrer zu geben, der bedauert, dieses oder jenes nicht gemacht zu haben. So denkt doch jeder mal“, fühlt sich Thomas Döring in der richtigen Rolle. „Am schönsten sind Ehekrach-Szenen, wenn die kleinen Gemeinheiten ausgeteilt werden “, sieht sich Erika Apel gut positioniert. Michael Kost findet es am spannendsten, als gesellschaftlich-ehrenwerter Pfarrer sein schwarzes Geheimnis zu bewahren. Lena Kolle, mit 18 Jahren die jüngste Spielerin in dem Stück, gefallen die prickelnden Situationen in dem Stück besonders.

„Die letzte Zigarre“ ist die 86. Inszenierung der 3K-Theaterwerkstatt, für die sich am Samstagabend der Premierevorhang hob. Mit anhaltendem Applaus lobte das Publikum das temporeiche Spiel.

Die nächste Vorstellung findet am Freitag, 24. Januar, 20 Uhr, in der 3K-Spielstätte Kilianikirche, Unter der Linde 7, statt.