Nachfolgend ein Beitrag vom 7.9.2017 von Börstinghaus, jurisPR-MietR 18/2017 Anm. 4

Orientierungssätze

1. Für das Vorliegen der Voraussetzungen des Eintrittsrechts eines Kindes in den Mietvertrag eines verstorbenen Elternteils muss das Kind gemäß § 563 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht wie ein übriger Angehöriger den Haushalt mit dem verstorbenen Mieter zusammen geführt haben, sondern lediglich in dessen Haushalt gelebt haben (Anschluss BGH, Urt. v. 10.12.2014 – VIII ZR 25/14 – NJW 2015, 473).
2. Das Vorliegen eines Untermietverhältnisses des verstorbenen Mieters mit dem Eintrittsberechtigten schließt einen gemeinsamen Haushalt nicht aus.
3. Eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung und Verkündung des erstinstanzlichen Urteils ausgesprochene Kündigung kann in der Berufungsinstanz nicht berücksichtigt werden. Denn hierbei handelt es sich um einen neuen Streitgegenstand, sodass die auf diese Weise herbeigeführte nachträgliche Klagehäufung (§ 260 ZPO) wie eine Klageänderung i.S.d. §§ 263, 533 ZPO zu behandeln ist (Anschluss BGH, Urt. v. 27.10.2015 – VIII ZR 288/14 – WuM 2016, 98).

A. Problemstellung

Nach dem Tod des oder der Mieter tauchen immer wieder die gleichen Fragen auf, nämlich wer ist jetzt Mieter und kann ihm ggf. gekündigt werden. Dabei unterscheidet das Gesetz verschiedene Fälle. Das LG Berlin hatte sich mit einem solchen Fall zu beschäftigen.

B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Der Vermieter hatte ein Reihenendhaus wohl an Eheleute vermietet. Nach dem Tod des Ehemannes lebte die Ehefrau dort weiter. Im Jahre 1994 gestattete der ehemalige Vermieter der Ehefrau die Untervermietung an die Tochter und deren Ehemann. Ausdrücklich wurde von einem Untermietzuschlag abgesehen, da die Tochter fortan in einem gemeinsamen Haushalt mit der Mieterin lebte. Die Tochter war seither in dem Haus polizeilich gemeldet. Die Tochter pflegte ihre Mutter bis zu deren Tode. Der Vermieter kündigte der Tochter nach dem Tod der Mutter im Jahre 2015 gemäß § 564 Satz 2 BGB. Da die Tochter sich weigerte, auszuziehen, klagte er auf Räumung und Herausgabe des Reihenendhauses.
Das LG Berlin hat die klageabweisende Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt.
Nach Auffassung des Landgerichts ist die Kündigung des Vermieters unwirksam, da die Voraussetzungen des § 564 Satz 2 BGB nicht vorlagen. Nach dieser Vorschrift könne der Vermieter dann, wenn bei Tod des Mieters keine Personen i.S.d. § 563 BGB in das Mietverhältnis eintreten und das Mietverhältnis deswegen mit dem Erben fortgesetzt werde, das Mietverhältnis innerhalb eines Monats außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen, nachdem er vom Tod des Mieters und davon Kenntnis erlangt habe, dass ein Eintritt in das Mietverhältnis nicht erfolgt sei. Diese Voraussetzungen hätten hier jedoch nicht vorgelegen, weil die Tochter nach dem Tod ihrer Mutter gemäß § 563 Abs. 2 Satz 1 BGB in das Mietverhältnis eingetreten war.
Nach § 563 Abs. 2 Satz 1 BGB treten Kinder des Mieters, die in einem gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter leben, mit dem Tod des Mieters in das Mietverhältnis ein, wenn nicht der Ehegatte oder Lebenspartner eintritt. Diese Voraussetzungen liegen nach Ansicht des Landgerichts hier vor. Ein Kind müsse gemäß § 563 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht wie ein übriger Angehöriger den Haushalt mit dem verstorbenen Mieter zusammen geführt haben. Er müsse lediglich in dessen Haushalt gelebt haben. Daran seien keine überspannten Anforderungen zu stellen.
Das Landgericht geht davon aus, dass die Tochter im Sinne der Vorschrift mit der Mutter bis zu deren Tod in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat. Die Tochter habe hierfür konkret ausreichende Indizien vorgelegt. Dass der Vermieter diesen Vortrag einfach bestritten habe, sei unzulässig. Er habe nichts Substantiiertes dazu vorgetragen, warum er davon ausgehe, dass die Tochter nicht mit ihrer Mutter in einem Haus gelebt haben soll. Auch die Tatsache, dass ein Untermietverhältnis bestanden hat, ist nach Ansicht des Landgerichts unerheblich. Dieses schließe nicht aus, dass die Tochter mit der Mutter einen gemeinsamen Haushalt geführt habe.

C. Kontext der Entscheidung

Die Rechtsnachfolge auf Mieterseite ist im Wohnraummietrecht differenziert geregelt. Ohne die Vorschriften der §§ 563, 563a und 564 BGB würde in diesem Fall allgemeines Erbrecht gelten. Das ist heute gemäß § 580 BGB noch so in der Gewerberaummiete. Den Besonderheiten des Wohnraummietrechts werden die erbrechtlichen Regelungen nicht immer gerecht. Hier gibt es ganz unterschiedliche Lebenssachverhalte, die auch eine differenzierte Lösung rechtfertigen.
Das Gesetz unterscheidet drei Grundfälle:
1. § 563 BGB: Es gibt einen Mieter, aber es leben mehrere Personen in der Wohnung.
2. § 563a BGB: Es gibt mehrere Mieter.
3. § 564 BGB: Es gibt einen Mieter, der allein in der Wohnung lebt oder kein Mitbewohner ist in den Mietvertrag gemäß § 563 BGB eingetreten oder ein Mitmieter hat den Vertrag fortgesetzt.
Am ausdifferenziertesten ist die Regelung des § 563 BGB, da sie versucht, alle denkbaren Formen des menschlichen Miteinanders in einer Wohnung zu erfassen. Dabei stellt das Gesetz auch eine Rangfolge der Eintrittsberechtigten auf:
a) An erster Stelle steht der Ehegatte. Hat er mit dem verstorbenen Mieter einen gemeinsamen Haushalt geführt, dann tritt er in den Mietvertrag ein und verdrängt zugleich alle anderen Mitbewohner. Gleichgestellt ist inzwischen der Lebenspartner nach dem LPartG.
b) Als nächstes erwähnt das Gesetz die Kinder. Sie treten aber schon in den Mietvertrag ein, wenn sie mit dem verstorbenen Mieter in einem Haushalt lebten. Das ist weit weniger, als einen gemeinsamen Haushalt zu führen. Gemeinsame Haushaltsführung setzt gemeinsame Entscheidungen über das Haushalten und die Finanzierung des Haushalts voraus. Da dies bei minderjährigen und vor allem sehr jungen Kinder nicht der Fall ist, hat der Gesetzgeber dies durch eine weite Gesetzesformulierung berücksichtigt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Kinder älter werden und durchaus auch mit den Eltern einen gemeinsamen Haushalt führen können. Zwingend erforderlich ist das aber nicht. Dass mit den Eltern ein Untermietverhältnis begründet wurde, ist ebenfalls unschädlich. Allenfalls dann, wenn ein völlig abtrennbarer Wohnbereich, z.B. eine Einliegerwohnung, vorliegt, könnte das Merkmal „gemeinsamer Haushalt“ entfallen.
c) Anschließend führt § 563 Abs. 2 BGB dann die sonstigen Familien- und Haushaltsangehörigen auf, die aber wiederum auch nur dann in den Vertrag eintreten, wenn sie mit dem verstorbenen Mieter einen gemeinsamen Haushalt geführt haben.

D. Auswirkungen für die Praxis

Für die Praxis bedeutet dies, dass spätestens mit dem Tod des Mieters möglichst genau zu ermitteln ist, wer in der Wohnung lebt (Ermittlung der vollständigen Namens) und vielleicht auch, wie die Familienverhältnisse exakt sind. Nur dann kann man rechtlich nachvollziehen, wer in den Vertrag eingetreten ist. Wichtig ist dies auch für die Frage, an wen alles die Kündigung genau zu adressieren ist.