LG Mosbach, Teilurteil vom 31. Januar 2014 – 2 O 182/13 –, juris

Orientierungssatz

Eine Pflichtteilsentziehung mit der Begründung, das Kind habe in der elterlichen Metzgerei durch Wegnahme von Wurst- und Fleischwaren seine Eltern bestohlen, ist unwirksam.


Anmerkung: Nach § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Erblasser einem Abkömmling den Pflichtteil entziehen, wenn der Abkömmling sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser, dessen Ehegatten, einen anderen Abkömmling oder einer dem Erblasser ähnlich nahestehenden Person schuldig macht. Dabei kommt nur schweres Fehlverhalten als Grund für die Entziehung des verfassungsrechtlich geschützten Pflichtteilsrechts in Betracht. Die Fehlverhaltensweise eines Pflichtteilsberechtigten muss schwerwiegend genug sein, dass es für den Erblasser unzumutbar ist, dessen Teilnahme an seinem Nachlass hinzunehmen (BVerfG NJW 2005, 1561). Ob ein vorsätzliches Vergehen ein „schweres Vergehen“ im Sinne von § 2333 Abs. 1 Nr. 2 BGB darstellt, beurteilt sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls. Dabei kommt es nach Auffassung der Rechtsprechung nicht auf das strafrechtlich geschützte Rechtsgut, sondern auf schwerwiegendes, dem Erblasser unzumutbares Fehlverhalten an. Verfehlungen gegen Eigentum oder Vermögen der Eltern fallen dann darunter, wenn sie ihrer Natur und Begehungsweise nach eine grobe Missachtung des Eltern-Kind-Verhältnisses darstellen und daher eine schwere Kränkung des Erblassers bedeuten (BGH NJW 1974, 1085). Eine einzelne, wenn auch grobe Beleidigung ist im Allgemeinen nicht als ein solches schweres Vergehen anzusehen (vgl. MünchKomm BGB/Lange, 6. Auflage, § 2333 Rn. 22).

Erst recht muss dies für einen einfachen Fleisch- bzw. Wurstdiebstahl in der elterlichen Metzgerei gelten. Anders als Teile der Rechtsprechung vertrete ich die Auffassung, dass es zum Zwecke der objektiven Überprüfbarkeit durch Gerichte auch objektiver Maßstäbe bedarf, um ein Recht von Verfassungsrang einschränken zu können. Nicht ohne Grund wird als Beispiel für einen zulässigen Entzug des Pflichtteils im Gesetzestext ein „Verbrechen“ gegen den Erblasser bzw. dort näher benannte Personen aufgeführt oder eben ein schweres vorsätzliches Vergehen, welches in seiner Bedeutung einem Verbrechen gleichkommt. Das sind objektive Maßstäbe, bei denen es auch verbleiben muss. Derartige objektive Maßstäbe ersetzen zu wollen durch unbestimmte Rechtsbegriffe wie „grobe Missachtung des Eltern-Kind-Verhältnisses“ legen den Schwerpunkt auf subjektive Wahrnehmungen des Erblassers. Bei Einschränkungen eines Rechtes mit Verfassungsrang kann und darf es auf derartige subjektive Wahrnehmungen schlichtweg nicht ankommen.