Nachfolgend ein Beitrag vom 21.8.2017 von Fischer, jurisPR-SteuerR 34/2017 Anm. 1
Leitsatz
Die Anerkennung eines Vereins als gemeinnützig i.S.d. §§ 51 ff. AO hat Indizwirkung dafür, dass er nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist und in das Vereinsregister eingetragen werden kann.
A. Problemstellung
Die vom KG Berlin initiierte „Kita-Rechtsprechung“ war fragwürdig, weil sie mit der hergebrachten Anwendung des Nebenzweckprivilegs nicht dem typischen gemeinnützigen Zweckbetrieb, dessen ideeller Zweck sich gerade in der Unterhaltung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausdrückt, und der sozialen Wirklichkeit der auf Erwirtschaftung von Mitteln angewiesenen Vereine Rechnung trug. Beuthien (npoR 2017, 137) hat zu Recht bemerkt: Das KG Berlin hat allen Vereinen „einen begriffsjuristischen Strick daraus gedreht, dass sie ihre Betriebskosten auf eine bestimmte Art und Weise decken“. Es hatte das Proprium des gemeinnützigkeitsrechtlichen Zweckbetriebs verkannt: Der ideelle Zweck eines gemeinnützigen Vereins drückt sich gerade „in der wirtschaftlichen Betätigung aus“. Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen muss die Rechtsordnung der Zivilgesellschaft ein adäquates und in der Praxis handhabbares Format für zweckbetriebliche Tätigkeit und darüber hinaus für ´die Erwirtschaftung von Mitteln zur Verfügung stellen.
Nunmehr hat der BGH diesem Bedürfnis Rechnung getragen und in einer methodologisch bemerkenswerten Entscheidung das vereinsrechtliche Nebenzweckprivileg rechtsfortbildend erweitert.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der beteiligte Verein (Beteiligter) ist seit dem Jahre 1995 im Vereinsregister eingetragen. Er verfolgt nach seiner Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke i.S.d. §§ 51 ff. AO. Er hat elf Mitglieder und betreibt neun Kindertagesstätten mit jeweils 16 bis 32 Kindern. Er ist vom zuständigen Finanzamt als gemeinnützig anerkannt worden.
Im Jahre 2015 leitete das AG Charlottenburg ein Amtslöschungsverfahren gegen ihn ein (§ 395 Abs. 1 FamFG). Das KG hat die verfügte Löschung bestätigt (KG, Beschl. v. 16.02.2016 – 22 W 71/15 – DStR 2016, 1173). Der Kläger sei ein wirtschaftlicher Verein i.S.d. § 22 BGB, und das Nebenzweckprivileg stehe ihm nicht zu. Die vom KG zugelassene Beschwerde des Vereins an den BGH hatte Erfolg. Der BGH hat entschieden:
I. Die Voraussetzungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs i.S.d. §§ 21 und 22 BGB sind erfüllt. Der vom Beteiligten geführte entgeltliche Betrieb zur Kinderbetreuung ist eine unternehmerische Tätigkeit. Indessen ist es mit Zweck und Tätigkeit eines Idealvereins auch unter Berücksichtigung der Schutzzwecke der §§ 21 und 22 BGB nicht vereinbar, wenn dieser in dem erörterten Umfang einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb führt. Er kann auch ein nichtwirtschaftlicher Verein sein, wenn er zur Erreichung seiner ideellen Ziele unternehmerische Tätigkeiten entfaltet, sofern die wirtschaftliche Tätigkeit dem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck zu- und untergeordnet und Hilfsmittel zu dessen Erreichung ist (sog. Nebenzweckprivileg). Dieses Privileg ist hier anwendbar. Die wirtschaftliche Tätigkeit ist dem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck des Beteiligten zu- und untergeordnet und Hilfsmittel zu dessen Erreichung. Der Zweck des Vereins ist nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet.
II. Für die Beurteilung der Frage, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit im Rahmen der Rechtsform des Vereins ausgeübt wird, „ist die Anerkennung des Beteiligten als gemeinnützig im Sinne der §§ 51 ff. AO von entscheidender Bedeutung“, ohne dass es freilich in dieser Hinsicht einen Automatismus gibt. Der Anerkennung als gemeinnützig kommt „Indizwirkung“ zu. Ausweislich der Materialien zum BGB hat der Gesetzgeber den gemeinnützigen Verein als Regelfall eines Idealvereins angesehen, der nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Die gemeinnützigen Vereine sind nicht aus dem Anwendungsbereich dieser Norm ausgenommen worden.
Auch ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber als Gegenstück zum Idealverein die Gesellschaften (AG, GmbH etc.) vorgesehen hat. Den Gegensatz hat der Gesetzgeber darin gesehen, dass ihr Handeln durch das Gesellschaftsinteresse bestimmt wird, das auf Geschäftsgewinn und den wirtschaftlichen Vorteil des Einzelnen abzielt. Gerade in Bezug auf die jeweils unterschiedlichen Rechtsrahmen unterscheidet sich der als gemeinnützig anerkannte Verein von den Erwerbsgesellschaften. In diese Richtung weist auch eine Auslegung am Maßstab des Art. 9 Abs. 2 GG (Vereinigungsfreiheit). Der Gesetzgeber hat mit den §§ 51 ff. AO zum Ausdruck gebracht, dass ein besonderes gesellschaftliches Interesse an der Verwirklichung der dort genannten Aufgaben besteht, um die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Danach steht der ideelle Vereinszweck des Beteiligten laut seiner Satzung, den er mittels des Betriebs seiner Kindertagesstätten verwirklicht, im Vordergrund. Die wirtschaftliche Betätigung ist danach nicht Haupt- bzw. Selbstzweck, sondern dem ideellen Hauptzweck zugeordnet.
III. Gegen eine Einordnung des Beteiligten als Idealverein spricht auch nicht der Umfang des Geschäftsbetriebs. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass auch ein solcher Verein in das Vereinsregister einzutragen sei, der neben seinen ideellen Hauptzwecken ein wirtschaftliches Geschäft betreibe, um sich hierdurch die zur Erreichung jener Zwecke erforderlichen Mittel zu verschaffen. Wenn ein Verein – ausgehend von dem Willen des Gesetzgebers ausweislich der Erwägungen im Gesetzgebungsverfahren – die Mittel in der erforderlichen Höhe zur Verwirklichung seiner ideellen Zwecke erwirtschaften darf, dann kann ihm auch nicht verwehrt werden, den ideellen Zweck unmittelbar mit seinen wirtschaftlichen Aktivitäten zu erfüllen. Sinn und Zweck der §§ 21, 22 BGB verbietet dies jedenfalls dem als gemeinnützig i.S.d. §§ 51 ff. AO anerkannten Verein nicht.
IV. Wenn mit dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb in einer bestimmten Größe die erforderlichen Mittel zur Erreichung des ideellen Zwecks erwirtschaftet werden dürfen, entstehen keine größeren Gefahren für den Rechtsverkehr, wenn mittels des Geschäftsbetriebs unmittelbar der ideelle Zweck verfolgt wird. Höhere Risiken für den Geschäftsverkehr sind damit nicht verbunden. Eine Verlagerung von wirtschaftlichen Aktivitäten auf einen Idealverein ist nicht zu erwarten, wenn der Verein als gemeinnützig anerkannt ist, da die Einhaltung der Voraussetzungen des § 55 AO und insbesondere das Verbot der Gewinnausschüttung an die Mitglieder einer solchen Gefahr entgegenstehen. Die Befolgung der §§ 51 ff. AO wird durch die Finanzverwaltung in effektiverer Weise überwacht als den Registergerichten dies angesichts ihrer Sach- und Personalausstattung möglich ist. Mögliche Gläubiger wissen auch von vornherein, dass der Verein keine garantierte Mindestkapitalausstattung hat. Fehlvorstellungen sind in der Praxis insoweit nicht zu erwarten.
Konkrete Anhaltspunkte im hiesigen Verfahren, die Anlass geben, von den oben genannten Erwägungen abzuweichen, sind vom Beschwerdegericht nicht festgestellt worden.
V. Gegen eine Einordnung des Beteiligten als Idealverein i.S.d. § 21 BGB sprechen auch keine wettbewerbsrechtlichen Gründe. Die Konkurrenz auf dem Markt mit anderen Anbietern würde auch eintreten, wenn der Beteiligte – entsprechend dem Vorschlag des Registergerichts – den Betrieb der Kindertagesstätten ausgegliedert hätte und selbst als Förderverein weiterbestehen würde. Darüber hinaus handelt es sich bei den §§ 21, 22 BGB weder um unmittelbar wettbewerbsregelnde Normen noch um Vorschriften, die der Wahrung besonders gewichtiger Rechtsgüter und Gemeinschaftsinteressen dienen. Nach ihrem Sinn und Zweck sind die §§ 21, 22 BGB nicht auf die Beachtung sittlicher Gebote oder wettbewerbsrechtlicher Verhaltensnormen gerichtet. Vielmehr legen sie mit besonderem Blick auf die wirtschaftlichen Interessen der Gläubiger Organisationsform und Tätigkeiten des Vereins gegenüber Handelsgesellschaften fest. Vorschriften dieser Art sind wertneutral.
C. Kontext der Entscheidung
I. Es ist zu begrüßen, dass der BGH eine rechtlich nicht zwingende und unerfreulich rigoristische Entwicklung des Vereinsrechts gestoppt hat. Die Diskussion ist angestoßen worden durch die „Kita-Rechtsprechung“ des KG Berlin, deren Ergebnisse bisweilen befremdlich waren. Es ging nicht nur um den Betrieb von Kindergärten bzw. Kindertagesstätten in gemeinnütziger Trägerschaft (z.B. KG, Beschl. v. 18.01.2011 – 25 W 14/10 – DNotZ 2011, 632). In Bezug auf diese hatte das KG Berlin die Anwendung des Nebenzweckprivilegs verneint mit der Begründung, die wirtschaftliche Tätigkeit sei einem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck des Vereins funktional untergeordnet. Es gab weitere Fälle, deren rechtliche Beurteilung skurril anmutet: Das KG Berlin hat einem Verein zur Förderung der Klaviermusik, der sich u.a. durch die Veranstaltung von Klavierabenden finanzieren wollte, die Eintragung als e.V. versagt (KG, Beschl. v. 07.03.2012 – 25 W 95/11 – DStR 2012, 1195). In den Entscheidungsgründen heißt es:
„Der Beteiligte hat nicht aufgezeigt, dass der Aufwand für die Konzerte und die Klaviermusikveröffentlichungen geringer ist als der für seine sonstige Tätigkeit im Rahmen der Unterstützung von Pianisten und Komponisten die Förderung der Ausbildung in Komposition am Klavier.“
Dies war kritikwürdig (Fischer, jurisPR-SteuerR 20/2015 Anm. 1; ausführlich ders., Gemeinnützige Daseinsvorsorge und Wettbewerbsordnung, 2016, S. 217 ff.).
II. Zu Recht blickt der BGH über das Zivilrecht hinaus. Er verweist auf die Materialien zum BGB: Der Gesetzgeber wollte lediglich denjenigen Vereinen die Rechtsfähigkeit versagen, deren ausschließlicher oder Hauptzweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Die „tatsächlichen Umstände“, die für die Anerkennung als gemeinnützig i.S.d. §§ 51 ff. AO von Bedeutung sind, sind in die Prüfung der Voraussetzungen des § 21 BGB einzubeziehen. Es ist zu berücksichtigen, „dass der Gesetzgeber mit den §§ 51 ff. AO zum Ausdruck gebracht hat, dass ein besonderes gesellschaftliches Interesse an der Verwirklichung der dort genannten Aufgaben besteht, um die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern“.
III. Der BGH fährt fort: „Wenn ein Verein – ausgehend von dem Willen des Gesetzgebers ausweislich der Erwägungen im Gesetzgebungsverfahren – die Mittel in der erforderlichen Höhe zur Verwirklichung seiner ideellen Zwecke erwirtschaften darf, dann kann ihm auch nicht verwehrt werden, den ideellen Zweck unmittelbar mit seinen wirtschaftlichen Aktivitäten zu erfüllen.“ Diese richtige Aussage trägt dem Umstand Rechnung, dass es für Vereine – zumeist – existenznotwendig ist, sich durch wirtschaftliche Geschäftsbetriebe zu finanzieren. Die nachhaltige Finanzierung des in Vereinen betriebenen Breiten- und Spitzensports, vor allem durch Erwirtschaften von Erträgen mittels Teilnahme am Marktgeschehen, ist ein Anliegen sogar der EU (vgl. hierzu Rat der EU, „Arbeitsplan für den Sport (2014-2017)“ v. 21.05.2014). Es besteht allgemeiner Konsens darüber, dass der Vereinssport zur Wahrung seiner rechtlich verbürgten Autonomie seine ideelle Tätigkeit grundsätzlich zumindest teilweise „mit eigenen Bordmitteln“ finanzieren muss, und zwar nicht nur durch öffentliche Zuschüsse sowie Mitgliedsbeiträge und Spenden, sondern auch durch wirtschaftliche Geschäftsbetriebe. Staatliche Sportförderung kann nach zivilgesellschaftlichem Selbstverständnis des autonomen Sports nur subsidiär eingreifen. Auch der Deutsche Bundestag hat unter Bezugnahme auf das „Weißbuch Sport der EU-Kommission“ (KOM(2007) 391) befürwortet, dass sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene „ein klarer Rechtsrahmen“ geschaffen wird, damit die Besonderheiten des Sports bei seiner Teilnahme am Wirtschaftsleben berücksichtigt werden (Beschl. des Deutschen Bundestages v. 02.07.2009, BT-Drs. 16/13058). Im rechtlichen Format des e.V. darf der Verein nicht nur auf dem äußeren und inneren Markt zweckbetriebliche Leistungen erbringen, sondern auch steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhalten.
IV. In einer weiteren Entscheidung vom gleichen Tage (BGH, Beschl. v. 16.05.2017 – II ZB 6/16) hat der BGH seine Auffassung bestätigt.
1. Der dortige Beteiligte, ein gemeinnütziger Verein (e.V.), wandte sich ebenfalls gegen die Löschung im Vereinsregister. Er ist seit 1978 im Vereinsregister eingetragen. Die satzungsmäßigen Ziele des Vereins „bestehen in der theoretischen Arbeit mit Pädagoginnen und Pädagogen und praktischen pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Das Ziel des Vereins ist insbesondere die Förderung und Entwicklung der Kinder, der Jugend- und Familienhilfe, der Gemeinwesenarbeit sowie der Förderung von Erziehungswissenschaft und Forschung. Diese werden verwirklicht i.S. des § 52 AO“. Er ist als gemeinnützig anerkannt.
Der Beteiligte hat 16 Mitglieder. Bei ihm sind ca. 695 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hauptamtlich beschäftigt. Die Verwaltung wird von 33 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Geschäftsstelle durchgeführt. Der Beteiligte betreibt 24 Kindertagesstätten, in denen insgesamt durchschnittlich 2.400 Kinder betreut werden. Der Beteiligte ist zudem Träger von Kinder- und Jugendfreizeitstätten. Neun Kinder- und Jugendstätten, drei Schülerclubs und vier Schulstationen werden von ihm betrieben. Er beteiligte sich an schulbezogenen Jugendsozialarbeiten. Er betreibt ferner Ganztagsbereiche in drei Grundschulen. Zudem bietet er Betreuungsprojekte im Rahmen der Berufsorientierung und Seminare, Arbeitsgemeinschaften und Weiterbildungskurse an.
Im Jahre 2014 hatte das AG Charlottenburg gegen den Beteiligten das Amtslöschungsverfahren eingeleitet. Der Betrieb der 24 Kindertagesstätten werde professionell und nicht als Elterninitiativ-Kindertagesstätten betrieben und sei eine unternehmerische Beteiligung am Markt. Die wirtschaftliche Beteiligung falle auch nicht unter das sog. Nebenzweckprivileg. Das Kammergericht war dieser Auffassung gefolgt (KG, Beschl. v. 16.02.2016 – 22 W 88/14).
2. Die zugelassene Rechtsbeschwerde beim BGH hatte auch hier Erfolg. Die Voraussetzungen für eine Löschung des Beteiligten aus dem Vereinsregister gemäß § 395 Abs. 1 Satz 1 FamFG lagen nach Ansicht des BGH nicht vor. Dieser führte zur Begründung aus: Der Beteiligte sei als nicht wirtschaftlicher Verein i.S.d. §§ 21, 22 BGB anzusehen, weil sein Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sei. Es sei mit Zweck und Tätigkeit eines Idealvereins auch unter Berücksichtigung der Schutzzwecke der §§ 21 und 22 BGB nicht unvereinbar, wenn dieser in dem erörterten Umfang einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb führe. Der vom Beteiligten durchgeführte entgeltliche Betrieb von Kindertagesstätten sei eine unternehmerische Tätigkeit, denn er erbringe am äußeren Markt der Kindertagesstätten planmäßig und dauerhaft Kinderbetreuungsleistungen gegen Entgelt. Diese wirtschaftliche Tätigkeit sei aber dem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck des Beteiligten zu- und untergeordnet und Hilfsmittel zu dessen Erreichung. Sie unterfalle damit dem Nebenzweckprivileg und mache den Beteiligten daher nicht zu einem wirtschaftlichen Verein. Der Beteiligte sei nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet. Für die Beurteilung dieser Frage sei die Anerkennung des Beteiligten als gemeinnützig i.S.d. §§ 51 ff. AO von entscheidender Bedeutung. Gegen eine Einordnung des Beteiligten als Idealverein sprächen weder Umfang des Geschäftsbetriebs noch wettbewerbsrechtliche Gründe.
Hieraus folge: Nach seiner Satzung stehe der ideelle Vereinszweck des Beteiligten, den er mit seinen Kindertagesstätten verwirkliche, im Vordergrund. Der Beteiligte sei selbstlos tätig, und die Vereinsmittel seien ausschließlich und unmittelbar für gemeinnützige Zwecke einzusetzen. Die wirtschaftliche Betätigung sei danach nicht Haupt- bzw. Selbstzweck (vgl. BGH, Urt. v. 30.11.1954 – I ZR 147/53 – BGHZ 15, 315, 319; BayObLG, Beschl. v. 06.04.1989 – BReg 3 Z 10/89 – DNotZ 1990, 103, 105; OLG Frankfurt, Beschl. v. 28.10.2010 – 20 W 254/10 – SpuRt 2011, 125, 126), sondern dem ideellen Hauptzweck zugeordnet.
Das Beschwerdegericht habe keine konkreten Anhaltspunkte festgestellt, die Anlass geben würden, von den oben genannten Erwägungen abzuweichen. Das Registergericht habe den Gesichtspunkt eines Gläubigerschutzes nur abstrakt – unabhängig von konkreten Anhaltspunkten für eine Gläubigergefährdung – angeführt. Gesichtspunkte eines eventuell im Einzelfall anzunehmenden Bedürfnisses für einen Gläubigerschutz aufgrund der konkreten Geschäftstätigkeit des Beteiligten, der eine andere Beurteilung unter dem Schutzzweck des § 21 BGB erfordern würde, seien nicht ersichtlich.
3. Diese Entscheidung ist deswegen richtungweisend, weil es hier um einen kleinen gemeinnützigen Konzern ging, dessen Größenordnung den BGH nicht veranlasst hat, für die Anwendung des § 21 BGB eine „Obergrenze“ für die wirtschaftliche Tätigkeit zu bestimmen.
Der BGH hat die Frage dahingestellt sein lassen, ob nicht das sog. Nebenzweckprivileg zugunsten der Beteiligten bereits deshalb eingreift, weil mit dem Betrieb der Kindertagesstätten zugleich die Mittel eingeworben werden, die für die Verwirklichung der weiteren umfangreichen gemeinnützigen Zwecke des Beteiligten, wie Schülerclubs, Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen, Schulstationen, Ganztagsbereiche, Projekte der Berufsorientierung sowie weitere Entwicklungsvorhaben erforderlich sind.
V. Die Schaffung einer den Anwendungsbereich des § 21 BGB einschränkenden, für gemeinnützige Zweckbetriebe geltenden Bereichsausnahme ist auch ein Gebot höherrangigen Rechts. Zu Recht spricht der BGH auch den grundrechtlichen Aspekt an. Die durch Art. 9 GG und Art. 12 Grundrechte-Charta der EU geschützte Vereinigungsfreiheit erfordert, dass der Gesetzgeber zwecks Entstehenssicherung der grundrechtlich geschützten Vereinigungsfreiheit den Organisationen der Zivilgesellschaft ein rechtliches Format zur Verfügung stellt, das den spezifischen Bedürfnissen von bürgerschaftlichen Vereinigungen – unter Berücksichtigung der Mitgliederfluktuation, Haftung von Organen und Mitgliedern usw. – einen sachadäquaten Rechtsrahmen bietet. Unter diesem Aspekt ist das rechtliche Format des e.V. als klassische Organisationsform für die ihre Grundfreiheiten wahrnehmende Zivilgesellschaft unverzichtbar (ausführlich Fischer, Gemeinnützige Daseinsvorsorge und Wettbewerbsordnung, S. 217 ff.).
VI. Nicht von ungefähr – weil nämlich der Verein die typische Organisationsform ist, in welcher das bürgerschaftliche Engagement gebündelt wird – hat der Gesetzgeber die Haftungserleichterungen für die Akteure des Dritten Sektors regelungssystematisch dem Recht des Vereins zugeordnet. Auch aus diesem Grunde würde es dem Regelungswillen des Gesetzgebers widersprechen, diese Vorzugsstellung entfallen zu lassen, wenn der Verein einen Zweckbetrieb (§§ 65 ff. AO) unterhält und/oder wenn er sich mit einem nicht privilegierten wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb die für die Verfolgung der ideellen Zwecke notwendigen Finanzmittel verschafft.
D. Auswirkungen für die Praxis
I. Zwade (jurisPR-BGHZivilR 13/2017 Anm. 1) bemerkt: „Die besprochene Entscheidung ist zu begrüßen. Sie ist nicht nur von dogmatischer Stringenz, sondern auch von Weisheit geprägt.“ Dem ist zuzustimmen. Denn die Rechtsform des eingetragenen Vereins ist für die Rechtsträger des Dritten Sektors, die wirtschaftlich-unternehmerisch gegenüber ihren Mitgliedern und/oder gegenüber Dritten entgeltliche Leistungen erbringen und/oder die sich mit steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben finanzieren müssen, „alternativlos“. Dies folgt auch aus Art. 9 Abs. 2 GG.
II. Die Bundesregierung hat dies nicht erkannt. Auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sie mit Blick auf die „Kita-Rechtsprechung“ geäußert: „Die bestehenden Regelungen ermöglichen auch die Eintragung von solchen Vereinen ins Vereinsregister, die ideelle Zwecke auch durch wirtschaftliche Betätigung verfolgen wollen. Die wirtschaftliche Betätigung darf aber nicht zur Haupttätigkeit des Vereins werden, da die Rechtsform des Vereins anders als die handelsrechtlichen Rechtsformen nicht auf wirtschaftliche Betätigung ausgerichtet ist.“ Die Frage, ob sie Klarstellungsbedarf im BGB sieht, hat sie kurz und bündig mit „nein“ beantwortet. Gottlob gibt es Gerichte, die ihre Gestaltungsaufgabe souverän rechtsfortbildend wahrnehmen.