Nachfolgend ein Beitrag vom 14.8.2017 von Wozniak, jurisPR-InsR 16/2017 Anm. 4

Leitsatz

Hat die Gesellschaft vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Abschlussprüfer gemäß § 318 Abs. 1 HGB für solche Geschäftsjahre bestellt, die vor dem Jahr liegen, das der Insolvenzeröffnung unmittelbar vorangeht, wird die Wirksamkeit dieser Bestellung in entsprechender Anwendung des § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt und kann das Registergericht für diese Jahre keinen neuen Abschlussprüfer bestellen (entgegen OLG Dresden, Beschl. v. 30.09.2009 – 13 W 281/09).

A. Problemstellung

Anders als das OLG Dresden (Beschl. v. 30.09.2009 – 13 W 281/09) sieht das OLG Karlsruhe im vorliegenden Fall die Wirksamkeit der Bestellung eines Abschlussprüfers gemäß § 318 Abs. 1 HGB für solche Geschäftsjahre, die vor dem Jahr liegen, das der Insolvenzeröffnung unmittelbar vorangeht, durch die Insolvenzeröffnung in entsprechender Anwendung des § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO nicht berührt und versagt dem Registergericht die Möglichkeit, für diese Jahre einen neuen Abschlussprüfer zu bestellen. Die hier zu besprechende Entscheidung ist vorläufig, das Verfahren ist noch nicht rechtskräftig, da die zugelassene Rechtsbeschwerde gegenwärtig beim BGH unter dem Az. II ZB 17/17 anhängig ist.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Beteiligte zu 1) wendet sich gegen den Beschluss des Amtsgerichts, soweit ihr Antrag auf Bestellung eines Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2014 zurückgewiesen wurde. Über das Vermögen der Beteiligten zu 1) ist mit Beschluss vom 01.05.2016 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Mit Beschluss vom 11.05.2016 wurde außerdem die Eigenverwaltung angeordnet und ein Sachwalter bestimmt. Mit Antrag vom 10.03.2016 hatte die Beteiligte zu 1) unter anderem beantragt, die Beteiligte zu 3) gerichtlich als Abschlussprüfer für die Prüfung des Jahresabschlusses auf den 31.12.2014 zu bestellen. Die Beteiligte zu 3) hat sich mit der beantragten Bestellung einverstanden erklärt, die Beteiligte zu 2) ist dem Antrag entgegengetreten. Vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat die Beteiligte zu 1) durch Gesellschafterbeschluss die Beteiligte zu 2) zum Abschlussprüfer für das zum 31.12.2014 endende Geschäftsjahr bestimmt und ihr einen Prüfungsauftrag erteilt.
Das Amtsgericht hatte den Antrag der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Die Bestellung der Beteiligten zu 2) sei nicht durch die Insolvenzeröffnung unwirksam geworden. Dies ergebe sich insbesondere nicht aus § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO. Auch die Voraussetzungen für die Bestellung eines neuen Prüfers gemäß § 318 Abs. 3 HGB lägen nicht vor.
Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 1) Beschwerde eingelegt, die am 18.01.2017 beim Amtsgericht eingegangen ist. Sie vertritt die Auffassung, durch die Insolvenzeröffnung sei die Bestellung der Beteiligten zu 2) als Abschlussprüferin unwirksam geworden, was einerseits aus § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO folge; andererseits sei der Prüfungsvertrag gemäß den §§ 115, 116 InsO durch die Insolvenzeröffnung erloschen.
Das OLG Karlsruhe sieht die Beschwerde als zulässig, jedoch nicht als begründet an. Das Amtsgericht habe die gerichtliche Bestellung eines neuen Abschlussprüfers zu Recht abgelehnt. Die Beschwerde sei gemäß den §§ 402 Abs. 1, 375 Nr. 1 FamFG statthaft und zulässig eingelegt. Die Beschwerdeberechtigung der Beteiligten zu 1) ergebe sich aus § 59 Abs. 2 FamFG.
Die Beschwerde habe aber in der Sache keinen Erfolg, da die Voraussetzung der gerichtlichen Bestellung eines Abschlussprüfers nach § 155 Abs. 3 Satz 1 InsO i.V.m. § 318 HGB nicht vorlägen. Der Abschlussprüfer einer Kapitalgesellschaft werde gemäß § 318 Abs. 1 Satz 1 HGB grundsätzlich von den Gesellschaftern gewählt; ausnahmsweise werde er in den in § 318 Abs. 3 und 4 HGB geregelten Fällen auf Antrag vom Gericht bestimmt. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens liege nach § 155 Abs. 3 Satz 1 InsO die Zuständigkeit zur Bestellung des Abschlussprüfers nicht mehr bei den Gesellschaftern, sondern die Bestellung könne nur auf Antrag des Insolvenzverwalters durch das Gericht erfolgen. Dies gelte auch im Fall der Eigenverwaltung nach den §§ 270 ff. InsO. Auch wenn hierfür § 281 Abs. 3 InsO bestimme, dass zur Rechnungslegung weiterhin der Schuldner verpflichtet sei, mache die Bezugnahme in § 281 Abs. 3 InsO auf § 155 InsO deutlich, dass § 155 InsO entsprechend gelte, also auch bei der Insolvenz der Kapitalgesellschaft in Eigenverwaltung nicht mehr diese die Bestellung des Abschlussprüfers vornehmen könne, sondern nur noch auf ihren Antrag hin das zuständige Gericht. Abweichend von § 155 Abs. 3 Satz 1 InsO regele § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO, dass dann, wenn für das Geschäftsjahr vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits ein Abschlussprüfer bestellt wurde, die Wirksamkeit dieser Bestellung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt werde. Dabei werde die Regelung als gesetzliche Durchbrechung der §§ 115, 116 InsO angesehen.
Umstritten sei jedoch, was aus der Regelung für die Prüferbestellung folge, die die Geschäftsjahre betreffe, die noch vor dem Jahr liegen, dass der Eröffnung unmittelbar vorangeht.
Das OLG Dresden habe sich mit Beschluss vom 30.09.2009 (13 W 281/09) mit der Frage befasst und eine Geltung von § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO für die Bestellung des Prüfers für frühere Jahresabschlüsse verneint. Es habe eine Unwirksamkeit des Prüfungsvertrages aufgrund der Insolvenzeröffnung angenommen, entweder nach den §§ 115, 116 InsO oder nach § 103 InsO. Es bestehe, so das OLG Dresden, kein Grund, § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO über den Wortlaut hinaus anzuwenden. In der Literatur werde hingegen die Auffassung vertreten, dass Prüfungsaufträge für frühere Jahre ebenfalls von der gesetzlichen Regelung erfasst werden könnten.
Das OLG Karlsruhe schließt sich der Literaturauffassung an. Namentlich die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 12/2443, S. 173) lasse keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers ausgerechnet das Jahr vor der Eröffnung anders behandelt werden sollte als die davorliegenden Jahre. Der Gesetzgeber sei allerdings ferner davon ausgegangen, dass dann, wenn der Abschlussprüfer im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits gewählt und ihm der Prüfungsauftrag erteilt worden sei, dieser Prüfer zur Prüfung berechtigt bleiben solle. Dies mache deutlich, dass der Gesetzgeber mit § 155 Abs. 3 Satz 1 InsO gerade keine Regelung schaffen wollte, die es dem Insolvenzverwalter bzw. in der Eigenverwaltung dem Schuldner ermöglichen soll, sich von schon wirksam getroffenen und umgesetzten Entscheidungen der Gesellschafter nach § 318 Abs. 1 HGB wieder zu lösen. Es solle vielmehr lediglich eine Modifizierung des Verfahrens nach § 318 Abs. 1 Satz 1 HGB für die Insolvenz vorgenommen werden. Sollte ein sachliches Bedürfnis bestehen, den bereits von den Gesellschaftern gewählten und beauftragten Abschlussprüfer zu entlassen, könne unter den Voraussetzungen des § 318 Abs. 3 HGB dessen Entlassung bei Gericht beantragt werden. Dies gelte auch während des Insolvenzverfahrens. Ein Bedürfnis, in der Insolvenz ein Sonderentlassungsrecht zu begründen, bestehe hingegen nicht und sei auch vom Gesetzgeber so nicht vorgesehen gewesen. Gegen ein anderes Verständnis der Regelung in § 155 Abs. 3 InsO spreche schließlich, dass es widersinnig erscheine, in der Insolvenz zwar eine Bindung an die Prüferbestellung des Gesellschafters für den unmittelbar vor der Eröffnung liegenden Jahresabschluss anzunehmen, eine Bindung hingegen für die davorliegenden, für die Insolvenz regelmäßig weniger interessanten Jahre zu verneinen.
Das Gericht bejaht aufgrund seiner Abweichung von der Rechtsprechung des OLG Dresden die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage und hat daher die Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 FamFG zugelassen. Eine Klärung durch den BGH steht bislang aus.

C. Kontext der Entscheidung

In einer dogmatisch interessanten und geradezu schulbuchmäßig aufgearbeiteten Entscheidung hat sich das OLG Karlsruhe in Widerspruch zur Argumentation des OLG Dresden gesetzt, was die Frage der im Insolvenzverfahren fortdauernden Prüferbestellung für prüfungspflichtige Gesellschaften in der Insolvenz betrifft. Im vorliegenden Fall war im Eigenverwaltungsverfahren die Auffassung vertreten worden, die Regelung des § 155 Abs. 3 Satz 1 InsO ermögliche eine Neubestellung, nachdem Jahre betroffen waren, die vor dem „letzten Jahr“, das § 155 InsO nennt, liegen. Hier hatte bereits das OLG Dresden die Auffassung vertreten, diese Fälle seien vom Gesetzgeber explizit nicht geregelt worden, so dass es bei den allgemeinen Regeln der §§ 115, 116 bzw. 103 InsO verbleiben müsse. In diesem Fall hätte es hier dem eigenverwaltenden Schuldner oblegen, die bereits getätigte Bestellung nicht aufrechtzuerhalten bzw. einen neuen Prüfer zu bestellen.
Wiewohl der Entscheidung des OLG Dresden aus dem Jahr 2009 die größere Wortlautnähe zur gesetzgeberischen Formulierung zuzugestehen ist, führt die Entscheidung des OLG Karlsruhe völlig zu Recht aus, dass nach dem Telos der Gesetzesregelung kein Grund dafür ersichtlich sei, weshalb das letzte Jahr vor der Insolvenzeröffnung eine Bindung des Insolvenzverwalters bzw. des eigenverwaltenden Schuldners vorsehen solle, für die früheren Jahre jedoch hingegen nicht. Vielmehr wird man e contrario davon ausgehen müssen, dass dann, wenn schon das letzte Jahr erfasst ist, alle früheren Jahre sinnvollerweise von dieser Regelung auch erfasst sein sollten.
Nachdem die Angelegenheit bereits beim BGH anhängig ist, bleibt abzuwarten, wie die Entscheidung des BGH ausfällt.

D. Auswirkungen für die Praxis

Im gegenwärtigen Verfahrensstand bestehen divergierende obergerichtliche Entscheidungen, so dass sich jede der genannten Argumentationen mit guten Gründen vertreten lässt. Wirkliche Rechtssicherheit dürfte erst die Entscheidung des BGH zu diesem Problem bringen, die hoffentlich zeitnah zu erwarten ist.