Nachfolgend ein Beitrag vom 11.9.2018 von Linnartz, jurisPR-FamR 18/2018 Anm. 2

Orientierungssatz zur Anmerkung

Der Anspruch auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses nach § 888 ZPO orientiert sich an den möglichen Kenntnissen des Erben, um festzustellen, ob der Auskunftsanspruch erfüllt ist.

A. Problemstellung

Das OLG Koblenz befasst sich mit der Durchsetzung eines Titels auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses und den Anforderungen an ein notarielles Nachlassverzeichnis.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Nach dem Tod seiner Mutter verfolgte der Kläger gegenüber dem zweiten Ehemann der Erblasserin seinen Pflichtteilsanspruch. Er erhob die Stufenklage. Das LG Koblenz verurteilte den Beklagten unter anderem zur Auskunftserteilung über den Bestand des Nachlasses durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses. Die Ausfertigung des Urteils wurde dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugestellt. Der Kläger erhielt eine Ausfertigung des Teilurteils.
Aus diesem Teilurteil betrieb der Kläger die Zwangsvollstreckung. Mit beim LG Koblenz eingegangenem Schriftsatz vom 13.12.2016 und 14.12.2016 beantragte der Kläger die „Androhung“ von Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft. Er begründete dies damit, das vom Beklagten vorgelegte notarielle Nachlassverzeichnis vom 09.01.2018 sei unvollständig. Die Angaben in dem notariellen Nachlassverzeichnis korrespondierten nicht mit dem Lebenswandel der Erblasserin. Am 21.07.2010 war der Bruder der Erblasserin verstorben. Er wurde von der Erblasserin beerbt. Aus der Rückrechnung der Erbschaftsteuer von ca. 46.000 Euro ließ sich auf eine Erbschaft von 230.000 Euro schließen. Da die Erblasserin bescheiden lebte, hätte der Notar im Zusammenhang mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses eigene Nachforschungen durch Überprüfung der Kontoauszüge der Erblasserin für die letzten zehn Jahre vornehmen müssen.
Der Beklagte entgegnete dem damit, es liege ein „Hirngespinst“ des Klägers vor. Auch habe er keinen Zugriff auf die Kontoauszüge für 2010 bis 2013 und ihm läge kein Erbschaftsteuerbescheid nach dem Tod des Bruders der Erblasserin vor.
Das Landgericht entschied sodann, der Anspruch auf Auskunft sei durch Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses erfüllt. Schließlich habe der Notar eigene Ermittlungen bei Kreditinstituten und Grundbuchämtern dokumentiert. Der Kläger griff mit seiner sofortigen Beschwerde die Entscheidung des LG Koblenz gegen die Festsetzung des Zwangsgeldes, ersatzweise der Zwangshaft erfolgreich an.
Das OLG Koblenz hat den Antrag des Klägers auf „Androhung“ eines Zwangsgeldes in einen Antrag auf Zwangsgeldfestsetzung umgedeutet. Dann hat es die Begründetheit des Antrages nach § 888 ZPO festgestellt.
Die titulierte Verpflichtung zur Auskunft über den Nachlassbestand durch die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses sei eine nicht vertretbare Handlung i.S.v. § 888 ZPO. Darüber hinaus seien die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt gewesen (§§ 704, 724 Abs. 1, 725, 750 Abs. 1 ZPO).
Unbegründet sei dagegen der im Rahmen von § 888 ZPO berücksichtigende Einwand des Beklagten, das notarielle Nachlassverzeichnis erfülle das titulierte Auskunftsverlangen.
Maßstab für die zu erteilende Auskunft sei der Kenntnisstand und die Erkenntnismöglichkeit des Auskunftsverpflichteten. Dies sei der Erbe. Die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses betreffe nur die Form der Auskunftserteilung. Ansonsten könnte der Erbe durch Beschränkung des Auftrages an den Notar den Umfang seiner Auskunft beschränken.
Aufgrund der schlüssigen Anhaltspunkte, dass die Erblasserin noch über Vermögen aus einer Erbschaft verfügen musste, die von dem Notar nicht berücksichtigt wurden, ergebe sich, dass der Beklagte seine Auskunftspflicht noch nicht erfüllt habe.
Der Kläger habe detailliert vorgetragen. Diesen Vortrag habe der Beklagte nicht erheblich bestritten. Es sei von ihm nur ausweichend vorgetragen worden. Die Erbschaft selbst werde dabei nicht bestritten. Das bloße Bestreiten eines konkreten Nachlasswertes durch den Beklagten sei in diesem Zusammenhang jedoch nicht ausreichend. Auch das Abqualifizieren des Vortrages des Klägers als „Hirngespinst“ sei ebenso wenig von Relevanz, wie der Hinweis darauf, weder einen Erbschaftsteuerbescheid noch Kontoauszüge zu haben.
Da sich das notarielle Nachlassverzeichnis hinsichtlich der unentgeltlichen Verfügung ausschließlich in der Wiedergabe der Angaben des Beklagten erschöpfe, sei nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das notarielle Nachlassverzeichnis nicht einer formal ordnungsgemäßen Auskunftserteilung entspreche. Eine Entscheidung zu dieser formalen Frage ließ das Gericht jedoch dahingestellt.

C. Kontext der Entscheidung

Das OLG Koblenz zeigt erneut die Bedeutung des notariellen Nachlassverzeichnisses auf. Es soll nicht der „Abklatsch“ der Auskunft des Erben sein. Durch die Aufnahme des Verzeichnisses durch den Notar soll dem Pflichtteilsberechtigten ein hoher Grad an Richtigkeit der Auskunft gewährleistet werden (OLG Koblenz, Beschl. v. 18.03.2014 – 2 W 495/13).
Im Rahmen der Errichtung des notariellen Nachlassverzeichnisses kann der Erbe nicht Informationen zurückhalten, die dem Notar bei seinen eigenen Ermittlungen verborgen bleiben. Dies stellt eine unzulässige Beschränkung des Auftrages an den Notar dar, gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten Auskunft zu erteilen.
Es ist dem Erben dabei auch zumutbar, sich im Rahmen der Auskunftserteilung das zur Auskunftserteilung erforderliche Wissen zu verschaffen und an der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses durch entsprechende Informationen an den Notar mitzuwirken (OLG Nürnberg, Beschl. v. 26.08.2009 – 12 W 1364/09). Von den Erben sind daher dem Notar beispielsweise auch Kontoauszüge und Bankunterlagen über einen Zeitraum von zehn Jahren zur Verfügung zu stellen (OLG Koblenz, Beschl. v. 18.03.2014 – 2 W 495/13).

D. Auswirkungen für die Praxis

Das vom Notar erstellte Nachlassverzeichnis ist insbesondere auch auf die Ermittlungstätigkeit des Notars – im Gegensatz zur bloßen Übernahme von Informationen durch den Erben – zu überprüfen. Ggf. ist argumentativer „Druck“ auf den Erben durch die Vollstreckung eines Titels nach § 888 ZPO zur Vorlage eines ordentlichen notariellen Nachlassverzeichnisses auszuüben.

Vollstreckung zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses
Birgit OehlmannRechtsanwältin
  • Fachanwältin für Erbrecht
  • Zertifizierte Testamentsvollstreckerin (AGT)

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