Nachfolgend ein Beitrag vom 10.4.2017 von Fischer, jurisPR-SteuerR 15/2017 Anm. 1

Leitsatz

Wirtschaftliches Eigentum nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO des Leasingnehmers an dem Leasinggegenstand kommt nicht in Betracht, wenn die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes länger als die Grundmietzeit ist und dem Leasinggeber ein Andienungsrecht eingeräumt ist.

A. Problemstellung

Höchstrichterlich noch nicht geklärt war die Frage, ob wirtschaftliches Eigentum des Leasingnehmers auch dann in Betracht kommt, wenn die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer länger als die Grundmietzeit ist, allerdings nicht dem Leasingnehmer ein Optionsrecht (Verlängerungs- oder Kaufoption), sondern dem Leasinggeber als zivilrechtlichem Eigentümer ein Andienungsrecht zu so günstigen Konditionen eingeräumt ist, dass bei wirtschaftlich vernünftiger Entscheidungsfindung mit der Ausübung des Rechts zu rechnen ist. Diese Frage hat der BFH nunmehr verneint. Dies gilt freilich nicht für die Fälle des Spezial-Leasings. Die Entscheidung enthält instruktive Ausführungen zum „sale-and-lease-back“-Vertrag und seiner Finanzierungs- und Sicherungsfunktion in Fällen, in denen der Leasinggeber gleichzeitig ein Darlehen vom Leasingnehmer zur Finanzierung eines Teils des „Kaufpreises“ (Lieferantenkredit) erhält.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Eine KG verleaste Wirtschaftsgüter u.a. an die A.-GmbH (Informationssysteme) und an die B.-GmbH (Dosierautomaten für Bakterienkulturen) als Leasingnehmerinnen, von denen sie die Leasinggegenstände ankaufte und sogleich an diese als Leasinggeberin zurückverleaste („sale-and-lease-back“). Die Leasingverträge hatten eine Laufzeit von 48 Monaten. Die KG schloss mit der A.-GmbH Rückkaufvereinbarungen ab. Danach war die A.-GmbH auf Verlangen der KG verpflichtet, die Leasingobjekte bei Beendigung des Leasingvertrags zurückzukaufen. Bei Ausübung des Rückkaufverlangens zum Ende der vereinbarten Leasinglaufzeit sollte der Rückkaufpreis 20% des Nettoverkaufspreises abzüglich eventueller Zulassungs- und Überführungskosten betragen. Wegen der Insolvenz über das Vermögen der A.-GmbH kam es nicht zu einer vollständigen Durchführung der Verträge. Mit der B.-GmbH schloss die Klägerin gleichartige Verträge ab. Am Ende der Vertragslaufzeit war die B.-GmbH auf Verlangen der KG verpflichtet, die Dosierautomaten zurückzukaufen.
In der Bilanz auf den 31.12. des Streitjahres 2007 wies die KG die Leasinggegenstände als ihr Anlagevermögen aus. Bei der Ermittlung der Einkünfte hatte die KG auf die Leasinggegenstände degressive Absetzungen für Abnutzung (AfA) i.H.v. 30% der Anschaffungskosten vorgenommen. Nach Auffassung des Finanzamts waren die Leasinggegenstände nicht der KG zuzurechnen.
Die Klage hatte teilweise Erfolg (FG Hannover, Urt. v. 03.07.2013 – 4 K 188/11 – EFG 2013, 1724). Die Revision hatte Erfolg. Der BFH führte zur Begründung aus:
I. Der zivilrechtliche Eigentümer wird i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO u.a. dann „wirtschaftlich ausgeschlossen“, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sein Herausgabeanspruch keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat (grundlegend BFH, Urt. v. 26.01.1970 – IV R 144/66 – BStBl II 1970, 264 „Leasing-Urteil“). Unter anderem gelten die folgenden Grundsätze:


Ein schuldrechtlich oder dinglich Nutzungsberechtigter hat grundsätzlich kein wirtschaftliches Eigentum in diesem Sinne an dem ihm zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgut (BFH, Urt. v. 28.05.2015 – IV R 3/13 – BFH/NV 2015, 1577 m.w.N.).

Dies gilt gleichermaßen für das Leasing von beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern.

Im Übrigen hat die Rechtsprechung bestimmte Fallgruppen entwickelt (BFH, Urt. v. 26.01.1970 – IV R 144/66; BFH, Urt. v. 02.06.2016 – IV R 23/13 – BFH/NV 2016, 1433, Teilamortisationsleasing einer Immobilie; Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 51/2016 Anm. 1).

Da es sich auch bei dem „sale-and-lease-back“-Verfahren grundsätzlich um ein Leasing handelt (BGH, Urt. v. 29.11.1989 – VIII ZR 323/88 – BGHZ 109, 250), finden die genannten Grundsätze auch auf solche Gestaltungen Anwendung. Der Leasinggeber beschafft sich den Leasinggegenstand nicht von einem Dritten, sondern vom Leasingnehmer. Wird bei einem „sale-and-lease-back“ der Leasingvertrag derart ausgestaltet, dass das wirtschaftliche Eigentum dem Leasingnehmer zuzurechnen ist, verbleibt dieses durchgehend beim Leasingnehmer.

II. Ist die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer des Leasinggegenstandes länger als die Grundmietzeit, kann der Leasingnehmer (der „andere“) den Leasinggeber nur dann für die verbleibende Nutzungsdauer von der Einwirkung auf den Leasinggegenstand ausschließen, wenn ihm eine entsprechende rechtliche Befugnis zusteht.
1. Er muss über eine den wirtschaftlichen Ausschluss herbeiführende Befugnis (z.B. Verlängerungs- oder Kaufoption) verfügen. Ist in einem derartigen Fall darüber hinausgehend mit der Ausübung dieses Rechts durch den Leasingnehmer bei wirtschaftlich vernünftiger Entscheidungsfindung zu rechnen, wird der Leasingnehmer den Leasinggeber auf Dauer von jeglicher Einwirkung auf den Leasinggegenstand ausschließen („Leasing-Urteil“ des BFH, Urt. v. 26.01.1970 – IV R 144/66, unter C.III.2.b und c).
2. Andererseits kann dem Leasingnehmer bei gleicher Konstellation kein wirtschaftliches Eigentum zugerechnet werden, wenn dem Leasinggeber als zivilrechtlichem Eigentümer ein Andienungsrecht eingeräumt ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Ausübung dieses Andienungsrechts für den Rechtsinhaber (Leasinggeber) wirtschaftlich vorteilhaft ist. Für Wahrscheinlichkeitserwägungen ist an dieser Stelle kein Raum. Denn in einem solchen Fall hat der Leasingnehmer nicht die in § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO vorausgesetzte wirtschaftliche Ausschlussbefugnis. Vielmehr ist der Leasinggeber in der Lage, nach Ablauf der Grundmietzeit nach seinem Belieben mit dem Wirtschaftsgut zu verfahren.
III. Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen attestiert der BFH dem Finanzgericht, es habe rechtsfehlerhaft entschieden, dass das wirtschaftliche Eigentum an den Informationssystemen bei der A.-GmbH verblieben sei, weil der KG ein Andienungsrecht zugestanden habe, das die KG unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten (zwingend) habe ausüben müssen.
Selbst wenn der KG ein wirtschaftlich vorteilhaftes Andienungsrecht zugestanden haben sollte, ließe sich hieraus kein wirtschaftliches Eigentum der A.-GmbH herleiten. Denn die A.-GmbH konnte die KG für den Fall einer verbleibenden Nutzungsdauer – mangels rechtlicher Befugnis – insoweit nicht i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO von der Einwirkung auf die Informationssysteme ausschließen.
IV. Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen konnte der Senat nicht abschließend beurteilen, ob die A.-GmbH ggf. aus anderen Gründen wirtschaftliche Eigentümerin der Informationssysteme geblieben und das FG-Urteil deshalb im Ergebnis zutreffend ist. Nach den Ausführungen des Finanzgerichts war die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Informationssysteme möglicherweise ein Jahr kürzer oder bis zu zwei Jahre länger als die Grundmietzeit von 48 Monaten gewesen. Hiernach – so auch der BFH – ist es denkbar, dass sich die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Informationssysteme und die Grundmietzeit annähernd gedeckt haben. Danach ist es möglich, dass die A.-GmbH unter diesem Aspekt wirtschaftliche Eigentümerin der Informationssysteme geblieben ist. Dies vor allem dann, wenn die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Informationssysteme nicht länger war als die Grundmietzeit von 48 Monaten und sie mit Ablauf der Grundmietzeit keinen nennenswerten Verkaufswert mehr gehabt hätten.
V. Nach der Rechtsprechung des BFH ist beim Spezial-Leasing eine wirtschaftliche Einwirkungsmöglichkeit des Leasinggebers ohne Rücksicht auf das Verhältnis zwischen Grundmietzeit und betriebsgewöhnlicher Nutzungsdauer zu verneinen. Denn in diesem Fall der ist der Herausgabeanspruch des Leasinggebers unabhängig von einer Option des Leasingnehmers stets (wirtschaftlich) wertlos.
VI. Soweit das Finanzgericht das wirtschaftliche Eigentum an den Leasinggegenständen – so wie bereits für die an die B.-GmbH verleasten Dosierautomaten geschehen – zu Recht der Leasingnehmerin zugerechnet hat, hat es das „sale-and-lease-back“-Verfahren zutreffend als ein Darlehen der KG an die Leasingnehmerin in Höhe der geleisteten Anzahlungen gewertet. Der dem Leasingvertrag zeitlich vorgelagerte Kaufvertrag ist mangels Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums weder ein gewinnrealisierender Umsatzakt (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) durch den Leasingnehmer (vgl. BFH, Urt. v. 24.07.1996 – I R 94/95 – BStBl II 1997, 122), noch eine Anschaffung durch den Leasinggeber (BFH, Urt. v. 13.10.1983 – IV R 160/78 – BStBl II 1984, 101). Ebenso kann der zeitlich nachgelagerte Leasingvertrag beim Leasinggeber weder als erneuter gewinnrealisierender Umsatzakt (mangels Rückübertragung des wirtschaftlichen Eigentums durch den Leasinggeber) noch als eine Gebrauchsüberlassung (mangels Verbleibs des wirtschaftlichen Eigentums beim Leasinggeber) beurteilt werden. Vielmehr ist der Leasinggegenstand steuerrechtlich ununterbrochen dem Leasingnehmer zuzurechnen und bei ihm zu aktivieren; bilanziell erfolgt weder ein Ab- noch Zugang. In einem derartigen Fall hat das „sale-and-lease-back“-Verfahren eine Finanzierungs- und Sicherungsfunktion (BFH, Urt. v. 09.02.2006 – V R 22/03 – BStBl II 2006, 727). Etwas anderes ergibt sich hier auch nicht daraus, dass zugleich die KG von der Leasingnehmerin ein Darlehen zur Finanzierung eines Teils des „Kaufpreises“ erhalten hat (Lieferantenkredit). Dieser Beurteilung steht nicht das zur umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung von „sale-and-lease-back“-Geschäften ergangene BFH-Urteil vom 06.04.2016 (V R 12/15 – BStBl II 2017, 188) entgegen.

C. Kontext der Entscheidung

I. Zum – etwaigen – wirtschaftlichen Eigentum an den Informationssystemen ist Folgendes nachzutragen. Das rechtliche wie das wirtschaftliche Eigentum ist ohne zeitliche Begrenzung konzipiert. Es findet aber seine natürliche zeitliche Grenze in der Lebensdauer des Wirtschaftsguts. Die Nutzung kann so vereinbart sein, dass das Wirtschaftsgut nach Ablauf der Nutzungsdauer bei normalem Verlauf der Dinge verbraucht ist. Ein Anwendungsfall des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO ist seit jeher die – rechtlich gesicherte – „Nutzung eines Wirtschaftsguts bis zu dessen Erschöpfung (Verbrauch)“, so z.B. beim Mietkauf, dem Leasing und der Ausbeutung eines Bodenschatzes bzw. Mineralgewinnungsrechts. In typisierender Betrachtung ist anzunehmen, dass nach Ablauf der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer das Wirtschaftsgut verbraucht und damit wertlos ist. Dazu genügt der wirtschaftliche, nicht erst der technische Verbrauch des Wirtschaftsguts (BFH, Urt. v. 02.06.1978 – III R 4/76 – BStBl II 1978, 507). Dieser setzt voraus, dass die Möglichkeit einer wirtschaftlich sinnvollen – anderweitigen – Nutzung oder Verwertung endgültig entfällt (BFH, Urt. v. 19.11.1997 – X R 78/94 – BStBl II 1998, 59; BFH, Urt. v. 23.09.2008 – I R 47/07 – BStBl II 2009, 986).
Im Grundsatzurteil des BFH vom 26.01.1970 (IV R 144/66 – BStBl II 1970, 264 „Gasflaschen“) war in einem unkündbaren Vertrag über die Überlassung von Gasflaschen die Mietdauer (zehn Jahre) so bemessen, dass nach dieser Zeit die Wirtschaftsgüter normalerweise verbraucht waren. Der BFH führte aus, der Vermieter habe an einer Rückgewähr kein Interesse haben können. Die „Mietverträge“ seien daher wie Kaufverträge zu bilanzieren. Dies wird bestätigt durch das Leasing-Urteil des BFH vom 26.01.1970 (IV R 144/66). Das BFH-Urteil vom 18.11.1970 (I 133/64 – BStBl II 1971, 133) stellt klar, dass ein Mietkaufvertrag unter der hier erörterten Voraussetzung wirtschaftliches Eigentum auch dann begründet, wenn der Nutzende keine Kaufoption hat.
II. Bei Abschluss eines „sale-and-lease-back“-Vertrages richtet sich die Zurechnung der Mietgegenstände nach den Grundsätzen des Leasing-Urteils des BFH vom 26.01.1970 (IV R 144/66). Entscheidend für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums ist das Gesamtbild. Neben der rechtlichen Würdigung des Mietvertrages sind auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Vertragspartner sowie deren Verhalten nach Abschluss des Vertrages zu berücksichtigen. Das „sale-and-lease-back“-Leasing (ausführlich Habersack in: MünchKomm BGB, 6. Aufl. 2013, „Leasing“ Rn. 12) führt dem Unternehmen zusätzliche Liquidität zu, indem es zuvor investiertes Kapital freisetzt. Von wirtschaftlicher Bedeutung sind auch die zunehmend vom Leasinggeber übernommenen Dienst- und Serviceleistungen.

D. Auswirkungen für die Praxis

Das Recht des wirtschaftlichen Eigentums (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) hat auf der Grundlage des Leasing-Urteils des BFH vom 26.01.1970 (IV R 144/66) insbesondere durch die Aufschlüsselung mittels klar voneinander abgegrenzter Fallgruppen eine klarsichtige Entwicklung genommen. Die hier entwickelten Rechtssätze fügen sich nachvollziehbar in die bisherige Dogmatik ein.

E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung

Aufgrund der Vollbeendigung der KG sind die Beteiligtenstellung und Prozessführungsbefugnis der KG uneingeschränkt auf den Kläger – den ehemaligen Kommanditisten – übergegangen. Eine Verfahrensunterbrechung nach § 155 FGO i.V.m. § 239 Abs. 1 ZPO ist nicht eingetreten. Das Urteilsrubrum ist entsprechend zu ändern.