Nachfolgend ein Beitrag vom 11.9.2017 von Steinhauff, jurisPR-SteuerR 37/2017 Anm. 2
Leitsätze
1. Ein Veräußerungsgewinn aus dem Wegfall eines negativen Kapitalkontos in Folge der Auflösung einer KG ist auch im Anwendungsbereich des § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG (nunmehr § 52 Abs. 24 Satz 3 EStG) erst in dem Zeitpunkt realisiert, in dem feststeht, dass das negative Kapitalkonto nicht mehr durch Gewinne oder Einlageforderungen aufgefüllt werden kann.
2. Ein Tatbestandsberichtigungsantrag ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses abzulehnen, wenn die zu berichtigende Feststellung nicht entscheidungserheblich war.
A. Problemstellung
Der BFH bestätigt die Rechtsprechung zum Ansatz und insbesondere zum Zeitpunkt der Realisierung eines tarifbegünstigten Veräußerungsgewinns infolge Wegfalls eines negativen Kapitalkontos eines Kommanditisten nach Auflösung der KG. Außerdem nimmt er zu den sachlichen und zeitlichen Voraussetzungen der Anwendung der Regelungen in § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG a.F. – nunmehr § 52 Abs. 24 Satz 3 EStG – sowie § 15a Sätze 1 und 2 BerlinFG sowie zu den Konkurrenzen zwischen diesen Spezialvorschriften einerseits und zu dem in gefestigter Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Grundsatz zur Besteuerung eines Veräußerungsgewinns aufgrund Wegfalls eines negativen Kapitalkontos Stellung.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über den Nachlass des verstorbenen D, der als Kommanditist an der A-GmbH & Co. KG i.L., der Beigeladenen, beteiligt war. Die Beigeladene war ein im Jahre 1980 gegründeter, mit öffentlichen Mitteln geförderter Immobilienfonds. Zum Vermögen der Beigeladenen gehörten im Wesentlichen die in Berlin belegenen Grundstücke F-Straße und J-Straße, auf denen sie mehrere Wohngebäude im öffentlich geförderten Wohnungsbau zum Zwecke der Vermietung errichtet hatte. Für die Wohngebäude nahm die Beigeladene erhöhte Abschreibungen nach § 14a BerlinFG in Anspruch.
Aus der Vermietung der Wohngebäude erwirtschaftete die Beigeladene erhebliche Verluste, die den Gesellschaftern, u.a. auch dem Gesellschafter D, entsprechend ihrer Beteiligung zugerechnet wurden. Die Verluste waren überwiegend ausgleichsfähig und nur teilweise gemäß § 15a EStG verrechenbar.
Im September 2006 wurde über das Vermögen der Beigeladenen das Insolvenzverfahren eröffnet. Eine Sanierung der Beigeladenen war nicht vorgesehen. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens wurden die beiden Grundstücke veräußert.
Da zunächst weder die Insolvenzverwalterin noch die Kommanditisten Feststellungserklärungen und Jahresabschlüsse für die Jahre ab 2006 eingereicht hatten, schätzte das beklagte Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen. Dabei ging es davon aus, dass die Beigeladene in den Jahren 2006 bis 2008 aus der Vermietung weder einen Gewinn noch einen Verlust erzielt habe und die Kapitalkonten seit dem 31.12.2005 daher unverändert seien. Mit dem Feststellungsbescheid für 2008 (Streitjahr) stellte das Finanzamt einen laufenden Gewinn i.H.v. 0 Euro sowie daneben einen Veräußerungsgewinn fest. Letzterer resultiere aus dem Wegfall der negativen Kapitalkonten der Kommanditisten, da deren Ausgleich mit zukünftigen Gewinnen nicht mehr in Betracht komme, nachdem beide Grundstücke in den Jahren 2008 bzw. 2009 unter Buchwert veräußert worden seien.
Mit der Klage wandte sich D gegen die Feststellung des Veräußerungsgewinns. Dieser sei im Streitjahr schon deshalb nicht zu erfassen, da zum Bilanzstichtag noch nicht festgestanden habe, dass ein Ausgleich der negativen Kapitalkonten mit künftigen Gewinnen ausgeschlossen sei. Während des Klageverfahrens ist D verstorben. Die Ehefrau und die Kinder haben als Erben den Rechtsstreit zunächst aufgenommen und in der Folge die Nachlassinsolvenz erklärt. Der Kläger ist als Insolvenzverwalter bestellt worden und hat das Klageverfahren aufgenommen. Das Nachlassinsolvenzverfahren ist noch nicht beendet.
Ebenfalls während des Klageverfahrens hat das Finanzamt einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid erlassen, in dem für D ein niedrigerer Veräußerungsgewinn festgestellt wurde. Die Änderung basierte auf einer Neuberechnung des Buchwerts des Grundstücks J-Straße im Zeitpunkt der Veräußerung. Dadurch ergab sich ein Veräußerungsgewinn, der zu einem teilweisen Wegfall der negativen Kapitalkonten führte.
Das Finanzgericht gab der Klage statt (FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.12.2014 – 15 K 15155/14 – EFG 2015, 1268). Der BFH wies die Revision des Finanzamts als unbegründet zurück. Er führte zur Begründung aus:
I. Scheide ein Kommanditist oder ein anderer Mitunternehmer, dessen Haftung der eines Kommanditisten vergleichbar sei und dessen Kapitalkonto in der Steuerbilanz der Gesellschaft aufgrund von ausgleichs- oder abzugsfähigen Verlusten negativ geworden sei, aus der Gesellschaft aus oder werde in einem solchen Fall die Gesellschaft aufgelöst, so gelte der Betrag, den der Mitunternehmer nicht ausgleichen müsse, als Veräußerungsgewinn i.S.d. § 16 EStG (§ 52 Abs. 33 Satz 3 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung, nunmehr § 52 Abs. 24 Satz 3 EStG n.F., vormals § 52 Abs. 20a Satz 4, Abs. 21 Satz 4 bzw. Abs. 19 Satz 4 EStG a.F.).
Gemäß § 52 Abs. 19 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Satz 3 Nr. 2 EStG 1998 sei § 15a EStG erst für Verluste, die nach dem 31.12.1994 entstanden seien, anwendbar, wenn wie im Streitfall die Verluste im Zusammenhang mit der Errichtung und der Verwaltung von Gebäuden entstünden, die mit öffentlichen Mitteln i.S.d. § 6 Abs. 1 oder nach § 88 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (WoBauG 2) gefördert worden seien.
II. Eine teilweise deckungsgleiche Regelung enthalte § 15a Satz 2 BerlinFG. Scheide ein Mitunternehmer, dessen Kapitalkonto in der Steuerbilanz der Gesellschaft aufgrund von nach Satz 1 ausgleichs- oder abzugsfähigen Verlusten negativ geworden sei, aus der Gesellschaft aus oder werde in einem solchen Fall die Gesellschaft aufgelöst, so gelte der Betrag, den der Mitunternehmer nicht ausgleichen müsse, als Veräußerungsgewinn i.S.d. § 16 EStG. Unter § 15a Satz 1 BerlinFG fielen u.a. Verluste bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb, die auf der Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen nach den §§ 14, 14a bis 14d oder 15 BerlinFG beruhten. Gemäß § 31 Abs. 10 BerlinFG sei § 15a BerlinFG erstmals für das Wirtschaftsjahr anzuwenden, für das § 15a EStG erstmals anzuwenden sei. Beide Regelungen, die zeitgleich durch das Gesetz zur Änderung des EStG, des KStG und anderer Gesetze (EStG/KStG1977uaÄndG v. 20.08.1980 – BGBl I 1980, 1545) beschlossen worden seien, stünden in keinem Ausschlussverhältnis. Vielmehr werde der Anwendungsbereich der tatbestandlich weiter gefassten Regelung in § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG durch die speziellere Regelung des § 15a Satz 2 BerlinFG nur insoweit verdrängt, als dort für Wirtschaftsjahre ab dem 01.01.1995 der Ansatz eines Veräußerungsgewinns angeordnet werde, soweit das Kapitalkonto durch ausgleichs- oder abzugsfähige Verluste, die auf der Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen nach dem BerlinFG beruhten, negativ geworden sei. Soweit das Kapitalkonto daneben auch aufgrund von ausgleichs- oder abzugsfähigen Verlusten, die nicht auf der Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen nach dem BerlinFG beruhten, negativ geworden sei, komme § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG zur Anwendung.
Allerdings könne nach gefestigter Rechtsprechung der bloße Wegfall der Gewinnerzielungsmöglichkeit bei einer Personengesellschaft zur Nachversteuerung negativer Kapitalkonten der Kommanditisten führen, ohne dass die Voraussetzungen des § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG bzw. § 15a BerlinFG – Ausscheiden des Kommanditisten aus der fortbestehenden KG oder Auflösung der KG – erfüllt sein müssten (BFH, Großer Senat, Beschl. v. 10.11.1980 – GrS 1/79 – BStBl II 1981, 164).
III. Seien jedoch, wie im Streitfall, auch die Voraussetzungen des § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG bzw. des § 15a BerlinFG erfüllt, so habe die ausdrückliche gesetzliche Regelung Vorrang (BFH, Urt. v. 11.08.1994 – IV R 124/92 Rn. 14 – BStBl II 1995, 253).
§ 52 Abs. 33 Satz 3 EStG und ebenso § 15a Satz 2 BerlinFG seien auch auf die Nachversteuerung negativer Kapitalkonten anzuwenden, die auf Verlusten beruhten, auf die § 15a EStG bzw. § 15a BerlinFG noch nicht anzuwenden gewesen seien (so ausdrücklich im Gesetzentwurf der Bundesregierung zur erstmaligen Einführung des § 52 Abs. 20a Satz 4 EStG im EStG/KStG1977uaÄndG; BT-Drs. 8/3648, S. 26). Dies ergebe sich bereits daraus, dass beide Vorschriften keinen entsprechenden Vorbehalt enthielten, sondern ganz allgemein daran anknüpften, dass negative Kapitalkonten durch ausgleichs- oder abzugsfähige Verluste entstanden seien. Dies könne auf Verlusten beruhen, die aufgrund der zeitlichen Anwendungsvorschriften zu § 15a EStG und § 15a BerlinFG noch hätten ausgeglichen oder abgezogen werden können. Grundlage dafür könnten auch Verluste sein, die außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 15a EStG vor 1980 entstanden seien, oder Verluste gemäß § 52 Abs. 19 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Satz 3 Nr. 2 EStG a.F. im Zusammenhang mit der Errichtung und der Verwaltung von Gebäuden, die mit öffentlichen Mitteln i.S.d. § 6 Abs. 1 oder nach § 88 WoBauG 2 (wie im Streitfall) gefördert worden seien, die vor 1995 entstanden seien (so bereits für § 52 Abs. 21 Satz 4 EStG a.F.: vgl. BFH, Urt. v. 11.08.1994 – IV R 124/92 – BStBl II 1995, 253).
IV. Wann der Veräußerungsgewinn infolge des Ausscheidens des Kommanditisten aus der fortbestehenden KG oder infolge der Auflösung der KG entstehe, regelten weder § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG noch § 15a Satz 2 BerlinFG. Der Zeitpunkt, in dem der Veräußerungsgewinn steuerrechtlich erzielt worden sei, richte sich daher nach den allgemeinen Gewinnrealisierungsgrundsätzen im Rahmen der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich, insbesondere dem Realisationsprinzip (vgl. für die Realisierung des Auflösungsgewinns gemäß § 17 Abs. 4 EStG BFH, Urt. v. 01.07.2014 – IX R 47/13 – BStBl II 2014, 786 m.w.N.; Anm. Dötsch, jurisPR-SteuerR 42/2014 Anm. 4). Der Veräußerungsgewinn im Anwendungsbereich von § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG und § 15a Satz 2 BerlinFG sei danach in der Schlussbilanz desjenigen Wirtschaftsjahres zu erfassen, in dem feststehe, dass der Kommanditist zum Ausgleich des negativen Kapitalkontos nicht (mehr) verpflichtet sei. Davon sei auszugehen, wenn endgültig feststeht, dass mit zukünftigen Gewinnen oder mit sonstigen Einlageforderungen, mit denen das negative Kapitalkonto aufgefüllt werden könnte, nicht mehr zu rechnen sei (vgl. zu der Erfassung des Wegfallgewinns ohne die Auflösung der Gesellschaft: BFH, Großer Senat, Beschl. v. 10.11.1980 – GrS 1/79 – BStBl II 1981, 164). Der Veräußerungsgewinn sei daher frühestens in dem Veranlagungszeitraum, in dem der Mitunternehmer aus der Gesellschaft ausscheide oder in den die Auflösung der Gesellschaft falle, zu erfassen.
V. Werde die Gesellschaft wie im Streitfall durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst, werde der Veräußerungsgewinn regelmäßig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation der Gesellschaft oder, soweit die Gesellschaft ihren Gewerbebetrieb schon vor dem Abschluss des Insolvenzverfahrens einstelle, im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe realisiert (vgl. BFH, Großer Senat, Beschl. v. 10.11.1980 – GrS 1/79 – BStBl II 1981, 164). Der Veräußerungsgewinn aufgrund der Auflösung der Gesellschaft (infolge der Insolvenzeröffnung) sei daher zu einem früheren Bilanzstichtag ausnahmsweise nur dann realisiert, wenn zu diesem Bilanzstichtag feststehe, dass eine Auffüllung des negativen Kapitalkontos durch den Kommanditisten unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr in Betracht kommen werde.
VI. Ob der Veräußerungsgewinn gemäß § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG oder gemäß § 15a Satz 2 BerlinFG schon in der Schlussbilanz des Wirtschaftsjahres der Auflösung der Gesellschaft zu erfassen sei, richtet sich nach den Erkenntnissen am Bilanzstichtag. Es müssten danach zum Bilanzstichtag Tatsachen vorliegen, die den Rückschluss darauf zuließen, dass eine Auffüllung des negativen Kapitalkontos durch den Kommanditisten unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr in Betracht kommen werde. Grundsätzlich könnten allerdings wertaufhellende Tatsachen nach dem Bilanzstichtag bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bilanz im ordnungsgemäßen Geschäftsgang (§ 243 Abs. 3 HGB) aufzustellen gewesen wäre, berücksichtigt werden (BFH, Urt. v. 22.08.2012 – X R 23/10 Rn. 19 – BStBl II 2013, 76; Anm. Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 49/2012 Anm. 1). Nicht zu berücksichtigen seien demgegenüber neue, sog. wertbegründende Tatsachen.
VII. Auf die Erkenntnisse am Bilanzstichtag sei ebenfalls abzustellen, wenn, wie im Streitfall, ein Jahresabschluss nicht vorgelegt werde, der Gewinnfeststellungsbescheid daher auf einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen beruhe. Denn dieser Schätzung liege eine fiktiv fortgeführte Gesellschaftsbilanz zugrunde (BFH, Urt. v. 12.10.1993 – VIII R 86/90 – BStBl II 1994, 174).
Wie das Finanzamt selber einräume, habe zum Bilanzstichtag, dem 31.12.2008, noch nicht festgestanden, dass eine Auffüllung des negativen Kapitalkontos durch den Kommanditisten unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr in Betracht kommen würde. Zum maßgeblichen Stichtag sei unter Berücksichtigung des von der Insolvenzverwalterin der Beigeladenen geschätzten Teilwerts des Grundstücks J-Straße mit einem Veräußerungsgewinn zu rechnen gewesen, der zu einem teilweisen Ausgleich der negativen Kapitalkonten der Kommanditisten führen würde. Selbst unter „wertaufhellender“ Berücksichtigung des durch den Verkauf im Jahr 2009 tatsächlich erzielten niedrigeren Kaufpreises habe sich immer noch ein Veräußerungsgewinn ergeben, der ebenfalls teilweise zum Ausgleich des negativen Kapitalkontos geführt habe.
C. Kontext der Entscheidung
I. Einem Kommanditisten, dessen gesellschaftsrechtliche Stellung sich im Innen- und Außenverhältnis nach den Vorschriften des HGB, insbesondere des § 167 Abs. 3 HGB, bestimmt, ist ein Verlustanteil, der nach dem allgemeinen Gewinn- und Verlustverteilungsschlüssel der KG auf ihn entfällt, einkommensteuerrechtlich auch insoweit zuzurechnen, als er in einer den einkommensteuerrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften entsprechenden Bilanz der KG zu einem negativen Kapitalkonto des Kommanditisten führen würde. Dies gilt nicht, soweit bei Aufstellung der Bilanz nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag feststeht, dass ein Ausgleich des negativen Kapitalkontos mit künftigen Gewinnanteilen des Kommanditisten nicht mehr in Betracht kommt (BFH, Großer Senat, Beschl. v. 10.11.1980 – GrS 1/79 – BStBl II 1981, 164).
II. Nach § 167 Abs. 3 HGB ist der Kommanditist bei seinem Ausscheiden zu keinem Ausgleich verpflichtet. Es entsteht mindestens in Höhe des negativen Kapitalkontos ein Veräußerungsgewinn i.S.d. § 16 EStG (BFH, Großer Senat, Beschl. v. 10.11.1980 – GrS 1/79 – BStBl II 1981, 164; BFH, Urt. v. 09.07.2015 – IV R 19/12 – BStBl II 2015, 954; Anm. Selder, jurisPR-SteuerR 32/2015 Anm. 5). Für die Entstehung dieses Gewinns ist unerheblich, ob das negative Kapitalkonto aus ausgleichs- und abzugsfähigen oder aus verrechenbaren Verlusten besteht (vgl. BFH, Urt. v. 09.07.2015 – IV R 19/12 – BStBl II 2015, 954; Anm. Selder, jurisPR-SteuerR 32/2015 Anm. 5; Geissler in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 16 EStG Anm. 27).
III. Dieser Gewinn entsteht zu dem Zeitpunkt, in dem der Betrieb der KG veräußert oder aufgegeben wird (§ 16 EStG). Soweit jedoch schon früher feststeht, dass ein Ausgleich des negativen Kapitalkontos des Kommanditisten mit künftigen Gewinnanteilen des Kommanditisten nicht mehr in Betracht kommt (Nr. 1 Satz 2), ist dieser Zeitpunkt maßgebend (BFH, Großer Senat, Beschl. v. 10.11.1980 – GrS 1/79 – BStBl II 1981, 164).
IV. Wann der Veräußerungsgewinn infolge des Ausscheidens des Kommanditisten aus der fortbestehenden KG oder infolge der Auflösung der KG entsteht, regeln weder § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG noch § 15a Satz 2 BerlinFG. Der Zeitpunkt, in dem der Veräußerungsgewinn steuerrechtlich erzielt wird, richtet sich daher nach den allgemeinen Gewinnrealisierungsgrundsätzen im Rahmen der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich, insbesondere dem Realisationsprinzip (vgl. für die Realisierung des Auflösungsgewinns gemäß § 17 Abs. 4 EStG: BFH, Urt. v. 01.07.2014 – IX R 47/13 – BStBl II 2014, 786 m.w.N.; Anm. Dötsch, jurisPR-SteuerR 42/2014 Anm. 4).
Der Veräußerungsgewinn im Anwendungsbereich von § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG und § 15a Satz 2 BerlinFG ist danach in der Schlussbilanz desjenigen Wirtschaftsjahres zu erfassen, in dem feststeht, dass der Kommanditist zum Ausgleich des negativen Kapitalkontos nicht (mehr) verpflichtet ist. Davon ist auszugehen, wenn endgültig feststeht, dass mit zukünftigen Gewinnen oder mit sonstigen Einlageforderungen, mit denen das negative Kapitalkonto aufgefüllt werden könnte, nicht mehr zu rechnen ist (vgl. zu der Erfassung des Wegfallgewinns ohne die Auflösung der Gesellschaft: BFH, Großer Senat, Beschl. v. 10.11.1980 – GrS 1/79 – BStBl II 1981, 164). Der Veräußerungsgewinn ist daher frühestens in dem Veranlagungszeitraum, in dem der Mitunternehmer aus der Gesellschaft ausscheidet oder in den die Auflösung der Gesellschaft fällt, zu erfassen.
V. Wird die Gesellschaft durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst, wird der Veräußerungsgewinn regelmäßig erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation der Gesellschaft oder, soweit die Gesellschaft ihren Gewerbebetrieb schon vor dem Abschluss des Insolvenzverfahrens einstellt, im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe realisiert (vgl. BFH, Großer Senat, Beschl. v. 10.11.1980 – GrS 1/79 – BStBl II 1981, 164). Bis zu diesem Zeitpunkt lässt sich nämlich regelmäßig noch nicht absehen, ob das negative Kapitalkonto durch etwaige Gewinne während der Liquidation der Gesellschaft oder durch sonstige Handlungen des Insolvenzverwalters, wie z.B. die Rückforderung von Liquiditätsausschüttungen, die Nachforderung einer rückständigen Einlage oder durch Insolvenzanfechtung, ganz oder teilweise wieder aufgefüllt wird oder ob das negative Kapitalkonto aufgrund der Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens tatsächlich überhaupt nicht wegfällt, weil in dem festgestellten Insolvenzplan die Fortführung des Unternehmens festgelegt wird (vgl. § 230 Abs. 1 InsO). Der Veräußerungsgewinn aufgrund der Auflösung der Gesellschaft (infolge der Insolvenzeröffnung) ist daher zu einem früheren Bilanzstichtag ausnahmsweise nur dann realisiert, wenn zu diesem Bilanzstichtag feststeht, dass eine Auffüllung des negativen Kapitalkontos durch den Kommanditisten unter keinem denkbaren Gesichtspunkt mehr in Betracht kommen wird.
VI. Grundsätzlich können wertaufhellende Tatsachen nach dem Bilanzstichtag bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Bilanz im ordnungsgemäßen Geschäftsgang (§ 243 Abs. 3 HGB) aufzustellen gewesen wäre, berücksichtigt werden (BFH, Urt. v. 22.08.2012 – X R 23/10 Rn. 19 – BStBl II 2013, 76; Anm. Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 49/2012 Anm. 1). Als „wertaufhellend“ sind nur die Umstände zu berücksichtigen, die zum Bilanzstichtag bereits objektiv vorlagen und nach dem Bilanzstichtag, aber vor dem Tag der Bilanzerstellung lediglich bekannt oder erkennbar wurden. Der zu beurteilende Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung ist daher auf die am Bilanzstichtag – objektiv – bestehenden Verhältnisse zu beziehen (BFH, Urt. v. 19.10.2005 – XI R 64/04 – BStBl II 2006, 371)
VII. Nicht zu berücksichtigen sind demgegenüber neue, sog. wertbegründende Tatsachen. Als „wertaufhellend“ sind nur die Umstände zu berücksichtigen, die zum Bilanzstichtag bereits objektiv vorlagen und nach dem Bilanzstichtag, aber vor dem Tag der Bilanzerstellung, lediglich bekannt oder erkennbar wurden. Der zu beurteilende Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung ist daher auf die am Bilanzstichtag – objektiv – bestehenden Verhältnisse zu beziehen (BFH, Urt. v. 30.01.2002 – I R 68/00 – BStBl II 2002, 688, unter II.3.b; BFH, Urt. v. 19.10.2005 – XI R 64/04 – BStBl II 2006, 371; Anm. K. Jachmann, jurisPR-SteuerR 24/2006 Anm. 2; BFH, Urt. v. 09.02.2011 – IV R 37/08 Rn. 37 ff. – BFH/NV 2011, 1120).
Auf die Erkenntnisse am Bilanzstichtag ist ebenfalls abzustellen, wenn ein Jahresabschluss nicht vorgelegt wird, der Gewinnfeststellungsbescheid daher auf einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen beruht. Denn dieser Schätzung liegt eine fiktiv fortgeführte Gesellschaftsbilanz zugrunde (BFH, Urt. v. 12.10.1993 – VIII R 86/90 – BStBl II 1994, 174).
D. Auswirkungen für die Praxis
Der BFH bestätigt die in Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Grundsätze zur Versteuerung eines Veräußerungsgewinns nach Wegfall eines negativen Kapitalkontos und erklärt das Verhältnis des allgemeinen Grundsatzes zu inhaltsähnlichen gesetzlichen Regelungen. In zwei weiteren, nicht amtlich veröffentlichten Entscheidungen vom 30.03.2017 (IV R 3/15 – BFH/NV 2017, 1019; IV R 4/15 – BFH/NV 2017, 1023) hat er ebenfalls zu den Rechtsfragen ausführlich Stellung genommen. Die Besprechungsentscheidung verdeutlicht außerdem die Kriterien für die Abgrenzung lediglich wertaufhellender gegenüber wertbegründenden Tatsachen. Außerdem schließt sich der IV. Senat des BFH der Rechtsprechung des VIII. Senats des BFH (Urt. v. 12.10.1993 – VIII R 86/90 – BStBl II 1994, 174) an, wonach auf die Erkenntnisse am Bilanzstichtag auch dann abzustellen ist, wenn der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid auf einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen beruht.
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
I. Für einen Antrag auf Berichtigung des Tatbestands des angegriffenen Urteils des Finanzgerichts nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 107 Abs. 1 FGO ist ein Rechtsschutzbedürfnis erforderlich (vgl. BFH, Urt. v. 24.09.2013 – VI R 6/11 Rn. 31 – BStBl II 2016, 650; Anm. Heger, jurisPR-SteuerR 8/2014 Anm. 2). Daran fehlt es, wenn die zu berichtigenden Feststellungen für die Vorentscheidung nicht entscheidungserheblich waren und auch nicht für das anschließende Revisionsverfahren entscheidungserheblich sind. Das Tatbestandsberichtigungsverfahren ist gerichtskostenfrei (BFH, Beschl. v. 21.07.2016 – X R 36/08 – BFH/NV 2017, 42).
II. Etwaige außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht aus Billigkeitsgründen zu erstatten (§ 139 Abs. 4 FGO), wenn der Beigeladene keinen Sachantrag gestellt oder anderweitig das Verfahren gefördert hat (BFH, Beschl. v. 25.02.2010 – III S 7/10 Rn. 7 – BFH/NV 2010, 1285 m.w.N.).