Finanzgericht Baden-Württemberg, 11-K-387/15
Mitteilung vom 28.04.2017
Der 11. Senat hat mit Urteil vom 13. Dezember 2016 (Az. 11 K 387/15) entschieden, dass eine dem Kindesvater nach Schweizer Recht gezahlte Kinderrente nicht dazu führt, dass die in Deutschland lebende Kindesmutter keinen Anspruch auf Kindergeld hat.
Die Klägerin ist die Mutter einer 1994 geborenen Tochter, mit der sie gemeinsam in Deutschland lebt. Für ihre Tochter erhielt sie vom Mai 2010 bis zum März 2012 Kindergeld. Im gleichen Zeitraum bezog der Vater und geschiedene Ehemann der Klägerin für seine Tochter eine „Ordentliche Kinderrente“ i. H. v. 659 CHF zu seiner Invalidenrente. Die Familienkasse ging davon aus, dass die Schweizer Kinderrente eine dem deutschen Kindergeld vorrangige Familienleistung sei und der Mutter daher kein Kindergeld zustehe. Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung auf und forderte von der Mutter Kindergeld in Höhe von 4.232 Euro zurück. Hiergegen hat sie Klage erhoben.
Das Finanzgericht gab der Klage statt. Die Tatsache, dass für denselben Zeitraum und für dasselbe Kind dem Vater in der Schweiz eine Kinderrente zur Invalidenrente gezahlt wird, stehe dem Anspruch der Klägerin auf Kindergeld nicht entgegen. Weder § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) noch die im Verhältnis zur Schweiz anwendbare Verordnung Nr. 1408/71 und die hierzu ergangene Durchführungsverordnung Nr. 574/72 würden den Anspruch der Klägerin auf deutsches Kindergeld ausschließen. Zwar träfen der deutsche Kindergeldanspruch der Mutter und der Anspruch des Vaters auf Schweizer Kinderrente zusammen, was nach nationalem Recht die Nichtzahlung des Kindergeldes zur Folge hätte. Die Kollisionsnorm des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG werde aber von den europarechtlichen Regelungen überlagert. Zwar handele es sich sowohl beim deutschen Kindergeld als auch der Schweizer Kinderrente um Familienbeihilfen im Sinne des Art. 10 Abs. 1 der DVO Nr. 574/72, jedoch nicht um Leistungen gleicher Art i. S. d. Art. 12 Abs. 1 Satz 1 der VO Nr. 1408/71, weil sie sich erheblich bei den Anspruchsvoraussetzungen und bei der Berechnung unterschieden.
Gegen das Urteil ist Revision beim Bundesfinanzhof anhängig (III R 3/17).