Nachfolgend ein Beitrag vom 20.8.2018 von Schießl, jurisPR-SteuerR 33/2018 Anm. 2
Leitsätze
1. Unvermutete Aufwendungen für Renovierungsmaßnahmen, die lediglich dazu dienen, Schäden zu beseitigen, welche aufgrund des langjährigen vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache durch den Nutzungsberechtigten entstanden sind, führen unter den weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu anschaffungsnahen Herstellungskosten.
2. Dies gilt auch, wenn im Rahmen einer solchen Renovierung „verdeckte“, d.h. dem Steuerpflichtigen im Zuge der Anschaffung verborgen gebliebene, jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits vorhandene Mängel behoben werden.
A. Problemstellung
Zu den die Bemessungsgrundlage der Absetzungen für Abnutzung (AfA) erhöhenden Herstellungskosten eines Gebäudes gehören gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 v.H. der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten). Streitig war, ob nach Anschaffung eines Mietobjektes unvermutet angefallene Kosten zur Wiederherstellung dessen zeitgemäßen Zustands anschaffungsnahe Herstellungskosten und daher keine sofort abziehbaren Erhaltungsaufwendungen sind.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Mit Kaufvertrag vom 18.10.2012 erwarben die Kläger eine vermietete Eigentumswohnung in A zum Kaufpreis von 60.000 Euro. Die anteiligen Anschaffungskosten für das Gebäude beliefen sich auf 40.316 Euro. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2014 machten die Kläger Instandhaltungsaufwendungen in Höhe von insgesamt 12.406 Euro geltend, die anteilig auf die Erneuerung des Badezimmers (8.517 Euro), die Erneuerung der Elektroinstallation (2.000 Euro), den Einbau von Fenstern (1.275 Euro), den Austausch einer Scheibe (186 Euro) sowie auf verschiedene Ersatzteile und Kleinmaterialien (428 Euro) entfielen.
Das Finanzamt berücksichtigte lediglich die Kosten für verschiedene Ersatzteile und Kleinmaterialien in Höhe von 428 Euro als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen. Die übrigen Aufwendungen in Höhe von 11.978 Euro ordnete es den anschaffungsnahen Herstellungskosten (§ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 2 EStG) zu und berücksichtigte diese lediglich im Rahmen der AfA. Hierzu trugen die Kläger vor, bei den durchgeführten Arbeiten habe es sich um Schönheitsreparaturen gehandelt. Überdies könne die Dreijahresfrist des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG im Streitfall nicht zur Anwendung kommen, da die langjährige Mieterin kurz nach Erwerb der Wohnung plötzlich verstorben sei und die Wohnung ohne Durchführung der Sanierungsmaßnahmen nicht erneut habe vermietet werden können. Das Badezimmer sei 40 Jahre alt und verwohnt, die Fenster lediglich einfach verglast, die Fensterrahmen defekt und die Fußböden schadhaft gewesen. Die Elektroinstallation habe nicht mehr dem aktuellen VDE-Standard entsprochen. Diese Situation sei für die Kläger nicht vorhersehbar gewesen. Der Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das FG Hannover (Urt. v. 26.09.2017 – 12 K 113/16) als unbegründet abgewiesen. Der BFH hat die Revision der Kläger als unbegründet zurückgewiesen. Er hat zur Begründung ausgeführt:
I. Im Regelfall könne von einer Renovierung und Modernisierung im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes ausgegangen werden, soweit bauliche Maßnahmen innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung durchgeführt werden. Insoweit enthalte die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG eine Regelvermutung für das Vorliegen anschaffungsnaher Herstellungskosten, ohne dass es einer Einzelfallprüfung bedürfe. Überstiegen die hierfür angefallenen Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15% der für den Erwerb des Gebäudes aufgewandten Anschaffungskosten, sind diese insgesamt als anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG zu behandeln (BFH, Urt. v. 14.06.2016 – IX R 25/14 – BStBl II 2016, 992; BFH, Urt. v. 14.06.2016 – IX R 15/15 – BStBl II 2016, 996; Anm. Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 49/2016 Anm. 1; BFH, Urt. v. 14.06.2016 – IX R 22/15 – BStBl II 2016, 999; dazu ausführlich Schießl, StuB 2016, 719).
II. Im Rahmen dieser Regelvermutung seien auch die Kosten für Instandsetzungsmaßnahmen zur Beseitigung verdeckter – im Zeitpunkt der Anschaffung des Gebäudes jedoch bereits vorhandener – Mängel den anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG zuzuordnen. Gleiches gelte für Kosten zur Beseitigung von bei Anschaffung des Gebäudes angelegter, aber erst nach dem Erwerb auftretender altersüblicher Mängel und Defekte. Auch solche Aufwendungen seien ihrer Natur nach verdeckte Mängel und mithin in die Betragsgrenze der anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG mit einzubeziehen (BFH, Urt. v. 09.05.2017 – IX R 6/16 – BStBl II 2018, 9; Anm. Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 48/2017 Anm. 3). Demgegenüber seien Kosten für Instandsetzungsmaßnahmen zur Beseitigung eines Schadens, der im Zeitpunkt der Anschaffung nicht vorhanden und auch nicht in dem oben genannten Sinne „angelegt“ gewesen sei, sondern nachweislich erst zu einem späteren Zeitpunkt durch das schuldhafte Handeln eines Dritten am Gebäude verursacht worden sei, nicht den anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG zuzuordnen, wenn die Maßnahmen vom Steuerpflichtigen innerhalb von drei Jahren seit Anschaffung zur Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft des Gebäudes durchgeführt werden müssen. Die Regelvermutung für das Vorliegen anschaffungsnaher Herstellungskosten i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gelte für solche Schäden nicht.
III. Die Kläger hätten im Streitjahr an ihrer Ende 2012 erworbenen Eigentumswohnung Renovierungsmaßnahmen durchgeführt, die (nur) aufgrund des langjährigen vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache durch den/die jeweiligen Nutzungsberechtigten erforderlich geworden seien. Das Finanzgericht habe demgegenüber keine Feststellungen getroffen, die den Schluss zulassen, dass die im Zuge der Renovierungsarbeiten beseitigten Schäden – zeitlich gesehen – nach dem Erwerb des Objekts seitens der Kläger verursacht worden seien und auf ein schuldhaftes Verhalten der – rund ein Jahr nach dem Erwerbszeitpunkt verstorbenen – Vormieterin zurückzuführen seien.
Vor diesem Hintergrund seien die von den Klägern in Höhe von 11.978,35 Euro geltend gemachten weiteren Aufwendungen nicht als sofort abziehbare Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen; sie stellten anschaffungsnahe Herstellungskosten dar. Denn die Kläger haben im Zuge der – aufgrund des Todes der Mieterin unvermuteten – Instandsetzungsmaßnahmen lediglich den zeitgemäßen Zustand des Mietobjektes wiederhergestellt und dabei übliche, durch eine vertragsgemäße Wohnnutzung entstandene Mängel beseitigt. Soweit in diesem Rahmen auch „verdeckte“, d.h. den Klägern im Zuge der Anschaffung verborgen gebliebene, jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits vorhandene Mängel behoben worden seien, seien auch die hierfür getragenen Aufwendungen den anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG zuzuordnen.
C. Kontext der Entscheidung
I. Aufwendungen, die – wie im Besprechungsfall – durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S.d. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu erzielen, sind dann nicht als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) sofort abziehbar, wenn es sich um Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. In diesem Fall sind sie nur im Rahmen der AfA zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1, 4 und 5 EStG).
Welche Aufwendungen zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 HGB. Danach sind Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Anschaffungsnebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten. Herstellungskosten sind die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen (vgl. BFH, Urt. v. 12.09.2001 – IX R 52/00 – BStBl II 2003, 574; BFH, Urt. v. 22.09.2009 – IX R 21/08 – BFH/NV 2010, 846; Anm. Jachmann, jurisPR-SteuerR 24/2010 Anm. 3).
II. Zu den (fiktiven) Herstellungskosten eines Gebäudes gehören nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 2 EStG auch Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15% der Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe Herstellungskosten). Diese Aufwendungen erhöhen die AfA-Bemessungsgrundlage (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG), sie sind nicht als Werbungskosten sofort abziehbar.
Der Begriff der Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG ist gesetzlich nicht definiert und bedarf daher der Auslegung. Hierunter sind bauliche Maßnahmen zu verstehen, durch die Mängel oder Schäden an vorhandenen Einrichtungen eines bestehenden Gebäudes oder am Gebäude selbst beseitigt werden oder das Gebäude durch Erneuerung in einen zeitgemäßen Zustand versetzt wird. Zu den Aufwendungen i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören daher unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung sämtliche Aufwendungen für bauliche Maßnahmen, die im Rahmen einer im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes vorgenommenen Instandsetzung und Modernisierung anfallen. Nicht zu den Aufwendungen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören nach dem Wortlaut des Satzes 2 der Vorschrift ausdrücklich nur Aufwendungen für Erweiterungen i.S.v. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB sowie Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich üblicherweise anfallen. Grundlegend ist hierzu die Rechtsprechung des BFH (Urt. v. 14.06.2016 – IX R 25/14 – BStBl II 2016, 992; Urt. v. 14.06.2016 – IX R 15/15 – BStBl II 2016, 996; Urt. v. 14.06.2016 – IX R 22/15 – BStBl II 2016, 999, jeweils m.w.N. und weiterführend Schießl, StuB 2016, 719).
D. Auswirkungen für die Praxis
Das Besprechungsurteil verdeutlicht die Unterschiede und die Trennlinie zum BFH-Urteil vom 09.05.2017 (IX R 6/16 – BStBl II 2018, 9). Nach jener Entscheidung, die einen besonders gelagerten Fall betraf, sind Kosten für (unvermutete) Instandsetzungsmaßnahmen zur Beseitigung eines Substanzschadens, der nachweislich erst nach Anschaffung des Gebäudes durch das schuldhafte Handeln eines Dritten verursacht worden ist, auch dann nicht den anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG zuzuordnen, wenn die Maßnahmen vom Steuerpflichtigen innerhalb von drei Jahren seit Anschaffung zur Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft des Gebäudes durchgeführt werden.
Anders liegt demgegenüber der Sachverhalt des Besprechungsurteils, das den Regelfall des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG betrifft. Danach führen unvermutete Aufwendungen für Renovierungsmaßnahmen, die lediglich dazu dienen, Schäden zu beseitigen, welche aufgrund des langjährigen vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache durch den Nutzungsberechtigten entstanden sind, unter den weiteren Merkmalen des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu anschaffungsnahen Herstellungskosten. Diese umfassen auch die Kosten für die Behebung von „verdeckten“, d.h. dem Steuerpflichtigen im Zuge der Anschaffung verborgen gebliebenen, jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits vorhandenen Mängeln.
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