Nachfolgend ein Beitrag vom 5.1.2013 in

Wie ein Mittelständler erfolgreich in Italien expandierte

Mittelständler wie die AZ Gruppe nutzen einen positiven Nebeneffekt der Euro-Krise: Durch günstige Zukäufe in Südeuropa lässt sich das Wachstum enorm beschleunigen. Ein Erfahrungsbericht mit Anregungen für eine erfolgreiche Integration.

Wie ein Mittelständler erfolgreich in Italien expandierte

Chance genutzt: Dirk Zimmermann, Chef der AZ Gruppe, in der Werkstatt der übernommenen Firma Fiber in Arcene, Italien

Als sich Dirk Zimmermann im Frühjahr entschloss, ein Unternehmen in Italien zu kaufen, gab es zwei große Hürden. Die erste waren die Alpen. „Einmal musste ich mit meinem Beiratsmitglied Carsten Oehlmann zum Troubleshooting die ganze Nacht hindurch nach Arcene fahren, bei geschlossener Schneedecke“, sagt der Chef der AZ Gruppe, eines Armaturenherstellers in der Nähe von Frankfurt mit 250 Mitarbeitern. „Das werde ich so schnell nicht vergessen.“

Inzwischen weiß er, dass sich das Wagnis gelohnt hat, seinen Zulieferer nordöstlich von Mailand zu übernehmen, den Elektromotorhersteller Fiber. Weil er auch die zweite Hürde bei dieser Akquisition gemeistert hat. „Unter den 75 Mitarbeitern herrschte eine tief sitzende Kultur des Misstrauens“, sagt der 45-jährige AZ-Chef. „Damit haben wir zwar gerechnet, aber nicht in dieser Verhärtung.“ Bei Fiber hatte das blanke Chaos geherrscht, Gehälter waren nicht gezahlt worden, das Verhältnis zur Firmenchefin war zerrüttet, zum Schluss wurde gestreikt.

Nicht gerade die besten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration des Unternehmens. Doch Zimmermann gelang es, das Vertrauen der Mitarbeiter zurückzugewinnen: durch viele Einzelgespräche mit Schlüsselpersonen, durch ein wenig Mitbestimmung nach deutschem Vorbild, durch pünktliche Lohnzahlungen. Und mit viel Gespür. „Die emotionale Komponente und die kulturellen Unterschiede sollte man nicht unterschätzen. Die deutsche Sachorientierung greift in Italien eben nur zum Teil“, sagt Zimmermann.

Viele Notverkäufe in Südeuropa

Trotz solcher Hindernisse nutzen derzeit viele Mittelständler die Gelegenheit, in Europas Krisenstaaten billig zuzukaufen. In Italien, Spanien und Portugal stehen viele Firmen wegen der Rezession vor dem Aus. Ihr Absatz bricht ein. Gleichzeitig verweigern ihnen die Banken Kredite, weil die Institute selbst in Schwierigkeiten stecken. In Italien und Portugal stieg die Zahl der Insolvenzen 2011 im Vergleich zum Vorjahr um 17, in Spanien um 19 Prozent. Die Deutschen kommen mit gut gefüllten Kassen und der Unterstützung der Banken.

Unter ihnen auch AZ-Chef Zimmermann, der den genauen Kaufpreis nicht nennen will, nur dass er die Hälfte der Summe aus eigenen Mitteln bestritt. Den Rest finanzierte seine Hausbank, die Sparkasse. „Wir haben den deutschen Kapitalmarkt im Rücken, das ist der Vorteil der Schuldenkrise“, sagt er.

Weil er seine Banken permanent über die wirtschaftliche Situation seiner Firmengruppe unterrichtet, konnte die Akquisitionsentscheidung rasch getroffen werden. Es genügte, den Businessplan für die sieche italienische Firma und die Gründe des Zukaufs im Rahmen der mittel- und langfristigen Unternehmensstra­tegie zu präsentieren. Danach war die Sache ­quasi ein Selbstgänger: „Wir waren die einzigen Ausländer, die geboten haben. Für die Italiener war es da schwer, mitzugehen.“

Was hinterher einfach aussieht, ist jedoch das Ergebnis penibler Vorbereitung. Weil Zimmermann schon Erfahrung mit Zukäufen hatte, konnte er bestens präpariert ins Bieterverfahren für Fiber gehen. Wichtigster Punkt am Anfang: Rückendeckung mit Expertenhilfe.

Gut vorbereitete Kontaktaufnahme

Schon beim Erstkontakt mit den Italienern hatte Zimmermann sein Beiratsmitglied Oehlmann mitgenommen, einen Experten für Wirtschaftsrecht. Gemeinsam erstellten sie Modellrechnungen für den besten, schlechtesten und den realistischen Fall der Folgen der Übernahme. Dann stellten sie das Kaufobjekt dem Beirat vor und holten sich schließlich noch das ­Plazet einer internen Schlüsselfigur: „Die Zustimmung meines Vaters, des Firmengründers, war mir wichtig“, sagt Zimmermann.

Für den Seniorchef war der Deal im Süden ­eine Herzensangelegenheit. Als Zimmermann 13 Jahre alt war, stand die Firma seiner Familie vor dem Aus. Damals half ein italienischer Geschäftspartner seinem Vater aus der Patsche. „Er hat uns überleben lassen“, sagt Zimmermann. Nun wollte der AZ-Chef das Gleiche für Fiber tun.

„Da wird nicht gezockt“

Erster Schritt: ein Gebot. Die Preisfindung überließ er weitgehend seinem Beirat Oehlmann, der das insolvente Unternehmen mithilfe der Steuerexperten von der Mailänder Kanzlei Hager & Partners bewertete und die Ver­träge so gestaltete, dass mögliche Folgerisiken des Firmenkaufs nicht auf die AZ Gruppe durchschlagen. „Ich habe Verantwortung für eine Vielzahl von Mitarbeitern und deren Familien, da wird nicht gezockt“, sagt Zimmermann.

Ein wenig kitzelig war die Sache dennoch: In Italien läuft das Bieterverfahren relativ offen ab, wie eine Partie Blitzschach. Und obwohl Zimmermann nicht das höchste Gebot einreichte, erhielt er den Zuschlag – weil er im rechten Moment als einziger Bieter eine Übernahmegarantie für sämtliche Mitarbeiter abgab.

Nun ging es daran, die Italiener möglichst rasch und organisch in die AZ Gruppe zu integrieren. Auch hier war maßgeblich für den ­Erfolg, dass der AZ-Chef schon lange zuvor die nötigen Vorkehrungen in seiner Firma getroffen hatte, indem er die operative Arbeit auf Führungskräfte in den jeweiligen Abteilungen verteilt hatte.

Plötzlich erkrankte ein wichtiger Manager

Anders wäre das Pensum auch kaum zu schaffen gewesen. Den größten Teil seiner Zeit verbrachte Zimmermann in der ersten Hälfte dieses Jahres mit der Anbahnung und Abwicklung des Firmenkaufs in Italien. Und musste dabei manch unerwartete Hürde überwinden. Etwa als plötzlich ausgerechnet jener Mitarbeiter schwer erkrankte, der in Italien die Geschäftsführung übernehmen sollte. Also musste Zimmermann wieder selbst ran: „Für ein Unternehmen unserer Größenordnung ist so ein Projekt natürlich Chefsache.“

Inzwischen hat er einen neuen Geschäfts­führer eingestellt, mit dem er sich das Management der italienischen Tochter teilt. Jetzt ist er nur noch alle zwei Wochen selbst vor Ort. Zum Glück sind nahezu alle Mitarbeiter im Unternehmen geblieben, einige hoch qualifizierte Experten, die im Chaos der Vorgängerführung das Weite gesucht hatten, konnte der AZ-Chef ­wieder zurückgewinnen – ein Ergebnis seiner direkten, offenen Kommunikation mit den verunsicherten Italienern, glaubt Zimmermann. Sogar zu den dort traditionell besonders hartleibigen Gewerkschaftern konnte er einen guten Draht finden, indem er ihnen anbot, bei ­bestimmten Fragen mitreden zu dürfen.

Die letzten Zweifler überzeugte er schließlich damit, dass er viele Mitarbeiter für teures Geld zu den Standorten nach Tschechien fliegen ließ. So konnten sich etwa die Entwicklungs­ingenieure untereinander austauschen – und die Italiener sich davon überzeugen, dass keine Gefahr drohte, dass ihre Jobs nach Osteuropa verlagert werden. Zimmermann freut sich nun, mit Fiber einen Brückenkopf für den Vertrieb in Südeuropa zu haben.

Was beim Firmenkauf zu beachten ist

Andere Länder, andere Sitten
Was beim Firmenkauf im Ausland zu beachten ist: drei grund­legende Tipps für Unternehmer mit Expansionsgelüsten.
ManagementEs ist banal, wird aber immer wieder ignoriert. Den Unternehmer treiben sachliche Erwägungen beim Kauf, bei den übernommenen Mit­arbeitern sind viele Emotionen im Spiel. Wichtig ist daher, durch offene Kommunikation ihr Vertrauen zu gewinnen, indem man vor allem klar ­benennt, was das Ziel der Übernahme ist.
Recht und SteuernDer Kauf eines Unternehmens kann als ­direkter Erwerb oder indirekt durch die Übernahme von Anteilen oder Aktien erfolgen. Je nach Gestaltung ergeben sich unterschiedliche Übertragungsgebühren und Haftungsfragen für den Käufer. Besonders in Italien gilt es, die ­arbeitsrechtlichen ­Fragen vorab zu klären.
FinanzierungNicht überall sind die Zinsen so günstig wie in Deutschland. In Italien etwa werden Bank­finanzierungen wegen Kreditrestriktionen nur zögerlich gewährt, die Zinskosten liegen ­höher als hierzulande. Bei einer Fremdfinanzierung ist zu beachten, dass es für die steuerliche Abziehbarkeit der Zinsen eine Zinsschranke gibt.

Avanti, avanti, lautet weiterhin sein Motto, denn der Zukauf fiel just in jene Phase, in der er das Unternehmen ohnehin neu strukturieren und fokussieren wollte. Diesen Prozess hat der Fiber-Kauf beschleunigt – und auch manche Mitarbeiter an Belastungsgrenzen geführt, räumt Zimmermann ein. „Dem ein oder anderen muss ich jetzt mal eine Auszeit gönnen, ­damit ich ihn nicht verbrenne.“

Unterm Strich hat sich der Deal bereits gelohnt. Die AZ Gruppe hat ihre Produktions­fähigkeiten erweitert, kann nun etwa selbst Elektromotoren herstellen, und verfügt über eine Menge neuer Mitarbeiter, auf deren Know-how und Kapazitäten der gesamte Firmenverbund zurückgreifen kann.

Trotz aller Mühen und Schwierigkeiten – Firmenchef Zimmermann hat Appetit auf mehr. Zwar würde er beim nächsten Mal einiges anders machen, zum Beispiel die eigenen Mit­arbeiter besser einbeziehen und klarer vermitteln, wozu das alles gut sein soll. Auch auf den Ausfall einer Top-Führungskraft wie der des Italien-Geschäftsführers würde er sich durch die Auswahl eines Ersatzmanagers im Vorfeld besser einrichten. Doch im Kern komme es auf das Potenzial an, das man durch so einen Zukauf heben könne, meint er.

Und so redet er wie ein Gewichtheber, der grade zum ersten Mal 100 Kilo geschafft hat und sich zufrieden grinsend die schmerzenden Oberschenkel massiert: „Ein Unternehmen zu übernehmen, das größer ist als wir, würde ich uns noch nicht zutrauen – aber wer weiß.