Nachfolgend ein Beitrag vom 28.11.2017 von Cranshaw, jurisPR-HaGesR 11/2017 Anm. 6

Leitsatz

Ein für eine Aktiengesellschaft bestellter Insolvenzverwalter ist befugt, das Handelsgeschäft der Gesellschaft mit der Firma zu veräußern. Die dadurch notwendige Änderung der Firma kann durch den Insolvenzverwalter bewirkt werden. Hierzu hat er die aktienrechtlichen Anforderungen an eine Satzungsänderung einzuhalten.

A. Problemstellung

In der Insolvenzpraxis kommt es häufig vor, dass eine Sanierung des Rechtsträgers selbst und damit dessen Fortexistenz nicht möglich ist (das aktuelle Beispiel ist Air Berlin), sehr wohl aber eine übertragende Sanierung wesentlicher erhaltenswerter Teile des von diesem betriebenen Unternehmens als betriebswirtschaftliche Einheit unter Erhaltung von Arbeitsplätzen. Zu den durch einen solchen „asset deal“ an den Übernehmer der betroffenen Unternehmensteile des fallierten Rechtsträgers durch Einzelrechtsnachfolge übertragenen Sach- und Rechtsgesamtheiten gehört meist neben gewerblichen Schutzrechten und dem sonstigem geistigem Eigentum auch die Firma des insolventen Rechtsträgers. Diese soll nach außen im Rahmen eines neuen Rechtsträgers der aufrecht erhalten gebliebenen Unternehmensteile gleichfalls erhalten bleiben, um Kontinuität und Qualität der unverändert angebotenen Waren und Dienst- bzw. Werkleistungen am Markt zu dokumentieren. Meist spiegelt sich die Firma auch in einer Marke wider, ja die Firma selbst kann als rechtlich unselbstständige Zweigniederlassung des Übernehmers wie eine Marke geführt werden. Der Firmenname ist ein veräußerbares Wirtschaftsgut, dessen Wert in die Preisbemessung des asset deal eingeht. (Neben-)Folge der Firmenveräußerung ist, dass der verbleibende insolvente Rechtsträger seine bisherige Firma aufgeben und eine neue Firma (sog. „Ersatzfirma“) wählen muss, z.B. „xx Abwicklungsgesellschaft für … -geschäfte“ (vgl. dazu Cranshaw in: Festschrift Pannen, 2017, S. 335, 353). Das Erfordernis der Firmenänderung bei Verkauf folgt auch aus § 15 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 MarkenG (vgl. zu diesem Umstand Schultze, EWiR 2016, 553, zu OLG München, Beschl. v. 30.05.2016 – 31 Wx 38/16 – ZInsO 2016, 1368). Die Firma gehört aber zum Inhalt des Gesellschaftsvertrags bzw. der Satzung (vgl. z.B. § 3 Abs. 1 Nr. 1 GmbHG und § 23 Abs. 3 Nr. 1 AktG), die Änderung der Firma ist daher Satzungsänderung, die nach den hierfür geltenden Bestimmungen durch die Gesellschafter bzw. Aktionäre beschlossen wird. Wäre dies uneingeschränkt auch im eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des Verbandes der Fall – weil die Organe der Gesellschaft auch im eröffneten Verfahren weiterhin ihre gesellschaftsrechtlichen Befugnisse ausüben, abgesehen von der Geschäftsführung durch den Insolvenzverwalter nach § 80 InsO, der Einbeziehung der Gesellschafter in das Insolvenzplanverfahren nach § 225a InsO und den Begleitregelungen sowie der Beschränkung des Einflusses auf die Geschäftsführung in der Eigenverwaltung gemäß § 276a InsO –, so könnte durch Blockadeposition die übertragende Sanierung beeinträchtigt werden. In diesem Umfeld ist die Besprechungsentscheidung des Kammergerichts angesiedelt, die eine Aktiengesellschaft betrifft.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

I. Über das Vermögen einer AG wurde am 01.03.2017 durch das AG Berlin-Charlottenburg das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Gesellschaft war 2014 nach Berlin von München zugezogen und am 28.01.2014 in das Handelsregister Berlin-Charlottenburg eingetragen worden. Im Insolvenzverfahren veräußerte der Insolvenzverwalter den Geschäftsbetrieb mit der Firma. Er war daher veranlasst, die Firma der Insolvenzschuldnerin zu ändern. Zu diesem Zweck meldete er die nicht im Einzelnen beschriebene Änderung der Firma zum Handelsregister an. Die Änderung begründete er mit der Veräußerung des Geschäftsbetriebs nebst Firma, und er erläuterte zudem, er sei hierzu als Insolvenzverwalter befugt; einer Satzungsänderung bedürfe es nicht. Der Anmeldung fügte er eine Neufassung der Satzung bei. Das Verfahren bei der Satzungsänderung, wie es auch bei der Firmenänderung aktienrechtlich vorgesehen ist (vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 1, §§ 179 ff., 181 AktG), wurde somit nicht eingehalten.
Das Amtsgericht/Registergericht hat den Eintragungsantrag ohne vorausgehende Zwischenverfügung zurückgewiesen und auf die Notwendigkeit einer Beschlussfassung der Hauptversammlung verwiesen. Die Eintragung aufgrund Entscheidung des Insolvenzverwalters führe zur Unrichtigkeit des Handelsregisters, das Registergericht verweist insoweit auf den Beschluss des OLG München vom 30.05.2016 (31 Wx 38/16 – ZIP 2016, 1222). Der Insolvenzverwalter dürfe die Satzung nicht ändern.
Die dagegen seitens der AG und des Insolvenzverwalters eingelegte Beschwerde hat das Kammergericht zurückgewiesen, aber anders als das OLG München in dem oben zitierten Beschluss zu 31 Wx 38/16 die Rechtsbeschwerde zugelassen, die auch eingelegt wurde (Az. des BGH: II ZB 21/17).
II. Das Kammergericht begründet seine Entscheidung damit, dass das Amtsgericht zu Recht die Eintragung auf der Basis der vom Verwalter vorgenommenen Anmeldung abgelehnt habe, denn zur Änderung der Firma habe es einer – dem Insolvenzverwalter aber möglichen – Satzungsänderung bedurft. Dann erst könne er auch die Registeranmeldung vornehmen. Die Firma der AG müsse in der Satzung festgelegt werden (§ 23 Abs. 3 Nr. 1 AktG), die Firmenänderung sei daher Satzungsänderung, die die Hauptversammlung gemäß § 179 Abs. 1 Satz 1 AktG beschließen müsse. Hierfür bedürfe es einer Dreiviertelmehrheit des bei der Hauptversammlung vertretenen Kapitals, § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG. Die Änderung der Fassung der Satzung könne auch auf den Aufsichtsrat übertragen werden, § 179 Abs. 1 Satz 2 AktG. (Zulässige) abweichende Bestimmungen von der gesetzlichen Regelung enthalte die Satzung der hier beteiligten AG aber nicht. Zudem sei der Beschluss der Hauptversammlung gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 AktG notariell zu beurkunden, woran es hier jedenfalls fehle, denn der beteiligte Insolvenzverwalter habe nur eine von ihm unterschriebene Fassung der Satzung vorgelegt. Wenn nun der Beteiligte – freilich entgegen der Erklärung in der Anmeldung – davon ausgehe, er habe eine Satzungsänderung beschlossen, so sei diese nichtig nach § 241 Nr. 2 AktG (Nichtigkeitsgrund des Hauptversammlungsbeschlusses aufgrund fehlender Beurkundung). Unter Hinweis auf Literaturstimmen meint der Senat, auch im vorliegenden Fall sei eine Satzungsänderung nötig, die den Vorgaben des AktG entspreche, die jedoch von dem Insolvenzverwalter vorgenommen werden könne. Dabei sei die Entscheidung des BGH (Beschl. v. 14.10.2014 – II ZB 20/13) zur Änderung des Geschäftsjahrs durch den Verwalter nicht einschlägig, da es dort gerade darum ging, die in der Satzung oder dem Gesetz enthaltene Regelung über das Geschäftsjahr wieder umzusetzen, die durch die Norm des § 155 Abs. 2 Satz 1 InsO außer Kraft gesetzt worden war; mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens beginnt kraft Gesetzes ein neues Geschäftsjahr. Der beteiligte Verwalter gehe allerdings im Einklang mit höchstrichterlicher Rechtsprechung und Literatur zutreffend davon aus, dass die Firma vom Insolvenzbeschlag erfasst werde und er daher den Geschäftsbetrieb nebst der Firma veräußern konnte. Diese Art der Verwertung könne zu einem erhöhten Erlös für die Masse führen. Damit verbunden sei in der Regel die Notwendigkeit einer Firmenänderung. Grund dafür sei zum einen § 30 HGB (der die Unterscheidbarkeit von Firmen am selben Ort fordert), zum anderen der „allgemeine Firmenschutz“. Der Erwerber werde bei bundesweiter Tätigkeit des Veräußerers erwarten, dass auch nicht an anderen Orten ein Unternehmen mit derselben Firma geführt werde. Der Senat sieht es zu Recht als besonderes Problem an, wenn der Rechtsträger, der seinen Betrieb nebst Firma veräußert hat, dennoch aus dem Insolvenzverfahren heraus fortgesetzt würde (als Folge eines Insolvenzplans etwa) und seine bisherige Firma dabei weiter führt. Eine in der Literatur erwogene Doppelfirmierung scheitere an § 30 HGB und dem wirtschaftlichen Interesse des Erwerbers, auch wenn aufgrund entsprechender Absprache zwischen Veräußerer und Erwerber wettbewerbliche Ansprüche seitens des Erwerbers nach zurückliegender Judikatur des BGH (Urt. v. 22.11.1990 – I ZR 14/89 – NJW 1991, 1353 „Ott International“) nicht geltend gemacht werden könnten. Gleichwohl könne man die Formalien der Satzungsänderung nicht unbeachtet lassen, auch wenn die Aktionäre keine Satzungsänderung vornehmen wollten. Diese aufgrund der von dem Senat bejahten gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht durch Klage zur Beteiligung an dem Verfahren der Satzungsänderung (und zur Zustimmung) zu zwingen, sei als Folge der Eilbedürftigkeit im Insolvenzverfahren nicht sachgerecht und widerspreche dem Zweck dieses Verfahrens. Wenn die Gesellschafter aber ohnehin mitwirken müssten und zudem dem Verwalter das Recht zur Verwertung der Firma zustehe, müsse er auch die Befugnis haben, die Satzungsänderung „für die Gesellschafter […] unter Beachtung der Formalien“ durchzuführen. Er werde insoweit nach § 80 InsO für die Gesellschafter tätig, auch wenn der Insolvenzbeschlag die Gesellschafterposition als solche nicht erfasse. Die Pflichten des Insolvenzschuldners bzw. seiner Organe nach den §§ 97 ff. InsO würden gerade nicht auf die Gesellschafter erstreckt. Dem Recht des Verwalters, die Firma nach den Regelungen über die Satzungsänderung ihrerseits zu ändern, entspreche „spiegelbildlich“ das Recht der Gesellschafter zu Satzungsänderungen, das aber durch die Insolvenzeröffnung beschränkt werde. So etwa bedürfe die Firmenänderung durch die Gesellschafter der Zustimmung des Verwalters, wofür sich das Kammergericht auf eine ältere Entscheidung des OLG Karlsruhe (Beschl. v. 08.01.1993 – 4 W 28/92 – ZIP 1993, 133) beziehen kann. Bei diesem Procedere würden auch die Rechte des Aktionäre gewahrt, die gegen den Beschluss der Hauptversammlung – gefasst vom Insolvenzverwalter – Klage erheben könnten und nicht nur auf Aufsichtsmaßnahmen gegen den Verwalter nach den §§ 58 f. InsO beschränkt wären. Entgegen einer Literaturstimme sei das auch kein übertriebener Formalismus. Es gehe um die „Übersichtlichkeit“ des Handelsregisters; dort seien Eintragungen eben nur möglich, soweit sie gesetzlich vorgesehen seien, hierfür ein „erhebliches Bedürfnis“ bestehe oder sich die Eintragung „gewohnheitsrechtlich“ durchgesetzt habe. Das gelte auch für den Inhalt der Eintragung, und Satzungsänderungen müssten nun einmal in einem bestimmten Verfahren im Register vermerkt werden. Eine in der Literatur von insolvenzrichterlicher Seite vorgeschlagene Eintragung dahingehend, die Firmenänderung beruhe auf einer Entscheidung des Insolvenzverwalters, sei interessant, aber ohne gesetzliche Grundlage und auch ohne erhebliches Bedürfnis. Das Amtsgericht habe vorliegend auch keine Zwischenverfügung erlassen müssen. Ein beurkundeter Hauptversammlungsbeschluss fehle; ein „stillschweigender Beschluss“ des Verwalters sei nichtig. Er könne auch nicht ex tunc nachgeholt werden; der Senat stützt sich hierfür auf einen Beschluss des Kammergerichts vom 08.02.2005 (1 W 203/03 – DB 2005, 548) und Kommentarliteratur zum FamFG.
Die Rechtsbeschwerde hat das Kammergericht zugelassen, da die Frage, ob eine Satzungsänderung nötig sei oder ob der Verwalter die Firmenänderung unter den obigen Umständen allein durch Anmeldung unter Vorlage einer geänderten Fassung der Satzung eintragen lassen könne, streitig und von besonderer Bedeutung sei.

C. Kontext der Entscheidung

I. Der Beschluss des Kammergerichts weist einen aus dessen Sicht rechtssicheren Weg zur Firmenänderung auf. Er enthält freilich Schwachstellen. Er versucht aber nachvollziehbar das Problem der Wahrung der Vorgaben des AktG zur Änderung der Firma als Satzungsänderung in der spezifischen Insolvenzsituation zu lösen. Die Änderung ist aus den vom Senat zutreffend dargestellten rechtlichen und tatsächlichen wie ökonomischen Problemen unumgänglich. Eine positive Mitwirkung von Aktionären und Gesellschaftern (bei einer GmbH) an der Firmenänderung ist bei einer solchen Situation der höchstwahrscheinlichen Vollabwicklung der Gesellschaft im Rahmen des Insolvenzverfahrens kaum zu erwarten; im Gegenteil eröffnet diese Lage Blockadepositionen für die Gesellschafter. Dass sie eine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht haben, an der bestmöglichen Verwertung mitzuwirken, ändert ebenfalls nichts an der akuten Notwendigkeit, dass eine Firmenänderung schnellstmöglich durchgeführt werden muss.
II. Man darf aber nicht übersehen, dass die Satzungsänderung mit erheblichem Formalismus einher geht, der der Abwicklung des auf eiliges Handeln angewiesenen Insolvenzverfahrens entgegenlaufen kann (insoweit zutreffend Wozniak, jurisPR-InsR 20/2016 Anm. 2, zu OLG München, Beschl. v. 30.05.2016 – 31 Wx 38/16). Man muss ferner bedenken, dass die Einberufung der Hauptversammlung durch den Insolvenzverwalter in keiner Weise mit den §§ 120 ff. AktG übereinstimmt; vielmehr muss argumentativ § 80 InsO dazu verwendet werden, um einen Eingriff in die mitgliedschaftsrechtlichen Positionen der Gesellschafter zu rechtfertigen. Ein gewisses Paradoxon ergibt sich freilich im Hinblick auf die Einberufung der Hauptversammlung, wenn man die Eigenverwaltung betrachtet. Eigenverwalter ist das bisherige Organ der insolventen Gesellschaft; der Vorstand kann damit formal einwandfrei die Hauptversammlung einberufen (§ 121 Abs. 2 Satz 1 AktG), auch wenn seine Aufgabe nun auf die Durchführung des Insolvenzverfahrens ausgerichtet ist. Die Funktion des Sachwalters spielt in diesem Kontext keine Rolle.
III. Betrachtet man die Formalien der Hauptversammlung der AG unter weiterem Aspekt, so darf auch § 123 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht übersehen werden, dessen Vorgabe einer mindestens dreißigtägigen Einberufungsfrist außerordentlich problematisch ist. Einberufungsgrund ist hier § 121 Abs. 1 Fall 1 AktG i.V.m. § 179 Abs. 1 Satz 1 AktG (Satzungsänderung) sowie i.V.m. § 23 Abs. 3 Nr. 1 Fall 1 AktG (Firma als Bestandteil der Satzung) und i.V.m. § 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG bzw. mit § 30 HGB sowie dem Veräußerungsvertrag über die Betriebsveräußerung. Dieser Vertrag wiederum ist trotz der Holzmüller-Entscheidung des BGH (Urt. v. 25.02.1982 – II ZR 123/81 – BGHZ 83, 106; vgl. zu dergleichen ungeschriebenen HV-Kompetenzen auch bei Stöber, WM 2014, 1757, u.a. zur „fakultativen“ Insolvenzantragstellung, also wegen nur drohender Zahlungsunfähigkeit) in der Ausprägung der dortigen Dogmatik durch die späteren Urteile „Gelatine I“ (BGH, Urt. v. 26.04.2004 – II ZR 155/02 – BGHZ 159, 30) und „Gelatine II“ (BGH, Urt. v. 26.04.2004 – II ZR 154/02 – ZIP 2004, 1001) gerade nicht Gegenstand der Beschlussfassung der Hauptversammlung der AG im eröffneten Insolvenzverfahren. Postuliert man also eine Satzungsänderung aufgrund eines asset deal mit übertragender Sanierung durch Veräußerung des Geschäftsbetriebs, kann nur die Firmenänderung Gegenstand der Beschlussfassung sein. Ergänzende Tagesordnungspunkte (vgl. § 124 AktG) sind gegenstandslos, Anträge von Aktionären (vgl. § 126 AktG) ebenfalls. Das gilt übrigens auch für die Eigenverwaltung, wie aus § 276a InsO hervorgeht, der allerdings weit ausgelegt werden muss, denn die Änderung der Satzung ist kein Geschäftsführungsakt, sondern eben der Hauptversammlung zugewiesen (vgl. o.; bei der GmbH und den Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, insb. mit nur juristischen Personen als persönlich haftenden Gesellschaftern, ist allerdings anders als bei der AG die Differenzierung zwischen Geschäftsführung und „Grundlagengeschäften“, die den Gesellschaftern zugewiesen sind, von herausragender Bedeutung). Betrachtet man die Formalien der Hauptversammlung, mutet die grundsätzliche vom Kammergericht bejahte Struktur hier notgedrungen einigermaßen formalistisch an. Vor dem Hintergrund der aktienrechtlichen Voraussetzungen einer Satzungsänderung ist das aber nicht vermeidbar.
IV. Die tiefergreifende Problematik ist aber der Umstand, dass die Hauptversammlung entgegen dem AktG und scheinbar entgegen der novellierten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie 2012/30/EU vom 25.10.2012 (ABl EU Nr. L 315 v. 14.11.2012 „Kapitalrichtlinie“; Nachfolgeregelwerk der seinerzeitigen RL 77/91/EWG), die ihrerseits in der 2017 erlassenen RL (EU) 2017/1132 „über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts“ (v. 14.06.2017, ABl EU Nr. L 169 v. 30.06.2017, S. 46 ff.) aufgegangen ist (in Kraft ab 20.07.2017, vgl. Art. 167), ohne ein Stimmrecht der Aktionäre abläuft. Im Zusammenhang mit dem Unionsrecht ist auf die Art. 3 Buchst. a RL 2017/1132 über die Firma der AG als Satzungsbestandteil und Art. 14 bis 16 über die Offenlegung sowie Art. 55 (in dem Abschnitt über die Bestimmungen zum Schutz des gesetzlich vorgeschriebenen Kapitals) derselben Richtlinie mit dem Verweis auf das mitgliedsstaatliche Recht für „die Zuständigkeit und das Verfahren bei Änderungen der Satzung“ zu erinnern. Eine Rechtsänderung zu der Vorgängerrichtlinie ist damit nicht verbunden (vgl. die der RL 2017/1132 beigefügte Entsprechungstabelle). Es besteht also die Möglichkeit, Satzungsänderungen im Hinblick z.B. auf die Firma in Ausnahmefällen anders als durch Entscheidung der Hauptversammlung mit Stimmrecht der Aktionäre vorzunehmen, aber eben gerade nicht ohne Satzungsänderung und Publizität.
Auch hier wird ein gewisses Paradoxon erkennbar. Die Firmenänderung ohne Mitwirkung der Aktionäre stellt jedenfalls einen Eingriff in deren Mitgliedschaftsrechte dar, der allerdings auf der vermögensrechtlichen Ebene unbeachtlich ist, weil die Firma zum Vermögen der insolventen Gesellschaft gehört, d.h. zur Insolvenzmasse, die vom Verwalter (oder Eigenverwalter) im Interesse der Gläubiger verwertet wird (§§ 80, 1 InsO). Die Aktionäre sind auf den Liquidationsüberschuss verwiesen (vgl. § 199 Satz 2 InsO). Mitgliedschaftsrechtlich haben sie ebenfalls keine Entscheidungskompetenz in der AG, soweit diejenige des Verwalters nach § 80 InsO reicht.
Im Insolvenzplanverfahren können aber im Einklang mit dem Unionsrecht (vgl. Art. 55 RL 2017/1132) Änderungen der Satzung ohne weiteres von der um die Gesellschafter erweiterten Gläubiger- bzw. Beteiligtenversammlung beschlossen werden (§§ 225a Abs. 3, 222 Abs. 1 Nr. 4, 238a, 245 Abs. 3 InsO). Hier haben die Gesellschafter bzw. Aktionäre durchaus Stimmrechte, die sie bei der Satzungsänderung im Zusammenhang mit der Firmenänderung beim asset deal ohne Insolvenzplan, der der Hintergrund der Besprechungsentscheidung des Kammergerichts und der früheren des OLG München ist (vgl. o.), nicht haben.
V. Als Fazit lässt sich festhalten, dass es an der hier vorliegenden Schnittstelle zwischen Insolvenz- und Gesellschaftsrecht offenkundig an der oftmals beklagten Verzahnung zwischen diesen beiden Rechtsgebieten bzw. an der Regelung der Schnittstellenproblematik fehlt, mit der die Praxis freilich zurechtkommen muss. Der Ruf nach dem Gesetzgeber ist an dieser Stelle einmal mehr als berechtigt, der mit § 225a InsO sozusagen auf halbem Wege stehengeblieben ist, obwohl ihm das Problem bekannt sein musste. § 225a Abs. 3 InsO bietet hier aber keinen ganz einfachen Ausweg, da der von der Praxis beklagte Formalismus bzw. die damit verbundene zeitliche Verzögerung und die Kosten in der einen oder anderen Form sowohl bei dem Postulat der Abhaltung der Hauptversammlung als auch bei dem eines Insolvenzplans eher graduell unterschiedlich sein dürften.
VI. Zur Lösung des Dilemmas bleibt bei Betrachtung der Schnittstelle zum einen die Möglichkeit, mit dem OLG München und dem Kammergericht eine Hauptversammlung mit ausschließlichem Stimmrecht des Insolvenzverwalters zu postulieren, die Firmenänderung als Satzungsänderung durchzuführen und in der Anmeldung ähnlich dem Vorschlag von Horstkotte (ZInsO 2016, 1369, 1371, unter d) vi) zu vermerken, dass die Änderung auf der Beschlussfassung des Insolvenzverwalters in der Hauptversammlung beruhe. Hierfür besteht aufgrund der Abweichung von dem materiellen Procedere bei der Beschlussfassung der Hauptversammlung auch ein erhebliches Bedürfnis; insoweit ist dem Kammergericht zu widersprechen.
VII. Die vom Kammergericht angesprochene Klagemöglichkeit der Aktionäre, hier als Anfechtungsklage gegen den Beschluss des Verwalters als (letztlich fingierter) Hauptversammlungsbeschluss nach Maßgabe der §§ 243, 246 AktG erscheint kein durchschlagendes Argument zu sein. Die Klage kann sich nur gegen die Wahl der neuen Firma wenden, inhaltlich nicht gegen den Beschluss als solchen, weil die „alte“ Firma berechtigt veräußert wurde. Behauptete Fehler des Verwalters bei der Veräußerung können hier nicht gerügt werden, auch keine Verletzung des § 179a AktG oder ein Verstoß gegen die Holzmüller-Doktrin. Alle diese Rügen überlagert das Insolvenzrecht, so dass Rügen insoweit nur nach den §§ 58 f., 60 f. im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können. Verfahrensrechtliche Mängel der Vorbereitung bzw. der Durchführung der Hauptversammlung können nicht mit Erfolg beanstandet werden (vgl. dazu die Übersicht bei Drescher in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl. 2016, § 243 AktG Rn. 7 ff. m.w.N.), da sie als Folge des Alleinstimmrechts des Verwalters ohne Bedeutung sind.

D. Auswirkungen für die Praxis

I. Soweit als möglich, könnte die Veräußerung nebst Umfirmierung in einen kürzeren, schnellen verfahrensbegleitenden Insolvenzplan eingebunden werden (bzgl. der Firmierung siehe § 225a Abs. 3 InsO, zum verfahrensbegleitenden Plan Spliedt in: Karsten Schmidt, InsO, 19. Aufl. 2016, § 217 Rn. 14 f. m.w.N.). Etwaige Beschwerden der Gesellschafter gegen den Plan dürften hier aus zwei Gründen ohne jede Erfolgsaussicht sein. Sie werden keine Schlechterstellung durch den Plan glaubhaft machen können (§ 251 Abs. 2 InsO), und sie werden auch als Folge der „Beschleunigungsmodule“ (um das einmal so auszudrücken) der §§ 251 Abs. 3, 253 Abs. 4 InsO erfolglos sein.
II. Mit dem europäischen Richtlinienrecht ist dieses Procedere vereinbar (vgl. Art. 55 RL 2017/1132). Die Frage, ob dies auch bei Kapitaländerungen angesichts der „Karella und Karellas“-Judikatur des EuGH unproblematisch ist, wie etwa der Gesetzgeber des ESUG meinte, kann hier offenbleiben (vgl. dazu Cranshaw in: Cranshaw/Paulus/Michel, Bankenkommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2016, § 225a InsO, S. 2196 ff. Rn. 31-38; vgl. insbesondere EuGH, Urt. v. 30.05.1991 – C-19/90, C-20/91 – Slg. 1991, I-2710 = ZIP 1991, 1488 „Karella und Karellas“, sowie Folgeurteile, st. Rspr., keine Kapitaländerung ohne Beschluss der Hauptversammlung).
III. Ansonsten bleibt nur die doch wohl weniger geeignete Hauptversammlung mit ihren Imponderabilien als Alternative.
IV. In allen Fällen sollte aus der Eintragung erkennbar sein, dass sie nicht entsprechend den üblichen Regularien erfolgte; insoweit sollte der ähnlichen Überlegung von Horstkotte (ZInsO 2016, 1369) gefolgt und die von dem gesetzlichen Regelverfahren der Satzungsänderung abweichende Beschlussfassung des Verwalters auch aus dem Handelsregister erkennbar sein.

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