Nachfolgend ein Beitrag vom 21.8.2017 von Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 34/2017 Anm. 3

Leitsätze

1. Üben Ärzte ihre selbstständige Tätigkeit als Berufsausübungsgemeinschaft sowohl in eigenen Praxisräumen als auch als Belegärzte in einer angrenzenden Klinik unter vertraglich vereinbarter Nutzung von Räumen der Klinik aus, bilden diese Räume und diejenigen der Praxis eine einheitliche Betriebsstätte.
2. Der Aufwand für Fahrten der Ärzte zwischen ihrer Wohnung und dieser Betriebsstätte kann nur im Umfang der nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG pro Entfernungskilometer zu berücksichtigenden Beträge als Sonderbetriebsausgabe abgezogen werden.

A. Problemstellung

Zu entscheiden war, wann eine einheitliche regelmäßige Betriebsstätte bei Ärzten vorliegt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG).

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Kläger und die Beigeladenen zu 1) bis 4) sind Gesellschafter der in der Rechtsform einer GbR betriebenen Berufsausübungsgemeinschaft der …ärzte in X (Beigeladene zu 5). Die Praxisräume der Beigeladenen zu 5) befinden sich auf dem Gelände des Kreisklinikums X. Praxisgebäude und Klinik sind über gemeinsame Zugänge erreichbar. Im Rahmen eines Sicherstellungsauftrags war vereinbart, dass der Notdienst für die … Station des Kreisklinikums X durch die Beigeladene zu 5) zu gewährleisten war. Daneben waren die Gesellschafter der Beigeladenen zu 5) auch als Belegärzte am Kreisklinikum X tätig. Zwischen der Berufsausübungsgemeinschaft und dem Klinikum bestand zudem in den Bereichen … und Labor eine Apparategemeinschaft. Die entsprechenden Einrichtungen, insbesondere der sog. Befundungsraum, befanden sich in den Räumlichkeiten des Kreisklinikums. Der Kläger und die Beigeladenen zu 1) bis 4) waren zur Befundung ihrer Patienten in diesen Räumlichkeiten berechtigt. Die Nutzung der Klinikräume erfolgte auch für Krebsbehandlungen und Operationen durch die Gesellschafter der Beigeladenen zu 5), die jederzeit Zutritt zum Kreisklinikum hatten. Bei der Nutzung der Klinikeinrichtungen (insbesondere für die Durchführung von Operationen) hatten sie sich jedoch in den Organisationsablauf des Klinikums einzuordnen.
Der Kläger wohnte im Streitjahr in Y und war regelmäßig entweder in der Praxis der Beigeladenen zu 5) oder dem Kreisklinikum tätig. Die einfache Straßenentfernung zwischen seiner Wohnung und der Praxis der Beigeladenen zu 5) bzw. dem Kreisklinikum betrug 56 km. Über die Fahrten zwischen seiner Wohnung und der Praxis der Beigeladenen zu 5) bzw. dem Kreisklinikum mit dem PKW führte er ein Fahrtenbuch und machte in der Feststellungserklärung 2008 sämtliche Fahrzeugkosten inkl. Absetzung für Abnutzung i.H.v. 13.104,11 Euro als Sonderbetriebsausgaben geltend.
Das beklagte Finanzamt stellte die Einkünfte zunächst unter Berücksichtigung der erklärten Sonderbetriebsausgaben unter dem Vorbehalt der Nachprüfung am 24.11.2010 gesondert und einheitlich fest. Im Anschluss an eine bei der Beigeladenen zu 5) durchgeführten Betriebsprüfung änderte das Finanzamt den zuvor für das Streitjahr ergangenen Gewinnfeststellungsbescheid mit Bescheid vom 22.07.2011. Dabei folgte es den Feststellungen der Betriebsprüfung im Bericht vom 28.02.2011 und berücksichtigte statt der gesamten Fahrzeugkosten für die Fahrten zwischen Wohnung und der Praxis der Beigeladenen zu 5) und für die Fahrten zwischen Wohnung und Kreisklinikum jeweils lediglich die Entfernungspauschale i.H.v. zusammen 2.016 Euro als Sonderbetriebsausgabe des Klägers. Der gegen den Gewinnfeststellungsbescheid erhobene Einspruch blieb erfolglos, ebenso die Klage (FG Nürnberg, Urt. v. 18.03.2014 – 1 K 1714/13 – EFG 2014, 1858).
Auch die Revision des Klägers wurde zurückgewiesen. Der BFH führte zur Begründung aus:
Zu Recht hat das Finanzgericht die streitigen Aufwendungen für die Fahrten des Klägers lediglich im Umfang der Entfernungspauschale nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Fortführung der Gesetzeslage 2006 bei der Entfernungspauschale vom 20.04.2009 (BGBl I 2009, 774) als Sonderbetriebsausgaben berücksichtigt, weil im Streitfall nur Fahrten des Klägers zu einer regelmäßigen Betriebstätte gegeben sind.
Im Streitjahr sind § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Sätze 2 und 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 und Abs. 2 EStG anzuwenden. Für die Annahme einer Betriebsstätte einer Personengesellschaft i.S.v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG ist der prägende, regionsbezogene Ort maßgeblich, an dem oder von dem aus die beruflichen oder gewerblichen Leistungen für Rechnung der Gesellschaft erbracht werden, die den steuerbaren Einkünften zugrunde liegen (BFH, Urt. v. 29.04.2014 – VIII R 33/10 – BStBl II 2014, 777).
Nach den für den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts übten der Kläger und die Beigeladenen zu 1) bis 4) ihre freiberufliche ärztliche Tätigkeit sowohl in den Praxisräumen der Beigeladenen zu 5) als auch in den unmittelbar angrenzenden Klinikräumen aus. Dabei erbrachte der Kläger seine ärztlichen Leistungen in der Praxis und der Klinik auf der Grundlage der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen der Beigeladenen zu 5) und der von der Beigeladenen zu 5) mit dem Klinikum geschlossenen weiteren vertraglichen Abreden. Er nutzte hierfür nicht nur Geräte der bestehenden Apparategemeinschaft, sondern auch Räumlichkeiten und Einrichtungen sowohl der Beigeladenen zu 5) als auch in unmittelbarer Nähe gelegene Räume und Einrichtungen der Klinik.
Daher hat das Finanzgericht rechtsfehlerfrei eine einheitliche Betriebsstätte angenommen und den Abzug der streitigen Fahrtaufwendungen als Sonderbetriebsausgaben im Rahmen der Ermittlung der abzugsfähigen Aufwendungen nach der Fahrtenbuchmethode auf die Entfernungspauschale nach den §§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Sätze 2 und 3, 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG begrenzt.

C. Kontext der Entscheidung

Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG, der i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 2 EStG entsprechend für Betriebsausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte gilt, ist der Abzug von Betriebsausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Betriebsstätte auf die Höchstbeträge der gesetzlichen Entfernungspauschale begrenzt. Dies gilt auch bei Ermittlung des Anteils der privaten Nutzung durch ein Fahrtenbuch (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 3 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG) für die Ermittlung der Höhe der abzugsfähigen Sonderbetriebsausgaben des Mitunternehmers einer freiberuflich tätigen Mitunternehmerschaft. Durch die Entfernungspauschale sind nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG „sämtliche Aufwendungen“ abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Betriebsstätte veranlasst sind.
Die Betriebsstätte einer Personengesellschaft ist die ortsfeste dauerhafte betriebliche Einrichtung, die die Gesellschafter nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit aufsuchen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Bei der Beantwortung der Frage, ob (nur) eine regelmäßige Betriebsstätte einer Personengesellschaft vorliegt, ist auf den Ort abzustellen, an dem/von dem aus die berufliche/gewerbliche Leistung für Rechnung der Gesellschaft erbracht wird.