Nachfolgend ein Beitrag vom 6.3.2017 von Geserich, jurisPR-SteuerR 10/2017 Anm. 1

Leitsätze

1. Leistet der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber für die außerdienstliche Nutzung, d.h. für die Nutzung zu privaten Fahrten und zu Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte, eines betrieblichen Kfz ein Nutzungsentgelt, mindert dies den Wert des geldwerten Vorteils aus der Nutzungsüberlassung (Anschluss an Senatsurteil vom 07.11.2006 – VI R 95/04 – BFHE 215, 252 – BStBl II 2007, 269).
2. Nichts anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen der privaten Nutzung einzelne (individuelle) Kosten (hier: Kraftstoffkosten) des betrieblichen PKW trägt. Der Umstand, dass der geldwerte Vorteil aus der Kfz-Überlassung nach der 1%-Regelung ermittelt worden ist, steht dem nicht entgegen.
3. Eine vorteilsmindernde Berücksichtigung der für den betrieblichen PKW getragenen Aufwendungen beim Arbeitnehmer kommt allerdings nur in Betracht, wenn er den geltend gemachten Aufwand im Einzelnen umfassend darlegt und belastbar nachweist.

A. Problemstellung

Streitig ist, ob individuell vom Arbeitnehmer getragene Kfz-Kosten (hier: Kraftstoffkosten) bei der Besteuerung des Nutzungsvorteils aus der Überlassung eines Dienstwagens nach der 1%-Regelung zu berücksichtigen sind.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger ist im Außendienst nichtselbstständig tätig. Im Streitjahr (2012) überließ ihm sein Arbeitgeber ein betriebliches Kfz zur dienstlichen und privaten Nutzung. Sämtliche Kraftstoffkosten und damit auch den auf die beruflichen Fahrten entfallenden Anteil trug der Kläger. Er wandte hierfür insgesamt einen Betrag von 5.599 Euro auf. Die übrigen PKW-Kosten übernahm der Arbeitgeber. Im Rahmen des Lohnsteuerabzugs ermittelte der Arbeitgeber den geldwerten Vorteil aus der Kfz-Überlassung nach der 1%-Regelung (§ 8 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) mit 523 Euro monatlich. Einen geldwerten Vorteil nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG erfasste er mangels einer regelmäßigen Arbeitsstätte nicht. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung begehrte der Kläger, den geldwerten Vorteil nicht länger nach der 1%-Regelung, sondern nach der Fahrtenbuchmethode zu bemessen. Darüber hinaus beantragte er, die von ihm im Streitjahr getragenen Kraftstoffkosten i.H.v. 5.599 Euro als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Das Finanzamt versagte im Hinblick auf die von ihm angenommene Nichtordnungsgemäßheit des Fahrtenbuchs sowohl die Bewertung des streitigen geldwerten Vorteils nach der Fahrtenbuchmethode als auch den Werbungskostenabzug der verausgabten Kraftstoffkosten. Das Finanzgericht hatte der Klage stattgegeben, mit der der Kläger sein Begehren lediglich im Hinblick auf den Werbungskostenabzug weiterverfolgte (FG Düsseldorf, Urt. v. 04.12.2014 – 12 K 1073/14 E – EFG 2015, 466).
Der BFH hat die Revision des Finanzamts zurückgewiesen, die Entscheidung des Finanzgerichts, das den geldwerten Vorteil aus der Überlassung des Dienstwagen auch zur privaten Nutzung lediglich mit 677 Euro (12 x 523 Euro = 6.276 Euro – 5.599 Euro) angesetzt hat, bestätigt und damit seine Rechtsprechung zur steuerlichen Berücksichtigung von Arbeitnehmerzuzahlungen zum Dienstwagen teilweise neu geordnet.
Soweit die Finanzverwaltung zwischen einer entsprechend der tatsächlichen Nutzung des Kfz bemessenen Kilometerpauschale und der Übernahme der Leasingraten durch den Arbeitnehmer, die sie jeweils – zutreffend – vorteilsmindernd berücksichtigt (BMF-Schreiben v. 19.04.2013 – BStBl I 2013, 513, Rn. 2), und anderen einzelnen Kfz-Kosten (z.B. Treibstoffkosten und Versicherungsbeiträgen) differenziert, gibt es hierfür keinen tragfähigen Grund.
Der nutzungswertmindernden Berücksichtigung individueller Kfz-Kosten steht der Umstand, dass mit der 1%-Regelung eine stark vereinfachende, typisierende und pauschalierende Bewertungsvorschrift geschaffen werden sollte, nicht entgegen. Soweit sich aus dem BFH-Urteil vom 18.10.2007 (VI R 57/06 – BStBl II 2009, 199) etwas anderes ergibt, hält das Gericht daran nicht fest. Denn die Minderung des Nutzungswerts greife in das Bewertungssystem des § 8 Abs. 2 EStG nicht ein. Außerdem werde durch die vorteilsmindernde Berücksichtigung individueller Kfz-Kosten bei der Bewertung des privaten Nutzungsvorteils nach der 1%-Regelung die Ungleichbehandlung zwischen Arbeitnehmern, deren Arbeitgeber alle Kosten tragen, und Arbeitnehmern, die die Kfz-Kosten in mehr oder weniger großem Umfang selbst zu tragen haben, abgemildert.

C. Kontext der Entscheidung

I. Die Überlassung eines betrieblichen PKW durch den Arbeitgeber an den Arbeitnehmer für dessen Privatnutzung führt zu einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit zum Zufluss von Arbeitslohn i.S.v. § 19 EStG (z.B. BFH, Urt. v. 20.03.2014 – VI R 35/12 – BStBl II 2014, 643 m. Anm. Bergkemper, jurisPR-SteuerR 36/2014 Anm. 1; BFH, Urt. v. 13.12.2012 – VI R 51/11 – BStBl II 2013, 385 m. Anm. Dürr, jurisPR-SteuerR 18/2013 Anm. 6; BFH, Urt. v. 21.03.2013 – VI R 31/10 – BStBl II 2013, 700, jeweils m.w.N.). Steht der Vorteil dem Grunde nach fest, ist dieser nach § 8 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 EStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG entweder nach der 1%-Regelung oder nach der Fahrtenbuchmethode zu bewerten (z.B. BFH, Urt. v. 18.12.2014 – VI R 75/13 – BStBl II 2015, 670 m. Anm. Dürr, jurisPR-SteuerR 24/2015 Anm. 2).
II. Zahlt der Arbeitnehmer an den Arbeitgeber für die außerdienstliche Nutzung, d.h. für die Nutzung zu privaten Fahrten und zu Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte, eines betrieblichen Kfz ein Nutzungsentgelt, mindert dies den Wert des geldwerten Vorteils aus der Nutzungsüberlassung (BFH, Urt. v. 07.11.2006 – VI R 95/04 – BStBl II 2007, 269, zur Anwendung der 1-v.H.-Regelung bei Überlassung eines Firmenfahrzeugs und Vereinbarung eines Nutzungsentgelts; Anm. Bergkemper, jurisPR-SteuerR 7/2007 Anm. 2; BMF-Schreiben v. 19.04.2013 – BStBl I 2013, 513 – Lohnsteuerliche Behandlung vom Arbeitnehmer selbst getragener Aufwendungen bei der Überlassung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs, § 8 Abs. 2 Sätze 2 ff. EStG; Anwendung von R 8.1 Abs. 9 Nr. 1 Satz 5 LStR 2011 und R 8.1 Abs. 9 Nr. 4 LStR 2011). Denn insoweit fehlt es an einer Bereicherung des Arbeitnehmers und damit an einer Grundvoraussetzung für das Vorliegen von Arbeitslohn i.S.d. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. In Höhe des Nutzungsentgelts wendet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer keinen Vorteil zu; der Arbeitnehmer wird durch die Zahlung des Nutzungsentgelts nicht bereichert, sondern vielmehr endgültig belastet. Damit besteht der steuerbare Vorteil des Arbeitnehmers, den ihm der Arbeitgeber mit der Überlassung des Dienstwagens einräumt, lediglich in der Differenz zwischen dem Wert der Nutzungsüberlassung nach § 8 Abs. 2 Satz 4 EStG und dem vom Arbeitnehmer zu zahlenden Nutzungsentgelt.
Nichts anderes gilt, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen der privaten Nutzung einzelne (individuelle) Kosten (hier: Kraftstoffkosten) des betrieblichen PKW trägt. Denn auch soweit der Arbeitnehmer einzelne nutzungsabhängige Kfz-Kosten übernimmt, fehlt es schon dem Grunde nach an einem lohnsteuerbaren Vorteil des Arbeitnehmers. Der Gesetzgeber ist sowohl bei der Bewertung des Nutzungsvorteils nach der Fahrtenbuchmethode als auch bei dessen Bemessung nach der 1%-Regelung davon ausgegangen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen Vorteil als Arbeitslohn dadurch zuwendet, dass er ihm ein Kfz zur Privatnutzung zur Verfügung stellt und alle mit dem Kfz verbundenen Kosten trägt (z.B. BFH, Urt. v. 13.12.2012 – VI R 51/11 – BStBl II 2013, 385). Trifft diese Grundannahme nicht zu, wendet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer jedenfalls keinen Arbeitslohn in dem Umfang zu, den der Gesetzgeber mit der 1%-Regelung typisieren wollte.

D. Auswirkungen für die Praxis

I. Bislang hat der BFH einzelne vom Arbeitnehmer selbst getragene Kraftfahrzeugkosten lediglich bei der Bewertung des Nutzungsvorteils nach der Fahrtenbuchmethode wenn auch nicht vorteilsmindernd (auf der Einnahmeseite), so doch als Werbungskosten (auf der Ausgabenseite) berücksichtigt (BFH, Urt. v. 18.10.2007 – VI R 57/06 – BFH/NV 2008, 283). Bei der Vorteilsbewertung nach der 1%-Regelung sind derartige Aufwendungen bislang weder vorteilsmindernd (auf der Einnahmeseite), noch als Werbungskosten (auf der Ausgabenseite) berücksichtigt worden. Sie blieben vielmehr ohne steuerliche Auswirkungen (BFH, Urt. v. 18.10.2007 – VI R 57/06 – BStBl II 2009, 199; Bergkemper, jurisPR-SteuerR 7/2008 Anm. 2). Hieran hält der BFH nicht länger fest. Da nunmehr sämtliche Zahlungen des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber für die außerdienstliche Nutzung eines betrieblichen Kfz, auf der Einnahmeseite und damit vorteilsmindernd zu berücksichtigen sind, ist eine Unterscheidung nach pauschalen vorteilsmindernden Nutzungsentgelten und einzelne (individuelle) Eigenleistungen, die je nach Bewertungsmethode dem Werbungskostenabzug zugänglich oder ohne steuerliche Auswirkungen waren, (auch bei der Berechnung des sozialversicherungspflichtigen Entgelts) nicht länger erforderlich.
II. Allerdings kann der Wert des geldwerten Vorteils aus der Dienstwagenüberlassung durch Zuzahlungen/Eigenelistungen des Arbeitnehmers lediglich bis zu einem Betrag von null Euro gemindert werden. Ein negativer geldwerter Vorteil (geldwerter Nachteil) kann aus der Überlassung eines Dienstwagens zur Privatnutzung nicht entstehen und zwar auch dann nicht, wenn die Eigenleistungen des Arbeitnehmers den Wert der privaten Dienstwagennutzung und der Nutzung des Fahrzeugs zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte übersteigen (BFH, Urt. v. 30.11.2016 – VI R 49/14 – zur amtlichen Veröffentlichung vorgesehen).
III. Eine vorteilsmindernde Berücksichtigung der vom Arbeitnehmer selbst für den betrieblichen PKW getragenen Aufwendungen kommt allerdings nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer den geltend gemachten PKW-bezogenen Aufwand im Einzelnen darlegt und belastbar nachweist. Denn insoweit trifft ihn die objektive Feststellungslast. An der Grenzlinie zwischen Berufs- und Privatsphäre besteht ein Anreiz für die Steuerpflichtigen, Privataufwendungen der Erwerbssphäre zuzuordnen, um so den Abzug dieser Aufwendungen zu erreichen. Dem haben die Finanzverwaltung und die Finanzgerichte bei der Sachverhaltsaufklärung und bei der Rechtsanwendung besonders Rechnung zu tragen. So dürfen sich die Finanzgerichte in der Regel nicht allein auf die Darstellung des Steuerpflichtigen stützen, wenn es an entsprechenden Nachweisen für dessen Sachvortrag fehlt (BFH, Beschl v. 21.09.2009 – GrS 1/06 – BStBl II 2010, 672; Anm. Dötsch, jurisPR-SteuerR 10/2010 Anm. 1).