Nachfolgend ein Beitrag vom 11.9.2017 von Märtens, jurisPR-SteuerR 37/2017 Anm. 4
Leitsatz
Eine vermögensverwaltend tätige Kapitalgesellschaft unterliegt vor ihrer Eintragung in das Handelsregister (sog. Vorgesellschaft) der Gewerbesteuer, wenn sie in dem Zeitraum zwischen Gründung und Handelsregistereintragung (vermögensverwaltende) Tätigkeiten entfaltet, die über den Kreis bloßer Vorbereitungshandlungen hinausgehen.
A. Problemstellung
Der BFH hatte darüber zu entscheiden, ab wann die Vorgesellschaft zu einer GmbH der Gewerbesteuer unterliegt.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin, eine GmbH, die eigenes Vermögen – auch Immobilien – verwaltet, wurde im Dezember 2010 durch Sachgründung errichtet und im Januar 2011 im Handelsregister eingetragen. Die beiden zu jeweils 50% beteiligten Gesellschafter hatten ihre Geschäftsanteile an der M-GmbH, an der sie ebenfalls zu je 50% beteiligt waren, im Wege des Anteilstauschs zu Buchwerten gemäß § 21 UmwStG eingebracht. In der Gesellschafterversammlung der M-GmbH vom 27.12.2010 beschloss die Klägerin als Gesellschafterin eine Gewinnausschüttung, die ihr am 28.12.2010 überwiesen wurde. Die zugeflossene Ausschüttung reichte die Klägerin anschließend als Darlehen an die Gesellschafter und an andere Unternehmen aus, an denen die Gesellschafter beteiligt waren.
Das Finanzamt setzte für das Streitjahr (2010) einen Gewerbesteuermessbetrag unter Berücksichtigung der Gewinnausschüttung fest. Das Finanzgericht hat der Klage stattgegeben (FG Stuttgart, Urt. v. 28.09.2015 – 10 K 2178/12 – EFG 2016, 1184).
Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sei die Klägerin bereits für das Streitjahr gewerbesteuerpflichtig.
Obwohl eine GmbH „als solche“ erst mit der Eintragung in das Handelsregister entstehe (§ 11 Abs. 1 GmbHG), unterliege bereits die Vorgesellschaft, d.h. die Kapitalgesellschaft nach Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrags, aber vor Eintragung, der Gewerbesteuer unter der Voraussetzung, dass die Registereintragung nachfolge und die Vorgesellschaft eine nach außen in Erscheinung tretende geschäftliche Tätigkeit aufgenommen habe (BFH, Urt. v. 08.04.1960 – III 129/57 U – BStBl III 1960, 319; BFH, Urt. v. 16.02.1977 – I R 244/74 – BStBl II 1977, 561; BFH, Urt. v. 18.07.1990 – I R 98/87 – BStBl II 1990, 1073). Die nach außen tätig gewordene Vorgesellschaft bilde mit der später eingetragenen Kapitalgesellschaft einen einheitlichen Steuergegenstand (BFH, Urt. v. 18.07.1990 – I R 98/87 – BStBl II 1990, 1073; Blümich/Drüen, § 2 GewStG Rn. 241; Keß in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 2 Rn. 3084; Güroff in: Glanegger/Güroff, GewStG, 8. Aufl., § 2 Rn. 470; Behrens/Braun, BB 2013, 926, 929; s.a. zur Körperschaftsteuer das Senatsurt. v. 14.10.1992 – I R 17/92 – BStBl II 1993, 352; Martini, Der persönliche Körperschaftsteuertatbestand, 2016, S. 120 ff.).
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gelte als Gewerbebetrieb „stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften“. Da folglich die sachliche Steuerpflicht der Klägerin als Kapitalgesellschaft (nach der Handelsregistereintragung) die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit umfasse, auch wenn die Voraussetzungen einer gewerblichen Tätigkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG, § 15 Abs. 2 EStG) nicht vorlägen, müsse dies mit Blick auf den einheitlichen Steuergegenstand auch für eine geschäftliche Tätigkeit der Vorgesellschaft gelten. Entgegen der Ansicht des Finanzgerichts müssten die Voraussetzungen einer „originär“ gewerblichen Tätigkeit nicht vorliegen. Soweit aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats (BFH, Urt. v. 18.07.1990 – I R 98/87 – BStBl II 1990, 1073) abgeleitet worden sei, dass eine Vorgesellschaft stets die Voraussetzungen einer originär gewerblichen Tätigkeit erfüllen müsse, halte der Senat hieran nicht fest. Allerdings liege eine die sachliche Steuerpflicht auslösende geschäftliche Tätigkeit nicht schon in solchen Tätigkeiten, die von der Vorgesellschaft entfaltet würden, um die in Gang gesetzte Gründung der juristischen Person abzuschließen. Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Gründung der Kapitalgesellschaft stünden (z.B. die verzinsliche Anlage des Stammkapitals), seien als Vorbereitungshandlungen anzusehen, die nach allgemeinen Grundsätzen für den gewerbesteuerrechtlichen Steuergegenstand noch nicht relevant seien, sondern vielmehr nur die steuerrelevante Tätigkeit ermöglichten (BFH, Urt.v. 18.07.1990 – I R 98/87 – BStBl II 1990, 1073).
Die Tätigkeit der Klägerin sei über diesen gründungsbezogenen Zusammenhang hinausgegangen, so dass die Gewerbesteuerpflicht schon vor der Handelsregistereintragung eingesetzt habe. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts habe die Klägerin als Gesellschafterin der M-GmbH einen Ausschüttungsbeschluss gefasst und anschließend die hierdurch erlangten Mittel im Darlehenswege an ihre Gesellschafter und nahestehende Personen ausgereicht. Indem die Klägerin ihre durch Sachgründung erlangte Gesellschafterstellung bei der M-GmbH zum Zwecke der Ausschüttung und damit zur Liquiditätsverschaffung genutzt habe, habe sie – auch gegenüber Außenstehenden – eine ihrem Geschäftszweck (dem Halten und Verwalten eigenen Vermögens) entsprechende geschäftliche Tätigkeit aufgenommen. Der Ausschüttungsbeschluss überschreite das Gründungsstadium der Klägerin und sei auch keine einlagesichernde Maßnahme; er sei vielmehr Ausgangspunkt für die weitere satzungsmäßige Tätigkeit der Klägerin (Darlehensvergabe), möge sie sich auch tatsächlich auf Gesellschafter und nahestehende Personen beschränkt haben.
C. Kontext der Entscheidung
Als Vorgesellschaft wird das Stadium einer Kapitalgesellschaft zwischen der formgültigen Errichtung der Gesellschaft (durch Abschluss des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung) und der für die zivilrechtliche Wirksamkeit erforderlichen Eintragung in das Handelsregister bezeichnet. Zivilrechtlich wird die Vorgesellschaft als Gesellschaft sui generis beurteilt. Nach ständiger Rechtsprechung findet auf die Vorgesellschaft bereits in weitem Umfang das Recht der jeweiligen künftigen Kapitalgesellschaft Anwendung, sofern sie später tatsächlich als solche im Handelsregister eingetragen wird und bereits vor der Registereintragung nach außen hin durch geschäftliche Betätigung in Erscheinung tritt.
Mit der Besprechungsentscheidung stellt der BFH in Bezug auf den Beginn der Gewerbesteuerpflicht klar, dass zu den auf die Vorgesellschaft anwendbaren Rechtsgrundsätzen grundsätzlich auch die Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG gehört, dem zufolge als Gewerbebetrieb stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften gehört, unabhängig davon ob die betreffende Gesellschaft tatsächlich originär gewerbliche oder „nur“ vermögensverwaltende Tätigkeiten ausübt. Nur solche vermögensverwaltenden Tätigkeiten, die allein durch die Gesellschaftsgründung veranlasst sind – dazu rechnet der BFH z.B. die verzinsliche Anlage der Gesellschaftereinlagen – begründen noch keine Gewerbesteuerpflicht.
Kommt es später nicht zur Eintragung der Kapitalgesellschaft im Handelsregister, sind die Gründer regelmäßig als Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anzusehen (vgl. BFH, Urt. v. 18.03.2010 – IV R 88/06 – BStBl II 2010, 991). In diesem Fall setzt die Gewerbesteuerpflicht der Mitunternehmerschaft eine gewerbliche Betätigung voraus.
D. Auswirkungen für die Praxis
Vorgesellschaften von Kapitalgesellschaften, die später im Handelsregister eingetragen werden und deren Tätigkeit über die mit der Gründung zusammenhängenden Aktivitäten hinausgehen, sind auch dann gewerbesteuerpflichtig, wenn sie lediglich Vermögensverwaltung betreiben. Dies gilt für alle in § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG als Kapitalgesellschaften bezeichneten Körperschaften.