Sind Steuerberater zu oft Handlanger der Reichen? Die Branche trifft sich – und weist alle Vorwürfe von sich.

Es ist ein unglücklicher Versprecher, der Horst Vinken da gerade unterlaufen ist. Der Präsident der deutschen Steuerberaterkammer, ein Mann mit wohl frisiertem Silberschopf, sitzt auf der Bühne eines großen Kongresses und schaut verdutzt ins Publikum.

Hunderte Steuerberater hören ihm zu. Sie haben sich in Dresden versammelt, um über die drängenden Themen ihrer Branche zu tagen. Einer Branche, die momentan in den Wahlkampf hineingerät – angesichts der Diskussionen um prominente Steuerhinterzieher, Daten-CDs und Steueroasen, angesichts der Fragen von Moral und Gerechtigkeit.

Da sagt Vinken das: Es sei die wichtigste Aufgabe eines Steuerberaters, die gesetzlichen Möglichkeiten für seine Kunden voll auszuschöpfen. „Das ist legale Steuerhinter… äh, Steuergestaltung.“ Lautes Gelächter im Saal.

Steuerhinterziehung oder -gestaltung: ein schmaler Grat

Vinken hat damit selbst den schmalen Grat angesprochen, auf dem sich die Branche bewegt. Und er hat ausgesprochen, was viele Bürger denken: Dass Steuerberater ihren oft vermögenden Kunden dabei helfen, weniger an den Staat abzugeben als Normalverdiener. Dass sie im Kleinen gegen die gerechte Sache im Großen arbeiten.

In Dresden auf dem Steuerberater-Kongress ist zu spüren, dass das der Branche nicht behagt.  „Wir haben derzeit das höchste Steueraufkommen in der Geschichte“, ruft Präsident Vinken. Die staatlichen Einnahmen seien im letzten Jahr noch einmal gewachsen, und zwar um 4,7 Prozent. „Die Bürger führen einen wachsenden Teil ihres Wohlstands an die Gemeinschaft ab“, sagt Vinken. Dass die Steuerzahler es auch deshalb tun, weil die Wirtschaft besser läuft und mehr Menschen Arbeit haben als früher, sagt er nicht.

Stattdessen berichtet Vinken von den Erfahrungen, die Steuerberater in Deutschland machen. Viele Mandanten könnten nicht mehr nachvollziehen, wofür der Staat ihr Geld ausgebe. „Es ist kein Geheimnis, dass Bürger, die denken, der Staat verschwende ihr Geld, weniger bereitwillig Steuern zahlen“, sagt Vinken. Es ist ein Satz, für den es im Saal viel Applaus gibt.

Der Fall Uli Hoeneß mache Angst

Auch er spüre die Auswirkungen der laufenden Debatte sehr direkt. „Allein in der letzten Woche hatte ich sechs Selbstanzeigen“, sagt er. Woran das liegt? Klar, der Fall Uli Hoeneß mache Angst. Viele fürchteten sich, auch auf einer Steuer-CD aufzutauchen, die deutsche Ermittler seit einiger Zeit von Informanten aus der Schweiz und anderen Staaten aufkaufen. Das erhöhe schon den Druck.

Für viele hier sind die CD-Käufe ein Unding, auch Vinken sagt das in seiner Rede. „Der Staat bewegt sich damit in einer rechtlichen Grauzone“, sagt er. Außerdem führe diese Praxis, die derzeit nur die SPD-geführten Bundesländer betreiben, lediglich zu punktuell höheren Steuereinnahmen. Die effektivere Lösung seien Abkommen mit der Schweiz und anderen Ländern, durch die pauschal und anonym Vermögen deutscher Bürger besteuert würden. Ein solches Abkommen ist bekanntlich erst vor Kurzem am Widerstand der SPD und Grünen im Bundesrat gescheitert.

Dass es einen Zusammenhang zwischen den steigenden Selbstanzeigen, den CD-Käufen und dem gescheitertem Steuerabkommen mit der Schweiz geben könnte, sagt Vinken nicht. Auch nicht, dass seine Branche davon profitiert. Schließlich muss jemand alle diese Fällte bearbeiten. Folglich ist Vinken dagegen, die Selbstanzeige und die daraus resultierende Strafbefreiung ganz abzuschaffen, so wie es derzeit viele Sozialdemokraten fordern. Die Finanz- und Ermittlungsbehörden seien dazu „personell nicht in der Lage“,  sagt er.

Am Ende des Tages bleibt der Eindruck einer Branche, die selbst ein wenig verstört ist ob der Vorwürfe der vergangenen Tage. Und die trotzig dagegen hält.

(Quelle: Zeit-online vom 13.05.2013, Autor: Zacharias Zacharakis)