LG Erfurt, Urteil vom 23. Februar 2007 – 3 O 1529/06 –, juris


 

Orientierungssatz

Ein Reitstallbetreiber, der sich nach der Reiterfahrung eines ihm Unbekannten erkundigt und diesen auf das Erfordernis des Tragens einer Reitkappe hinweist, hat die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet. Eine Sorgfalt dahingehend, einen Ausritt ohne Reitkappe zu verhindern, ist abzulehnen.

Entscheidungsgründe

Der Klägerin steht kein Anspruch auf den geltend gemachten materiellen und immateriellen Schadensersatzanspruch zu.

Ein Anspruch aus § 833 BGB scheidet aus, weil die Beklagte insoweit nicht passivlegitimiert ist. Sie ist nicht Halterin des den Unfall verursachenden Wallachs …. Im Rahmen des § 833 BGB ist derjenige passivlegitimiert, der im Zeitpunkt des Eintritts des Verletzungserfolges Halter des Tieres gewesen ist. Tierhalter im Sinne des § 833 BGB ist nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, NJW-RR 1988, 655) derjenige, dem die Bestimmungsmacht über das Tier zusteht und der aus eigenem Interesse für die Kosten des Tieres aufkommt und das wirtschaftliche Risiko seines Verlustes trägt. In der Regel ist der Halter mit dem Eigentümer identisch (Wagner in Münchner Kommentar, 4. Auflage, § 833, Rn. 20). Ausgehend von diesen Kriterien ist der Eigentümer Herr … Halter des Wallachs …. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass das Pferd bei der Beklagten eingestellt war. Denn auch in Fällen, in denen Pferde auf Gütern untergestellt werden, um sie dort zu versorgen und durch Dritte bewegen zu lassen, bleibt der Eigentümer Halter des Pferdes (Wagner, aaO, § 833, Rn. 24; Krause in Soergel, 13. Auflage, § 833, Rn. 14). Die Haltereigenschaft wird auch nicht dadurch beendet, dass der Verwahrer das Tier nebenbei für seine Zwecke nutzt.

Der Klägerin steht auch kein Anspruch aus § 834 BGB zu. Zwar ist die Beklagte Tierhüterin im Sinne dieser Vorschrift, denn Tierhüter ist derjenige, der das Tier in Pension nimmt, um es zu versorgen (Wagner, aaO, § 834, Rn. 3). Des Weiteren ist auch die Voraussetzung des § 833 BGB erfüllt, dass der Schaden durch die spezifische Tiergefahr verursacht wurde. Ein Anspruch kommt aber deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei § 834 BGB um eine Verschuldenshaftung handelt und die Beklagte bewiesen hat, dass sie an dem Unfall kein Verschulden trifft. Das Gericht ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Beklagte, die insoweit die Beweislast trifft (Krause in Soergel BGB 13. Aufl., § 834 Rn 5), die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet hat. Erforderlich war es, sich nach der Reiterfahrung der ihr unbekannten Klägerin zu erkundigen und diese auf die Benutzung einer Reitkappe hinzuweisen. Eine darüber hinaus gehende Sorgfalt dahingehend, einen Ausritt ohne Reitkappe zu verhindern, lehnt das Gericht ab. Dass die Beklagte ihre Sorgfaltspflichten erfüllt hat, ergibt sich aus den Aussagen der Zeuginnen …, … und …. Alle 3 Zeuginnen haben ausgesagt, dass die Klägerin auf das Tragen einer Reitkappe hingewiesen wurde. Zwar konnte sich die Zeugin … nicht daran erinnern, ob die Beklagte die Klägerin auf das Tragen einer Reitkappe hingewiesen hat. Sie hat allerdings ausgesagt, dass sie sich ganz sicher ist, dass über das Tragen einer Reitkappe diskutiert wurde. Die Zeugin … hat darüber hinaus ausgesagt, dass sie selber nach hinten gegangen sei, um Reitkappen zu holen und dass die Klägerin zunächst auch eine Reitkappe aufgesetzt habe. Des Weiteren hat sie bestätigt, dass die Beklagte selber die Klägerin auf die Gefährlichkeit des Reitens ohne Reitkappe hingewiesen hat. Auch die Zeugin … hat bestätigt, dass die Beklagte die Klägerin darauf hingewiesen hat, dass Reitkappen zu tragen seien. Ebenfalls hat sie bestätigt, dass die Klägerin und sie Reitkappen aufprobiert hätten, aber keine wollten. Auch wenn die Zeugen … aussagen sich in Details widersprechen, so z. B. bei der Frage, ob die Klägerin Hilfe beim Aufsteigen auf das Pferd benötigt hat oder nicht, ändert dies nichts daran, dass das Gericht davon überzeugt ist, dass die Klägerin auf das Erfordernis des Tragens einer Reitkappe hingewiesen wurde. Denn insoweit sind die Aussagen überzeugend und weitgehend übereinstimmend.

Durch die Zeugenaussagen steht auch zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich die Beklagte nach der Reiterfahrung der Klägerin erkundigt hat. Dies wurde von den Zeuginnen … und … eindeutig bestätigt. Ebenfalls wurde von den Zeuginnen bestätigt, dass die Klägerin diese Frage bejaht hat. So hat die Zeugin … ausgesagt, dass die Beklagte nachgefragt habe, ob die Klägerin schon mal geritten sei. Die Zeugin … hat darüber hinaus sogar ausgesagt, dass die Beklagte mehrmals nach der Reiterfahrung gefragt habe. Beide Zeuginnen haben bestätigt, die entsprechende Frage selber gehört zu haben. Aufgrund ihrer Schilderungen, ist dies auch nachvollziehbar.

Abgesehen vom fehlenden Verschulden der Beklagten scheidet ein Anspruch aus § 834 BGB auch wegen des überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin aus. Die zum Unfallzeitpunkt 16jährige Klägerin trifft ein erhebliches Mitverschulden, weil sie sich trotz unzureichender Reitkenntnisse überhaupt ein Pferd gesetzt hat (BGH NJW 93, 2611). Darüber hinaus ist im Rahmen des § 254 BGB dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sich die Klägerin freiwillig in den Gefahrenbereich begeben hat. Schließlich verfügte sie auch mit 16 Jahren über die nötige Einsichtsfähigkeit, um das Risiko des Reitens ohne Reitkappe zu erkennen. Wenn sie es dennoch tut, trifft sie ein überwiegendes Mitverschulden an der Verursachung von Schäden, die darauf zurückzuführen sind, dass sie die Reitkappe nicht getragen hat.