Nachfolgend ein Beitrag vom 8.2.2019 von Börstinghaus, jurisPR-BGHZivilR 3/2019 Anm. 2
Leitsätze
1. Wärmebrücken in den Außenwänden einer Mietwohnung und eine deshalb – bei unzureichender Lüftung und Heizung – bestehende Gefahr einer Schimmelpilzbildung sind, sofern die Vertragsparteien Vereinbarungen zur Beschaffenheit der Mietsache nicht getroffen haben, nicht als Sachmangel der Wohnung anzusehen, wenn dieser Zustand mit den zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden Bauvorschriften und technischen Normen in Einklang steht (im Anschluss an die st. Rspr.; siehe nur BGH, Urt. v. 23.09.2009 – VIII ZR 300/08 – NJW 2010, 1133 Rn. 11; BGH, Urt. v. 01.06.2012 – V ZR 195/11 – NJW 2012, 2725 Rn. 10; BGH, Urt. v. 05.06.2013 – VIII ZR 287/12 – NJW 2013, 2417 Rn. 15; BGH, Urt. v. 18.12.2013 – XII ZR 80/12 – NJW 2014, 685 Rn. 20, und BGH, Urt. v. 05.12.2018 – VIII ZR 67/18; jeweils m.w.N.).
2. Welche Beheizung und Lüftung einer Wohnung dem Mieter zumutbar ist, kann nicht abstrakt-generell und unabhängig insbesondere von dem Alter und der Ausstattung des Gebäudes sowie dem Nutzungsverhalten des Mieters, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bestimmt werden (Anschluss an Senatsurteile v. 18.04.2007 – VIII ZR 182/06 – NJW 2007, 2177 Rn. 32 und v. 05.12.2018 – VIII ZR 67/18).
A. Problemstellung
Schimmel in der Wohnung ist, man möchte sagen, immer noch und leider ein häufiger Mietmangel. In der Rechtsprechungspraxis ist dabei normalerweise die Tatsache des Mangels eher unproblematisch. Es geht vor allem um den Ausschlusstatbestand, also die Frage, ob der Schimmel schuldhaft durch den Mieter, will heißen durch ein nutzungsbedingtes Fehlverhalten verursacht wurde. Das LG Lübeck hatte in den letzten Jahren aber eine durchaus eigene Rechtsprechung zum gebotenen Nutzungsverhalten, z.B. das Aufstellen eines Kleiderschranks an der kalten Außenwand im Schlafzimmer (LG Lübeck, Urt. v. 07.03.2014 – 1 S 106/13) oder zum erforderlichen Lüften (LG Lübeck, Urt. v. 05.11.2015 – 14 S 74/14) entwickelt und später immer weiter ausdifferenziert (dazu Selk, NZM 2018,593, 596). Dabei ging es auch immer mal wieder um die Frage, ob die „Schimmelgeneigtheit“ eines Gebäudes bereits einen Mangel darstellt (LG Lübeck, Urt. v. 02.03.2017 – 14 S 275/15; LG Lübeck, Urt. v. 17.11.2017 – 14 S 107/17).
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Da das LG Lübeck die Revision zugelassen hatte, musste der BGH sich nunmehr mit dieser Frage beschäftigen.
Der Kläger hatte im Jahr 1986 eine 73,35 qm große preisgebundene Dreizimmerwohnung vom beklagten Vermieter in einem Haus aus dem Jahr 1971 für zuletzt 620 Euro monatlich einschließlich einer Vorauszahlung auf die Nebenkosten angemietet. Der Mieter behauptete, dass es in der Wohnung aufgrund von (Bau-)Mängeln zu einem erheblichen Schimmelpilzbefall gekommen sei. Er begehrte einen Kostenvorschuss in Höhe von 12.000 Euro für die Mängelbeseitigung durch Anbringung einer Innendämmung sowie – wegen des genannten Schimmelpilzbefalls und wegen einer „Schimmelpilzgefahr“ aufgrund von Wärmebrücken in den Außenwänden – die Feststellung seiner Berechtigung, die Miete um 20% zu mindern und 40% der Miete, letzteres bis zu einem Betrag von 3.720 Euro, zurückzubehalten.
Das Amtsgericht hatte den Mieter zum begehrten Vorschuss verurteilt und darüber hinaus festgestellt, dass der Kläger berechtigt sei, wegen eines näher bezeichneten Schimmelpilzbefalls in mehreren Zimmern der Wohnung die Miete in Höhe von 10% der Bruttomiete zu mindern sowie die Miete bis zur Beseitigung dieser Mängel oder der Beendigung des Mietverhältnisses in Höhe von weiteren 20% der Bruttomiete, höchstens jedoch bis zu einem Gesamtbetrag von 3.720 Euro, im Wege des Zurückbehaltungsrechts einzubehalten. Das Landgericht hatte die nur gegen die Verurteilung zur Zahlung eines Kostenvorschusses gerichtete Berufung des Vermieters zurückgewiesen und die Minderungsquote auf 20% festgesetzt.
Die zugelassene Revision des Vermieters hatte Erfolg.
I. Der mietrechtliche Mangelbegriff
Ein Mangel, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebt oder mindert und deshalb dem Mieter sowohl ein Recht zur Mietminderung (§ 536 Abs. 1 BGB) als auch einen Anspruch auf Mangelbeseitigung (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) sowie unter Umständen ein Zurückbehaltungsrecht gewährt, ist eine für den Mieter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand.
1. Die Ermittlung des geschuldeten Zustands bestimmt sich in erster Linie nach den Vereinbarungen der Mietvertragsparteien.
2. Soweit Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der in § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB gesetzlich vorgesehene „zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand“ durch den vereinbarten Nutzungszweck, hier die Nutzung als Wohnung, bestimmt. Der Mieter einer Wohnung kann nach der allgemeinen Verkehrsanschauung erwarten, dass die von ihm angemieteten Räume einen Wohnstandard aufweisen, der bei vergleichbaren Wohnungen üblich ist. Dabei sind insbesondere das Alter, die Ausstattung und die Art des Gebäudes, aber auch die Höhe der Miete und eine eventuelle Ortssitte zu berücksichtigen.
Gibt es zu bestimmten Anforderungen technische Normen, ist jedenfalls deren Einhaltung geschuldet. Dabei ist nach der Verkehrsanschauung grundsätzlich der bei Errichtung des Gebäudes geltende Maßstab anzulegen.
II. Wärmebrücken im Altbau
Vorliegend bestand die Besonderheit, dass die unstreitig vorliegenden Wärmebrücken im Einklang mit den im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes maßgeblichen Normen standen und dass das Gebäude nach den damaligen Regeln der Baukunst errichtet worden war. Zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes im Jahre 1971 bestand gerade noch keine Verpflichtung, Gebäude mit einer Wärmedämmung auszustatten. Das Vorhandensein geometrischer Wärmebrücken war damals allgemein üblicher Bauzustand.
III. Auch kein Fall des sog. Mindeststandards
Nun hat der VIII. Zivilsenat aber in der Vergangenheit schon entschieden, dass eine Altbauwohnung auch deshalb mangelhaft sein kann, weil sie den erwarteten Mindeststandard nicht aufweise (BGH, Urt. v. 26.07.2004 – VIII ZR 281/03; BGH, Urt. v. 10.02.2010 – VIII ZR 343/08; BGH, Urt. v. 17.12.2014 – VIII ZR 88/13). Diese Rechtsprechung zur elektrischen Versorgung der Wohnung beruht auf dem Umstand, dass bei der Verwendung von Haushaltsgeräten seit den 1950er Jahren ein grundlegender Wandel dahin eingetreten ist, dass nunmehr in nahezu jedem Haushalt regelmäßig zahlreiche elektrische Geräte Verwendung finden und jeder Mieter deshalb mangels abweichender Vereinbarung erwarten kann, dass auch in seiner Wohnung die Nutzung solcher Geräte grundsätzlich möglich ist und die Elektroinstallation diesen Mindestanforderungen genügt.
Nach Ansicht des Senats ist diese Rechtsprechung auf die wärmetechnische Beschaffenheit einer Wohnung nicht übertragbar, da insoweit weder eine vergleichbare Veränderung der Lebensverhältnisse noch eine hierauf beruhende Erwartung des Wohnraummieters hinsichtlich des Mindeststandards einer Altbauwohnung gegeben ist. Auch die vermeintlichen Grundsätze eines „zeitgemäßen Wohnens“ rechtfertigen es nach Ansicht des Senats nicht, die vertragsgemäße Beschaffenheit einer Mietsache hinsichtlich der Wärmedämmung durch die Bestimmung abstrakt-genereller „Eckpunkte“ eines unter allen Umständen zu gewährleistenden Wohnverhaltens festzulegen. Eine erst Jahrzehnte nach der Erbauung des Gebäudes in Kraft getretene DIN-Vorschrift (DIN 4108-2:2003-07) kann deshalb zur Beurteilung des für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbarten und geschuldeten vertragsgemäßen Zustand nicht herangezogen werden.
IV. Das vom Mieter zu erwartende Nutzungsverhalten
Soweit das Landgericht vorausgesetzt habe, der Vermieter habe die Schimmelfreiheit der Wohnung auch unter der Voraussetzung zu gewährleisten, dass der Mieter das Schlafzimmer nur auf 16 Grad Celsius, die übrigen Zimmer auf nicht mehr als 20 Grad beheize, kalte Außenwände beliebig möbliere und die Wohnung nicht mehr als zwei Mal pro Tag für fünf bis zehn Minuten stoßlüfte, hält der Senat dies für verfehlt. Es war für den Senat nicht nachvollziehbar, woher das Landgericht diese Anforderungen hergeleitet habe. Gegen eine solche Festlegung spräche, dass das Nutzungsverhalten vom konkreten Wohnverhalten des Mieters abhänge.
Auch die Frage der Zumutbarkeit eines bestimmten Mieterverhaltens hinsichtlich der Beheizung und Lüftung der Wohnung könne nicht abstrakt-generell, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bestimmt werden. Dass das vom gerichtlichen Sachverständigen für erforderlich gehaltene tägliche zweimalige Stoßlüften mit einer Dauer von jeweils 13 bis 17 Minuten oder ein dreimaliges Stoßlüften von jeweils zehn Minuten oder ein dreimaliges Querlüften von jeweils drei Minuten für den Mieter unter allen Umständen unzumutbar sei, hat der Senat ausgeschlossen. Es sei i.S.d. § 291 ZPO offenkundig, dass nach Vorgängen, die mit einer besonders starken Feuchtigkeitsentwicklung verbunden sind, wie etwa Kochen, Duschen und Waschen, der davon betroffene Raum sogleich zu lüften sei, um die vermehrte Feuchtigkeit durch Luftaustausch alsbald aus der Wohnung zu entfernen.
V. Der Schrank an der Wand
Es sei dem Mieter auch zuzumuten, bei der Möblierung von Außenwänden der Wohnung Einschränkungen hinzunehmen. Die bloße Gefahr einer Schimmelpilzbildung, die durch ein Aufstellen von Möbeln direkt und ohne Abstand an einer baualtersgemäß ungedämmten Außenwand entsteht, stelle deshalb gerade keinen generell zur Minderung der Miete führenden Mangel dar. Jede andere Beurteilung würde dazu führen, dass auch für eine nicht sanierte oder nicht grundlegend modernisierte Altbauwohnung einen Neubaustandard zugrunde zu legen wäre.
C. Kontext der Entscheidung
Durch die Entscheidung werden wichtige Fragen des Gewährleistungsrechts geklärt. Dabei geht der Senat vom Mieter als mündigem Vertragspartner aus, der den bauphysikalischen Unterschied zwischen einer Alt- und Neubauwohnung erkennt und deshalb auch ein unterschiedliches Nutzungsverhalten an den Tag legt. Solche Mieter gibt es! Aber es gibt eben auch die anderen. Es gibt Untersuchungen, nach denen die Schimmelpilzhäufigkeit in Wohnungen vom Bildungsgrad der Bewohner abhängig ist. Denen jetzt noch mehr als bisher schon klarzumachen, wie sie sich zu verhalten haben, ist eine große Aufgabe. Zwar kann der Vermieter mittels der vorliegenden Entscheidung Instandsetzungswünsche der Mieter abwehren, wenn ihm die Wohnung aber voller Schimmel von einem nicht leistungsfähigen Mieter zurückgegeben wird, hilft ihm der theoretische Schadensersatzanspruch auch nicht, zumal in diesem Prozess mit hoher Wahrscheinlichkeit wiederum ein regelmäßig sehr teures Sachverständigengutachten eingeholt werden wird. Wohl dem, der zumindest rechtschutzversichert ist.
D. Auswirkungen für die Praxis
Das bedeutet für die Praxis also zunächst, bei der Vermietung die Mieter über eventuelle Wärmebrücken und Risikoflächen aufzuklären und ggf. die Einhaltung des gebotenen Gebrauchs auch zu kontrollieren. Für die gerichtliche Entscheidungsfindung bedeutet die Entscheidung, dass losgelöst von allen eigenen „Vorurteilen“ und denen von Sachverständigen, eben keine abstrakt-generellen Verhaltensweisen verlangt werden dürfen, sondern immer individuell für den konkreten Mieter in seiner Lebenssituation das geschuldete Nutzungsverhalten ermittelt werden muss. Auch die Sphärentheorie, wonach jede Mietvertragspartei zunächst für den von ihr zu verantwortenden Bereich darlegen und beweisen muss, dass kein Fehler vorliegt, ist daran anzupassen.
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Der Senat hat eine Feststellungsklage hinsichtlich der Minderungsquote für zulässig erachtet. Die Möglichkeit einer Leistungsklage auf Rückforderung etwa unter Vorbehalt gezahlter Mieten stehe einer solchen Klage nicht entgegen. Die rechtsverbindliche Feststellung einer Minderung der Miete kann nämlich durch eine Leistungsklage nicht erreicht werden, weil insoweit die Minderung der Miete nur eine nicht in Rechtskraft erwachsende Vorfrage darstellt.
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