Eine Reform des Berufsrechts hat Steuerberatern neue Perspektiven eröffnet. Doch zugleich werden Mahnungen an die Freiberufler laut, neben staatlichen Gesetzen auch ethische Grenzen zu wahren.
Voll des Lobes
In einer kurzen Erwiderung – und später noch einmal in seiner Pressekonferenz – lobte Horst Vinken, der neue Präsident der Bundessteuerberaterkammer, den Ressortchef für die Lockerungen. Und tatsächlich: Schon hat in den einzelnen Steuerberaterkammern ein interner Wettbewerb eingesetzt, wer am meisten neue Mitglieder aus Verbänden und Unternehmen rekrutiert. Denn nach dem Vorbild der Rechtsanwälte gestattet jetzt das Steuerberatungsgesetz auch dem angestellten „Syndikus-Steuerberater“ eine Zulassung zur Beraterzunft. Den Leiter einer großen Steuerabteilung in den eigenen Reihen zu haben, das erhöht nicht nur die Mitgliederzahl, sondern steigert auch Renommee und Kompetenz. Eine steuerliche Fachtätigkeit muss es dann aber schon sein: „Nur dem Vorstandsvorsitzenden die Aktentasche zu tragen reicht nicht“, spöttelte Vinken. Eine wichtige Option biete der Syndikus-Steuerberater vor allem für den Berufsnachwuchs. Denn kaum ein junger Berater habe heute noch die Chance, sich direkt selbständig zu machen, sondern sei vor der Gründung einer eigenen Kanzlei im Durchschnitt 7,6 Jahre lang angestellt.
Markt wächst nicht mit
Die berufsrechtlichen Rahmenbedingungen habe die Reform entscheidend verbessert, zeigte sich der Beraterpräsident zuversichtlich. Ein „Meilenstein“ sei diese Novelle. Immerhin ist der Stand der Steuerberater – wenn man die Beratungsgesellschaften dazuzählt – im vergangenen Jahr noch einmal um 1,8 Prozent auf nunmehr 81 000 Angehörige gewachsen. „Der Markt für unsere Kernleistungen wächst nicht in gleichem Maße mit“, warnte der Cheflobbyist. Insolvenzen und stille Liquidationen, Unternehmensaufgaben und Zusammenschlüsse – all das lasse die Zahl der „sicheren und lukrativen Mandate“ sinken, sagte Vinken. Und um die drängten sich zunehmend auch andere Berater, von den Rechtsanwälten über die Unternehmensberater bis hin zu den Banken.
Liberalisiert wurde auch das Spektrum erlaubter Nebentätigkeiten, die mit dem Beraterberuf vereinbar sind. Bislang war den Fiskalhelfern jegliches Gewerbe untersagt. Künftig seien Ausnahmen erlaubt, unterstrich Vinken. So dürfe ein Berater ein zum Nachlass gehörendes Unternehmen als Testamentsvollstrecker fortführen oder dort als Insolvenzverwalter die Geschäftsführung übernehmen. „Einen Autohandel darf ein Steuerberater aber auch künftig nicht nebenher betreiben“, versicherte Vinken, „denn damit würde er zwangsläufig in Kollision mit seinen Berufspflichten geraten.“
Kooperation mit Künstlern
Flexibler gehandhabt wird fortan auch die Kooperation mit Angehörigen freier Berufe. Bisher durfte sich ein Steuerberater nur mit Angehörigen anderer Kammerberufe zusammentun, etwa Anwälten oder Wirtschaftsprüfern. Jetzt kommen auch – neben den Steinbrück’schen „Künstlern“ – Unternehmensberater oder Architekten in Betracht, wie Vinken ausführte. Die Steuerberater hätten damit bessere Möglichkeiten, „wirtschaftliche Rundumberatung“ anzubieten oder sich auf bestimmte Branchen als Kunden zu spezialisieren.
All das ruft nun aber auch schon Appelle zur ethischen Selbstbeschränkung hervor. „Wir gehen bis an die zulässige Grenze – aber keinen Millimeter darüber hinaus“, beschwor Vinken seine Kollegen auf dem Steuerberaterkongress. Auch der Präsident des Bundesfinanzhofs, Wolfgang Spindler, legte ihnen mit Blick auf die immer komplizierter werdenden Nachjustierungen des Steuerrechts durch Politiker und Verwaltung nahe: „Der Steuerberater sollte auf unangemessene Gestaltungen verzichten, um nicht Abwehrreaktionen zu provozieren, die hinterher beklagt werden.“
Ethik und Moral
Den Spiegel vorhalten ließen sich die Berater von dem Kölner Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler Christoph Hommerich. Der Hochschullehrer berät sonst vor allem Rechtsanwälte; beim Soldan-Institut für Anwaltsmanagement erforscht er deren Marketingstrategien. Hommerich beobachtet ein „Marktversagen“: Der Steuerlaie verfüge gar nicht über ausreichende Informationen, um die Qualität eines Experten kontrollieren zu können. An die Stelle ökonomisch rationaler Wahlentscheidungen trete deshalb Vertrauen als „Bindemittel zwischen den Professionen und ihren Klienten“. Um dieses Vertrauen zu bilden, hält der Wissenschaftler Vorschriften zur Berufsmoral für notwendig; diese müssten durch rechtliche Sanktionen auch tatsächlich geschützt werden.
Freiberufler erbrächten keine Dienstleistung wie jeder andere, unterstrich Hommerich, sondern seien „Organe der Steuerrechtspflege“. Der Steuerberater sei „Mittler“ und befinde sich damit in einer „Sandwichposition“. Die schleichende Abschaffung von Gebührenordnungen gefährde deshalb im Zuge der allgemeinen Deregulierung deren Unabhängigkeit. Ihre moralische Verpflichtung zwinge sie vielmehr dazu, auch einmal ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen zurückzustellen. „Der Weg von ausgeklügelter Experteninformation zu illegalem Verhalten derer, die für diese Information bezahlen, ist oft nicht weit“, sagte der Forscher. Und fragte: „Wer berät denn diejenigen, die vergleichsweise komplexe Wege der Steuerhinterziehung gehen?“
„Steuerhinterzieher in oberer Etage“
Ein Thema, dem auch Finanzminister Steinbrück starke Worte widmete. Er beklagte „Steuerhinterziehung in den oberen Etagen“. Durch solche Exzesse werde die Soziale Marktwirtschaft aus ihrem Zentrum heraus – und nicht nur von den Extremen her – ausgehebelt. Die „beliebte Rechtfertigungsmelodie“, die Steuern seien zu hoch und zu kompliziert, sei eine „absurde Begründung“. Der Sozialdemokrat erklärte, er lasse bereits strengere Vorschriften gegen Steuerkriminalität ausarbeiten. Die wolle er verabschieden lassen, falls die EU-Ressortchefs mit ihrem Vorstoß für einen verstärkten Informationsaustausch keinen Erfolg haben.
(Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20.05.2008, von Joachim Jahn)