Nachfolgend ein Beitrag vom 2.7.2018 von Martini, jurisPR-InsR 13/2018 Anm. 3

Leitsätze

1. Die Erklärung eines Insolvenzverwalters, wonach er die Zahlung bestimmter Rechnungen hinsichtlich von ihm eingegangener Masseverbindlichkeiten garantiere, begründet regelmäßig keine Haftung aus Schuldbeitritt, selbstständiger Garantie oder Verschulden bei Vertragsschluss, weil ein im Rechtsverkehr erfahrener Geschäftspartner davon ausgehen muss, dass der Insolvenzverwalter mit einer derartigen Garantieerklärung keine besondere Einstandspflicht begründen wollte.
2. Die fahrlässig fehlerhafte Überweisung eines zu niedrigen Betrages durch den Insolvenzverwalter an einen Massegläubiger begründet keine Haftung nach § 60 Abs. 1 Satz 1 InsO.
3. Zur erforderlichen Entlastung des Insolvenzverwalters nach § 61 Satz 2 InsO reicht es aus, wenn der Insolvenzverwalter darlegt, sich bezüglich der von ihm anzustellenden Liquiditätsprognose auf noch nicht existierende, von leitenden Mitarbeitern der Schuldnerin aber jedenfalls für möglich gehaltene Auftragseingänge gestützt zu haben, auch wenn er selbst die Erteilung entsprechender Aufträge für höchst ungewiss gehalten hat.

A. Problemstellung

Gegenstand der Entscheidung ist die Frage einer über die Haftung der Masse hinausgehenden persönlichen Haftung des möglicherweise ein besonderes Vertrauen in Anspruch nehmenden Insolvenzverwalters.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Das LG Frankenthal nahm als Berufungsinstanz wegen der tatsächlichen Feststellungen zulässigerweise auf das angefochtene Urteil des AG Frankenthal (Urt. v. 21.06.2017 – 3c C 180/16) Bezug, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, so dass sich der der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt nur im Ansatz aus den Urteilsgründen ergibt:
Der im Ergebnis obsiegende Insolvenzverwalter, den das AG Frankenthal erstinstanzlich offensichtlich noch verurteilt hatte, hatte im eröffneten Insolvenzverfahren Bestellungen ausgelöst und wohl erklärt, er garantiere die Zahlung, genauer: er garantiere, dass die Masse zur Zahlung ausreichend sei, die erforderlichen Mittel zur Bezahlung der Leistungen vorhanden seien und die Rechnungen des Gläubigers bezahlt werden würden. Er zahlte dann auch aus der Masse, allerdings nur einen Teilbetrag, glaubte aber in diesem Moment, die volle Forderung gezahlt zu haben. Ob der volle darüber hinausgehende Anspruch insolvenzrechtlich hätte gezahlt werden dürfen, blieb offen.
Der hinsichtlich des Deltas ausfallende Massegläubiger nahm den Insolvenzverwalter aus der Erklärung, er garantiere die Zahlung, persönlich in Anspruch – im Ergebnis erfolglos.
Das LG Frankenthal argumentiert, eine Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss, § 311 Abs. 2 BGB, komme schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht. § 61 InsO regele die Haftung für Verhalten bei der Eingehung einer Verbindlichkeit abschließend. In der Rechtsprechung seien zwar Fälle anerkannt, in denen der Verwalter ausnahmsweise aus Schuldbeitritt, Garantie oder Verschulden bei Vertragsschluss hafte. Dies setze aber voraus, dass der Insolvenzverwalter ein besonderes Vertrauen im Hinblick auf eine persönliche Einstandspflicht in Anspruch nehme, was dem Klägervortrag (also dem Vortrag des Gläubigers) nicht zu entnehmen gewesen sei. Die Erklärungen des Insolvenzverwalters hätten nach den §§ 133, 157 BGB nicht so durch den Kläger aufgefasst werden dürfen, dass er persönlich haften wolle. Auch eine Haftung aus § 60 InsO scheide aus: Der Umstand, dass der Insolvenzverwalter die Forderung des Gläubigers aus der Masse teilweise befriedigte und dabei dem Irrtum unterlag, er habe vollständig gezahlt, könne jedenfalls deshalb nicht zu einer Haftung nach § 60 InsO führen, weil weder vorgetragen noch ersichtlich sei, dass ihm eine vollständige Zahlung insolvenzrechtlich möglich gewesen und er zu dieser auch verpflichtet gewesen sei. Schließlich scheide auch eine Haftung aus § 61 InsO aus. Denn der Insolvenzverwalter habe sich durch Vorlage einer die vollständige Zahlung ermöglichenden Liquiditätsplanung nach § 61 Satz 2 InsO exkulpiert. Dass er sich hierbei auf das Zahlenwerk leitender Mitarbeiter der Schuldnerin verlassen habe, sei ihm nicht anzulasten, da das Zahlenwerk nicht unvollständig oder offenkundig fehlerhaft gewesen sei. Dafür, dass sich eine Prognose im Nachhinein als falsch herausstelle, hafte ein Verwalter nicht.

C. Kontext der Entscheidung

§ 61 InsO normiert eine Haftung des Insolvenzverwalters aus durch ihn begründeten nicht erfüllten Masseverbindlichkeiten. Die Haftung tritt nach ständiger Rechtsprechung nur ein, wenn der Insolvenzverwalter willentlich Masseverbindlichkeiten begründet, obwohl voraussehbar ist, dass diese bei Fälligkeit nicht erfüllt werden können (statt aller: BGH, Urt. v. 02.12.2004 – IX ZR 142/03; Weitzmann in: Hamburger Komm InsO, 6. Aufl., § 61 Rn. 12). Entlasten kann sich der Verwalter nach § 61 Satz 2 InsO auf den Zeitpunkt der Begründung der Verbindlichkeit: Er kann entweder beweisen, dass objektiv von einer zur Erfüllung der Verbindlichkeit voraussichtlich ausreichenden Masse auszugehen war oder aber, das für ihn nicht erkennbar war, dass dies nicht zutraf. Dabei ist kein sicheres Wissen erforderlich. Entscheidend ist die Erkennbarkeit einer Wahrscheinlichkeit. Dem Verwalter ist ein Entscheidungsermessen und Beurteilungsspielraum ähnlich der business judgment rule zuzubilligen. Den Entlastungbeweis führen kann er im Allgemeinen nur durch Vorlage und laufende Aktualisierung einer plausiblen Liquiditätsrechnung. Er darf sich hierbei auch, dies hebt auch das erkennende Gericht hervor, der Zuarbeit leitender Mitarbeiter versichern und auf deren Zahlenwerk verlassen. Anders wäre eine Betriebsfortführung durch einen Insolvenzverwalter in der Tat schlicht nicht möglich. Zu weit dürfte es aber gehen, wenn hier und auch in der Literatur vertreten wird, er dürfe sich so lange auf die Zuarbeit leitender Mitarbeiter verlassen, solange nicht das Zahlenwerk unvollständig oder offenkundig fehlerhaft ist, und daher könne von ihm nur erwartet werden, dass er das Zahlenmaterial auf die Plausibilität der Prämissen prüft und ob die Planrechnung lege artis erstellt wurde (so Sinz in: Uhlenbruck, InsO, 15. Aufl. 2015, § 61 Rn. 28). Die Erstellung einer plausiblen Liquiditätsrechnung und deren ständige Überprüfung ist originäre Verwalterpflicht (Weitzmann in: Hamburger Komm InsO, § 61 Rn. 13). Dabei ist nur die Frage der Häufigkeit der Aktualisierung eine solche des Einzelfalls. Grundsätzlich trifft den Verwalter aber die Pflicht zur permanenten Selbstkontrolle. Die Ausführungen des Gerichts zu § 61 InsO dürften also in ihrer Allgemeinheit zu weitgehen.
Bemerkenswert sind die Erwägungen des Gerichts insbesondere im Hinblick auf die Ablehnung einer persönlichen Haftung des Verwalters. § 60 InsO schließt eine persönliche Haftung der Person des Insolvenzverwalters nach anderen Vorschriften nicht aus (BGH, Urt. v. 14.04.1987 – IX ZR 260/86 – BGHZ 100, 346, 351). Die Massebezogenheit des Verwalterhandels gebietet es auch, mit einer Eigenhaftung des Verwalters aus einem für die Masse abgeschlossenen Vertrag zurückhaltend umzugehen. Dies schließt es aber im Einzelfall eben nicht aus, an eine Haftung aus culpa in contrahendo (§§ 311 Abs. 2, 280, 241 Abs. 2 BGB) zu denken, wenn besondere Umstände vorliegen (BGH, Urt. v. 24.05.2005 – IX ZR 114/01) oder wenn der Verwalter besonderes Vertrauen in Anspruch nimmt (BGH, Urt. v. 24.05.2005 – IX ZR 114/01, und BGH, Urt. v. 12.11.1987 – IX ZR 259/86). Denkbar ist dies aber nur, wenn er den Rahmen des Handelns wie ein Vertreter (für die Masse) verlässt, besondere Abreden getroffen wurden und entweder eigene Pflichten übernimmt oder – so das OLG Rostock in einer Entscheidung vom 04.10.2004 (3 U 158/03) – die Bezahlung „garantiert“.

D. Auswirkungen für die Praxis

Wie das hier erkennende Gericht trotz der Erklärung des Verwalters, er garantiere, dass die Masse zur Zahlung ausreichend sei, die erforderlichen Mittel zur Bezahlung der Leistungen vorhanden seien und die Rechnungen des Gläubigers bezahlt werden würden, dennoch zu der Ablehnung einer persönlichen Haftung des Verwalters kommt, bleibt sein Geheimnis. Wenn ein Verwalter eine Zahlung garantiert, dann rechnet der Gläubiger vom Empfängerhorizont her damit, dass er die Zahlung erhält –ungeachtet der Frage der Herkunft des Geldes. Er darf auch damit rechnen, denn er hat sich auf die Garantie verlassen. Machte die restriktive Entscheidung des LG Frankenthal Schule, würde dies Betriebsfortführungen erschweren. Worauf soll sich ein Gläubiger denn verlassen können, wenn er sich noch nicht einmal auf eine Garantie des Insolvenzverwalters verlassen darf? Betriebsfortführungen macht dies nicht eben leichter. Insoweit hat das Gericht nicht dem hier betroffenen Verwalter, aber den betriebsfortführenden Verwaltern einen Bärendienst erwiesen.

Persönliche Haftung des Insolvenzverwalters aus Garantie
Carsten OehlmannRechtsanwalt
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