Nachfolgend ein Urteil des BGH vom 11.2.2010, veröffentlicht unter rechtslupe.de:

Ein einheitlicher Steuerberatervertrag kann nach § 627 BGB gekündigt werden, auch wenn für einen Teilbereich der Tätigkeit dauerhaft feste Bezüge vereinbart sind.

In dem jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall war der klagende Steuerberater seit 1980 umfassend als steuerlicher Berater der Beklagten, einer Apothekerin, tätig. Mit schriftlichem Vertrag vom 5. Mai 1999 vereinbarte er mit ihr, dass sie für die Finanz- und Lohnbuchführung jährlich eine Pauschale von 29.520 DM und 480 DM Auslagenpauschale, zusammen 30.000 DM zuzüglich Umsatzsteuer zahlt. Diese Pauschalvereinbarung sollte jeweils nur mit Dreimonatsfrist zum Jahresende kündbar sein. Anfang Februar 2007 kündigte die Apothekerin das Steuerberaterverhältnis fristlos. Der Steuerberater erbrachte keine Leistungen mehr. Die bis Januar 2007 erbrachten Leistungen auf Finanz- und Lohnbuchführung rechnete er mit 1.957,55 € ab. Da die Beklagte eine Vorschussleistung von 2.800 € erbracht hatte, ergab sich eine Gutschrift von 842,45 €. Für den Rest des Jahres 2007 lässt sich der Kläger 5 % als ersparte Aufwendungen anrechnen und verlangt aus der pauschalierten Vergütungsabrede noch 17.071,74 €. Zu Unrecht, wie der Bundesgerichtshof befand:

Nach § 627 Abs. 1 BGB ist bei einem Dienstverhältnis, das kein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 622 BGB ist, die Kündigung ohne die besonderen Voraussetzungen des § 626 BGB zulässig, wenn der zur Dienstleistung Verpflichtete Dienste höherer Art zu leisten hat, die auf Grund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen, und nicht in einem dauernden Dienstverhältnis mit festen Bezügen steht. Steuerberater leisten in der Regel Dienste höherer Art im Sinne des § 627 BGB, weil der Mandant ihnen Einblick in seine Berufs-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse gewährt1. Der ihnen erteilte Auftrag kann jederzeit und ohne Angabe von Gründen mit sofortiger Wirkung beendet werden.

Bei der Pauschalhonorarvereinbarung handelt es sich nicht um einen selbständigen Geschäftsbesorgungsvertrag. Vielmehr war die Finanz- und Lohnbuchführung Bestandteil eines umfassenden, seit 1980 bestehenden Mandats. Dabei handelte es sich um einen einheitlichen Dienstvertrag. Dieser war auch nicht durch die Pauschalvereinbarung in verschiedene Einzelleistungen aufgespalten worden.

Die Pauschalvereinbarung regelte lediglich einen bestimmten Bereich der Berechnung der Vergütung, ging aber davon aus, dass der zugrunde liegende Steuerberatervertrag unabhängig davon in vollem Umfang fortbestehen konnte. Wurde jedoch auch dieser beendet, wurde die Pauschalvereinbarung gegenstandslos.

Ob es sich um Dienste höherer Art handelt, wenn ausschließlich die Finanz- und Lohnbuchführung zu erbringen ist2, kann offenbleiben. Diese Tätigkeit unterfällt gemäß § 6 Nr. 4 StBerG – vorbehaltlich des § 33 StBerG – nicht dem Verbot unbefugter Hilfestellung in Steuersachen nach § 5 StBerG. Das ist aber nicht ausschlaggebend. Auch nicht dem Steuerberater (oder Rechtsanwalt) vorbehaltene Tätigkeit sind Dienste höherer Art, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – Bestandteil eines einheitlichen Dienstvertrages sind, der auch die steuerliche Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat. Der gesetzgeberische Grund für die gegenüber § 626 BGB erleichterte, jederzeitige Möglichkeit zur Lösung eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 627 BGB liegt nämlich in dem Vertrauen, von dem derartige Dienstverhältnisse getragen werden. Dieses kann schon durch unwägbare Umstände und rational nicht begründete Empfindungen gestört werden, die objektiv keinen wichtigen Grund zur Kündigung darstellen. Deshalb soll bei derartigen, ganz auf persönliches Vertrauen ausgerichteten Dienstverhältnissen die Freiheit der persönlichen Entschließung eines jeden Teils im weitesten Ausmaß gewährleistet werden3. Der Sinn und Zweck der Vorschrift des § 627 Abs. 1 BGB, nur Personen des eigenen Vertrauens mit der steuerlichen Beratung befassen zu dürfen, würde nicht erreicht, wenn der Auftraggeber gezwungen wäre, den wegen entzogenen Vertrauens wirksam gekündigten Berater bestimmte Teilleistungen weiterhin erbringen zu lassen, zumal wenn er ihm dann – wie hier – weiterhin und erneut Einblicke in vertrauliche Einzelheiten seiner Berufs-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse gewähren müsste4.

Es lag ein dauerhaftes Dienstverhältnis vor. Feste Bezüge wurden aber nur im Umfang der Pauschalvereinbarung bezahlt. Dadurch wurde nicht das Kündigungsrecht für den gesamten, einheitlichen Dienstvertrag gesetzlich ausgeschlossen.Hinter dem Ausschluss des jederzeitigen Kündigungsrechts bei dauerhaften Dienstverhältnissen mit festen Bezügen steht der Gedanke, dass in diesen Ausnahmefällen dem Vertrauen des Dienstverpflichteten auf seine Existenzsicherung Vorrang vor dem Schutz der Entschließungsfreiheit des Dienstberechtigten einzuräumen ist5.

Entscheidend für die Annahme fester Bezüge ist, ob der Dienstverpflichtete sich darauf verlassen kann, dass ihm auf längere Sicht bestimmte, von vorneherein festgelegte Beträge in einem Umfang zufließen werden, welche die Grundlage seines wirtschaftlichen Daseins bilden können6.

Dies ist hinsichtlich des Umfangs der Pauschalvereinbarung zweifellos gegeben. Wäre diese Tätigkeit in einem selbständigen Vertrag geregelt gewesen, hätte dieser nicht nach § 627 BGB gekündigt werden können.

Ein umfassender Vertrag wird jedoch nicht dadurch der Kündigungsmöglichkeit des § 627 BGB entzogen, dass lediglich für einen Teilbereich feste Bezüge bezahlt werden. Es besteht in diesem Fall keine Rechtfertigung dafür, die dargelegten Interessen des Dienstberechtigten insgesamt zurücktreten zu lassen. Die festen Bezüge müssen vielmehr nach einhelliger Auffassung für die gesamte Tätigkeit bezahlt werden und dürfen nicht lediglich einen Teilbereich abdecken7.

Die Kündigungsmöglichkeit des § 627 BGB war auch nicht wirksam vertraglich ausgeschlossen. Die Bestimmung stellt zwar kein zwingendes Recht dar8.

Zweifelhaft ist hier aber schon, ob durch die Vereinbarung das Kündigungsrecht des § 627 BGB überhaupt berührt werden sollte. Die Frage wurde nicht ausdrücklich angesprochen. Die geregelte Kündigungsmöglichkeit betraf lediglich die Pauschalvereinbarung zur Berechnung des Entgelts, während der zugrunde liegende Steuerberatervertrag von einer Kündigung dieser Pauschalvereinbarung unberührt bleiben sollte. Anders wäre nicht zu erklären, warum sich im Falle der Kündigung der Pauschalvereinbarung die Vergütung für die hier geregelten Tätigkeiten der Buchführung nach der Steuerberatergebührenverordnung hätten richten sollen. Es kann deshalb schon nicht angenommen werden, dass die hier geregelte Kündigung die Beendigung des Steuerberatervertrages betreffen sollte.Jedenfalls konnte § 627 BGB nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen, wie sie hier unstreitig vorliegen, abbedungen werden. Die Bestimmung ist nach dem gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB anwendbaren § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam.

Die herrschende Meinung in der Rechtsprechung und Literatur vertritt den Standpunkt, dass durch Allgemeine Geschäftsbedingungen das außerordentliche Kündigungsrecht des § 627 Abs. 1 BGB grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann9, und zwar auch im Verkehr mit Kaufleuten10.

Der Bundesgerichtshof hatte bisher offengelassen, ob und inwieweit Ausnahmen in Betracht kommen können11. Bei der ganz auf persönliches Vertrauen gestellten Vertragsbeziehung zwischen Steuerberater und Mandanten muss die Freiheit der persönlichen Entschließung eines jeden Teils im weitesten Ausmaß gewahrt werden12. Es mag sein, dass die Kündigungsmöglichkeit des Steuerberatervertrages nach § 627 Abs. 1 BGB in gewissem Umfang eingeschränkt werden kann, wenn der Steuerberater einen überwiegenden Teil seiner Dienstleistungen auf Dauer gegen feste Bezüge zu erbringen hat und dafür Betriebseinrichtungen und Personal in erheblichem Umfang vorhalten muss. Durch die Beschränkung auf lediglich eine Kündigungsmöglichkeit im Jahr erhält jedoch das Interesse des Steuerberaters gegenüber dem Mandanten zu starkes Gewicht, so dass dieser unangemessen benachteiligt wird. Ein derartiger Ausschluss des Kündigungsrechts verstößt gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Denn der Mandant wäre im Extremfall gezwungen, noch fast ein Jahr und drei Monate an dem Steuerberater festzuhalten, obwohl er das Vertrauen in ihn verloren hat. Das benachteiligte den Mandanten unangemessen und ist mit den wesentlichen Grundgedanken des § 627 Abs. 1 BGB jedenfalls dann nicht mehr zu vereinbaren13, wenn die Umstände, die eine Beschränkung des Kündigungsrechts nach § 627 BGB möglicherweise rechtfertigen könnten, lediglich Teilleistungen des einheitlichen Steuerberatervertrages betreffen4 und die anderen Teilleistungen erheblich sind.

Die Annahme, die Pauschalvereinbarung verstoße nicht gegen § 309 Nr. 9 BGB und damit erst recht nicht gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, bei dem ein geringeres Schutzniveau gelte, trifft nicht zu. Die §§ 308 und 309 BGB finden im Verhältnis zur Beklagten, die gemäß § 14 Abs. 1 BGB Unternehmerin ist, keine Anwendung, § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Ob die vereinbarte Kündigungsklausel dem Maßstab des § 309 Nr. 9 BGB standhalten würde, ist entgegen der Auffassung der Revision unerheblich; diese Bestimmung berührt die Kündigungsmöglichkeit nach § 627 BGB – ebenso wie diejenige nach § 626 BGB – ohnehin nicht14.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 11. Februar 2010 – IX ZR 114/09

  1. BGHZ 54, 106, 108; BGH, Urteile vom 19.11.1992 – IX ZR 77/92, NJW-RR 1993, 374; und vom 11. Mai 2006 – IX ZR 63/05, NJW-RR 2006, 1490, 1491 Rn. 9↩
  2. ablehnend OLG Hamm, DStR 1995, 1407; MünchKomm-BGB/Henssler, 5. Aufl. § 627 Rn. 21↩
  3. BGH, Urteile vom 13.01.1993 – VIII ZR 112/92, NJW-RR 1993, 505, 506 m.w.N.; vom 11.05.2006, aaO; Sieg in Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl. Rn. 68; MünchKomm-BGB/Henssler, aaO § 627 Rn. 18, 23; Palandt/Weidenkaff, BGB 69. Aufl. § 627 Rn. 2↩
  4. vgl. BGH, Urteil vom 11.05.2006, aaO↩↩
  5. BGH, Urteil vom 13.01.1993, aaO; Sieg in Zuge-hör/Fischer/Sieg/Schlee, aaO Rn. 74↩
  6. BGH aaO↩
  7. LG München I NJW 1980, 293; MünchKomm-BGB/Henssler, aaO § 627 Rn. 16; BGB-RGRK/Corts, 12. Aufl. § 627 Rn. 10; Staudinger/Preis, BGB, Bearbeitung 2002 § 627 Rn. 16; Soergel/Kraft, BGB 12. Aufl. § 627 Rn. 6, 10↩
  8. BGH, Urteil vom 13.12.1990 – III ZR 333/89, NJW-RR 1991, 439, 440; vom 13.01.1993, aaO, S. 505; MünchKomm-BGB/Henssler, aaO § 627 Rn. 36↩
  9. BGHZ 106, 341, 346; BGH, Urteile vom 05.11.1998 – III ZR 226/97, NJW 1999, 276, 278; vom 09.06.2005 – III ZR 436/04, WM 2005, 1667, 1669; MünchKomm-BGB/Henssler, aaO § 627 Rn. 36, 38; Staudinger/Preis, aaO § 627 Rn. 8; Palandt/Weidenkaff, aaO § 627 Rn. 5; Lingemann in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB 4. Aufl. § 627 Rn. 3; BGB-RGRK/Corts, aaO § 627 Rn. 13↩
  10. OLG Koblenz, NJW 1990, 3153, 3154; BB 1993, 2183, 2184 jeweils zum Steuerberater; MünchKomm-BGB/Henssler, aaO Rn. 38↩
  11. BGHZ 106, 341, 346; BGH, Urteil vom 09.06.2005, aaO↩
  12. BGH, Urteil vom 09.06.2005, aaO; OLG Koblenz, NJW 1990, 3153, 3154; BB 1993, 2183, 2184↩
  13. vgl. OLG Koblenz je aaO↩
  14. vgl. BGH, Urteil vom 09.06.2005, aaO; MünchKomm-BGB/Kieninger, aaO § 309 Nr. 9 Rn. 19; Christensen in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht 10. Aufl. § 309 Nr. 9 BGB Rn. 18↩