In einem vor dem Landesarbeitsgericht in Hamm entschiedenen Fall hatte ein Steuerfachangestellter seinen Arbeitgeber, einen Steuerberater, auf restliche Vergütung in Anspruch genommen. Der Steuerberater vertrat hierbei die Ansicht, er dürfe aus Gründen der Verschwiegenheitspflicht keine konkreten Angaben zu den gegenüber den Mandanten abgerechneten Leistungen tätigen. Der Mitarbeiter hingegen legte aus seiner Erinnerung dar, welche Leistungen durch ihn erbracht worden sind. Dies veranlasste den Steuerberater wiederum, von einer Unverwertbarkeit dieser Angaben im Prozess auszugehen. Das Landesarbeitsgericht erteilte den Rechtsansichten des Steuerberaters mit überzeugender Begründung eine deutliche Abfuhr und verurteilte diesen zur Zahlung.
Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 21. April 2015 – 14 Sa 1249/14 –, juris
Aus den Entscheidungsgründen:
… Soweit keine ausdrückliche oder zumindest stillschweigende Einwilligung des betroffenen Mandanten vorliegt, ist die Offenlegung von Tatsachen, die unter das Berufsgeheimnis fallen, nur bei Vorliegen eines besonderen Rechtfertigungsgrundes zulässig (vgl. BGH, 10. Juli, 1991, VIII ZR 296/90, NJW 1991, 2955, II. 2. b) cc) bis ee) der Gründe (zur ärztlichen Honorarforderung); 25. März 1993, IX ZR 192/92, NJW 1993, 1638; II. 2. b) und c) der Gründe (zur anwaltlichen Honorarforderung); Stöber, ZIP 2007, 1492, 1493). Wenn der Geheimhaltungspflichtige an einer gerichtlichen Auseinandersetzung beteiligt ist, muss er grundsätzlich gegenüber dem mit dem Rechtsstreit befassten Gericht sowie gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten Verschwiegenheit wahren. Der Umstand, dass Richter und sonstige Gerichtsbedienstete sowie Rechtsanwälte ihrerseits an berufsrechtliche Geheimhaltungspflichten gebunden sind, ändert hieran nichts. Die Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses besteht im Zivilprozess zwischen dem Schweigepflichtigen und seinem Mandanten fort (vgl. Stöber, a. a. O., Seite 1494).
Allerdings ist sowohl zivilrechtlich (vgl. BGH, 25. März 1993, IX ZR 192/92 NJW 1993, 1638, II. 2. c) der Gründe; 10. August 1995, IX ZR 220/94, NJW 1995, 2915, II. 2. b) der Gründe; 11. November 2004, IX ZR 240/03, NJW 2005, 508, II. 2. b) bb) der Gründe; Stöber, ZIP 2007, 1492, 1494 f.) als auch strafrechtlich im Hinblick auf eine Strafbarkeit nach § 203 StGB (vgl. BGH, 9. Oktober 1951, 1 StR 159/51, NJW 1952, 151; 15. Mai 1956, 1 StR 55/56, MDR 1956, 625; Fischer, StGB, 61. Auflage, 2014, § 203 Rn. 45 f.; Schönke/Schröder/Eisele/Lenckner, StGB, 29. Auflage 2014, § 203 StGB Rn. 30 ff.) anerkannt, dass bei der Durchsetzung von Honoraransprüchen gegen den Mandanten, zur Verteidigung im Regressprozess, zur Verteidigung gegen Beschuldigungen im Strafprozess und zur Abwehr von rechtswidrigen Angriffen auf Vermögen oder Ehre sowie von Gefahren für Dritte und die Allgemeinheit die Offenbarung von dem Berufsgeheimnis unterliegenden Tatsachen im gerichtlichen Verfahren zulässig ist. Dies wird unter dem Gesichtspunkt der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§ 193 StGB) bzw. des rechtfertigenden Notstandes (§ 34 StGB) für zulässig erachtet. Denn andernfalls wäre der Schweigepflichtige sonst praktisch rechtlos, während bei dem Betroffenen seine geringere Schutzwürdigkeit zu Buche schlägt, weil er den bestehenden Interessenkonflikt zum Beispiel im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung mit dem Schweigepflichtigen selbst veranlasst hat.
In diesem Rahmen kann daher ein Rechtsanwalt oder Steuerberater sowohl einen Mitarbeiter, aber auch einen Prozessbevollmächtigten unterrichten und mit der Durchsetzung einer Forderung betrauen. Er kann aber nicht zur Vereinfachung des Inkassos und ggfs. verfahrensrechtlicher Vorteile seiner Forderungen diese an einen Dritten abtreten. Ebenso wenig darf eine solche Abtretung ohne Zustimmung des Mandanten im Rahmen eines Verkaufs der Praxis erfolgen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein ehemaliger Mitarbeiter die Praxis kauft und diese Mandate und die damit verbundenen Informationen umfassend kennt. Entsprechendes gilt bei einer Abtretung an den Bevollmächtigten im Kostenfestsetzungsverfahren gegen den Mandanten. Die Grundsätze gelten entsprechend für Steuerberater (vgl. OLG Rostock, 28. August 2005, 8 U 91/04, OLGR Rostock 2006, 242, 2. a) aa) (3.3) der Gründe).
Im vorliegenden Fall ist der Kläger angestellter Steuerfachgehilfe der Beklagten. Die Verschwiegenheitspflicht nach § 57 StBerG trifft ihn unabhängig von einer ausdrücklichen Verpflichtung nach § 62 StBerG aufgrund der nach § 241 Abs. 2 BGB bestehenden Verschwiegenheitspflicht aus dem Arbeitsvertrag. Daher hat er grundsätzlich über alles, was er aus der Bearbeitung der Mandate an Kenntnissen erlangt, Verschwiegenheit zu wahren. Das erfasst auch die Identität der Mandanten, die für diese erbrachten Leistungen sowie die diesen erteilten Rechnungen.