Nachfolgend ein Beitrag vom 23.8.2017 von Boemke, jurisPR-ArbR 34/2017 Anm. 6
Leitsatz
Ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, das entgegen § 74 Abs. 2 HGB keine Karenzentschädigung enthält, ist kraft Gesetzes nichtig. Eine salvatorische Klausel ist nicht geeignet, diese Folge zu beseitigen oder zu heilen.
Orientierungssatz zur Anmerkung
Ein Wettbewerbsverbot ohne Karenzentschädigung kann nicht durch eine salvatorische Klausel geheilt werden. Für den Arbeitnehmer besteht kein Wahlrecht.
A. Problemstellung
Nachvertragliche Wettbewerbsverbote ohne Karenzentschädigung sind nach ständiger Rechtsprechung des BAG nicht nur unverbindlich nach § 74 Abs. 2 HGB, sondern nichtig. Im vorliegenden Urteil hatte sich das BAG mit der Frage zu beschäftigen, ob ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot deswegen nur unverbindlich i.S.v. § 74 Abs. 2 HGB ist, weil die Vereinbarung eine salvatorische Klausel enthält, derzufolge anstelle einer unwirksamen Bestimmung eine angemessene Regelung gelten soll.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin war bei der Beklagten vom 26.05.2008 bis 31.12.2013 als Industriekauffrau beschäftigt. § 10 des Arbeitsvertrags normierte ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot, allerdings ohne einen Anspruch auf Karenzentschädigung zu bestimmen. Darüber hinaus enthielt § 14 Abs. 2 des Arbeitsvertrags eine salvatorische Klausel, wonach unwirksame Bestimmungen durch angemessene Bestimmungen, die dem Willen der Vertragsparteien entsprächen, ersetzt werden sollten. Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthielt sich die Klägerin Wettbewerbshandlungen und verlangte deswegen eine Karenzentschädigung in Höhe der Hälfte der zuletzt bezogenen Vergütung. Die Klage hatte vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht Erfolg.
Die Revision der Beklagten führte zur Klageweisung.
Nach Auffassung des BAG war das nachvertragliche Wettbewerbsverbot mangels Karenzentschädigung insgesamt nichtig und konnte auch nicht auf Grund der salvatorischen Klausel in § 14 Abs. 2 des Arbeitsvertrags aufrechterhalten werden. Ein Anspruch auf Karenzentschädigung bestehe daher nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des BAG seien nachvertragliche Wettbewerbsverbote, die keine Karenzentschädigung vorsehen, nichtig, während Wettbewerbsverbote, die eine von § 74 Abs. 2 HGB abweichende, zu niedrige Karenzentschädigung vorsehen, lediglich unverbindlich seien. In beiden Fällen sei der Arbeitnehmer an das Wettbewerbsverbot nicht gebunden. Halte er sich aber an das Wettbewerbsverbot, könne er im ersten Falle mangels wirksamer Vereinbarung nichts, im zweiten Fall i.V.m. § 75d HGB die gesetzliche Mindestentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB verlangen (st. Rspr.: BAG, Urt. v. 15.01.2014 – 10 AZR 243/13 Rn. 23 m.w.N).
Im vorliegenden Fall war ein Anspruch auf Karenzentschädigung nicht geregelt, die Vereinbarung folglich nichtig. Der Anspruch konnte auch nicht aus § 14 Abs. 2 des Arbeitsvertrags hergeleitet werden, wonach anstelle von nichtigen oder unwirksamen Bestimmungen eine angemessene Regelung trete, die dem hypothetischen Willen der Parteien entspräche. Eine salvatorische Klausel könne nur dann greifen, wenn eine Bestimmung des Arbeitsvertrags nichtig sei. Im vorliegenden Arbeitsvertrag finde sich jedoch gar keine Bestimmung über eine Karenzentschädigung. Sinn und Zweck der §§ 74 ff. HGB (i.V.m. § 110 GewO) sei es, für den Arbeitnehmer Klarheit über ein bestehendes Wettbewerbsverbot zu schaffen und unübersichtliche sowie unverständliche Vertragswerke hinsichtlich des Wettbewerbsverbots zu verhindern. Die Bestimmung eines Wettbewerbsverbots einschließlich der Karenzentschädigung müsse daher so klar und eindeutig formuliert sein, dass für den Arbeitnehmer kein vernünftiger Zweifel am Bestehen eines Entschädigungsanspruchs bleibe. Dies ist nach Auffassung des BAG bei einer Kombination von nichtiger Wettbewerbsabrede und salvatorischer Klausel nicht der Fall. Es bedürfe einer wertenden Entscheidung, ob sich die Parteien in Kenntnis der Nichtigkeit des nachvertraglichen Wettbewerbsverbots für eine wirksame Vereinbarung mit gesetzlicher Entschädigungsabrede, für eine unverbindliche Vereinbarung mit von § 74 Abs. 2 HGB abweichender, zu niedriger Entschädigungsabrede oder aber gegen eine Wettbewerbsvereinbarung entschlossen hätten. Das Ergebnis dieser wertenden Entscheidung sei – wie die ausführlichen Erwägungen der angegriffenen landesarbeitsgerichtlichen Entscheidung (LArbG Hamm, Urt. v. 05.06.2015 – 10 Sa 67/15) zeigen – völlig offen. Es könne daher, was Voraussetzung für eine unverbindliche, aber wirksame nachvertragliche Wettbewerbsabrede sei, nicht die Rede davon sein, „dass aus Sicht des Arbeitnehmers kein vernünftiger Zweifel über seinen Entschädigungsanspruch bleibt“.
C. Kontext der Entscheidung
Der Entscheidung ist sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung zuzustimmen. Dass das Fehlen einer Bestimmung über die Karenzentschädigung nicht zu einem Wahlrecht für den Arbeitnehmer führt, entspricht der ständigen Rechtsprechung des BAG (BAG, Urt. v. 15.01.2014 – 10 AZR 243/13 Rn. 14; BAG, Urt. v. 28.06.2006 – 10 AZR 407/05 Rn. 11 m.w.N.) und der h.L. (siehe nur v. Hoyningen-Huene in: MünchKomm HGB, 4. Aufl. 2016, § 74 Rn. 49 m.w.N.). Auch eine salvatorische Klausel ändert hieran nichts. Bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz soll der Arbeitnehmer sich darüber im Klaren sein, ob er einer wirksamen Wettbewerbsbeschränkung unterliegt oder nicht (vgl. zu sog. „bedingten Wettbewerbsverboten“: BAG, Urt. v. 05.09.1995 – 9 AZR 718/93). Der salvatorischen Klausel lässt sich aber nicht entnehmen, ob das entschädigungslose Wettbewerbsverbot ersatzlos entfallen oder aber um eine Entschädigung ergänzt werden soll.
D. Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil bringt Rechtssicherheit, weil die Arbeitsvertragsparteien auch beim Bestehen einer salvatorischen Klausel im Arbeitsvertrag weiter von der Nichtigkeit des Wettbewerbsverbots ohne Karenzentschädigung ausgehen können.
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Die Klägerin hatte Karenzentschädigung auch für die Zukunft geltend gemacht. Das BAG hat diesen Antrag zutreffend für unzulässig gehalten, weil er lediglich auf „eine zukünftige Karenzentschädigung monatlich wiederkehrend“ für einen bestimmt bezifferten Zeitraum sowie eine bestimmte Höhe beziffert war. Zwar könne nach § 259 ZPO auch Klage auf künftige Leistung erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt sei, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen; es seien dann aber die für die Leistung maßgebenden Bedingungen in den Antrag aufzunehmen. Hierzu gehörten insbesondere die Einhaltung des Wettbewerbsverbots sowie das Fehlen eines die Anrechnungsgrenzen übersteigenden anderweitigen Erwerbs (vgl. dazu BAG, Urt. v. 14.07.2010 – 10 AZR 291/09).