Nachfolgend ein Beitrag vom 7.2.2019 von Bueb, jurisPR-MietR 3/2019 Anm. 4
Leitsätze
1. Liegt bei einem Messie als Mieter zwischen der – mit einer Zwei-Wochen-Frist verbundenen – Abmahnung des Wohnungszustands und der Kündigung nur ein Zeitraum von ca. sieben Wochen, so ist die Kündigung verfrüht, d.h. vor Ablauf einer angemessenen Frist, ausgesprochen worden.
2. Dem Vermieter war zuzumuten noch mit der fristlosen Kündigung abzuwarten, wenn erste Schritte zur Änderung des Wohnungszustands unternommen wurden.
A. Problemstellung
Der Alptraum eines jeden Vermieters ist wohl ein Mieter, der die angemieteten Räume verwahrlosen lässt und zumüllt. Die Folge hiervon kann eine Geruchsbelästigung der übrigen Hausbewohner und Schädlingsbefall sein. Im vorliegenden Fall stellte sich die Frage, welcher Zeitraum zwischen der Abmahnung und dem Ausspruch der Kündigung eines Messie-Mieters gerechtfertigt ist – vor allem dann, wenn der Mieter erste Schritte zur Verbesserung des Zustands bereits eingeleitet hat.
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Mietvertrag zwischen den Parteien bestand seit 1997, auf Anregung des Vaters des Mieters wurde die Wohnung im September 2017 von der klagenden Vermieterin mehrfach besichtigt. Mit Schreiben vom 11.10.2017 monierte die Klägerin den Zustand der Wohnung und forderte den Beklagten auf, den Müll zu beseitigen und die Wohnung grundzureinigen. Anfang November 2017 fand erneut eine Besichtigung statt. Im Anschluss daran kündigte die Klägerin das Mietverhältnis mit Schreiben vom 27.11.2017, da der vertragsgerechte Zustand der Wohnung immer noch nicht wiederhergestellt worden sei. Die Vermieterin verklagte daher den Beklagten vor dem AG Hamburg auf Herausgabe der Mietwohnung.
Die Klägerin behauptet, die Wohnung habe sich bei den Besichtigungen im September 2017 in einem katastrophalen und verwahrlosten Zustand befunden. Sie sei erheblich verdreckt und vermüllt gewesen. Anfang November 2017 habe sie bei der weiteren Besichtigung festgestellt, dass sich der Zustand abgesehen von geringfügigen Aufräumarbeiten nicht geändert habe. Mitte März 2018 erging gegen den Beklagten im Klageverfahren ein Versäumnisurteil auf Herausgabe der Wohnung. Hiergegen legte der Beklagte Einspruch ein und erklärte, es habe zwar die Notwendigkeit bestanden, die Wohnung aufzuräumen und zu reinigen, allerdings seien die von der Klägerin vorgetragenen Zustände deutlich übertrieben. Insbesondere habe es nicht mehrere Zentimeter dicken Dreck und üble, feuchte Gerüche gegeben. Es habe bis zur Besichtigung der Wohnung im September 2017 unstreitig keine Beschwerden über das Wohnverhalten des Beklagten gegeben. Der Beklagte leide an einer psychischen Krankheit, so dass er die Wohnung nicht habe so in Ordnung halten können, wie er sich dies selbst wünsche. Die Wohnungsausstattung sei außerdem mehrere Jahrzehnte alt, so dass eine Renovierung durch die Klägerin überfällig sei.
Im April 2018 habe die Abteilung für Wohnungspflege des Bezirksamtes die Wohnung besichtigt und unstreitig festgestellt, dass kein behördlicher Handlungsbedarf bestehe. Dies zeige, dass der Beklagte bei einer Abmahnung mit ausreichender Frist in der Lage gewesen wäre, die Wohnung in einen vertragsgerechten Zustand zu versetzen. Im Übrigen sei eine einzige Abmahnung, die lediglich eine Fristsetzung von zwei Wochen enthalte, nicht ausreichend, denn sie berücksichtige nicht die gesundheitliche Situation des Beklagten.
Das AG Hamburg hat die Klage abgewiesen.
Nach Auffassung des Amtsgerichts kann die Klägerin vom Beklagten nicht die Herausgabe der Wohnung verlangen, weil das Mietverhältnis durch die Kündigung vom 27.11.2017 nicht beendet wurde. Die Kündigung sei unwirksam, da sie vor Ablauf einer angemessenen Frist nach Ausspruch der Abmahnung erklärt wurde. Es schade zwar nicht, dass die in der Abmahnung genannte Frist von zwei Wochen zu kurz gewesen sei. Auch wenn diese kurze Frist zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung abgelaufen war, so hätte die Kündigung erst nach Ablauf einer angemessenen Frist erfolgen dürfen. Dies war hier nicht der Fall.
Außerdem liege hier die Besonderheit vor, dass die Klägerin erst durch den Vater des Beklagten auf den Zustand der Wohnung aufmerksam gemacht wurde und keine Beschwerden über das Wohnverhalten des Beklagten vorlagen. Es sei somit ersichtlich gewesen, dass der Beklagte für die Verbesserung des Zustandes der Wohnung Hilfe benötige. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums hätte es insbesondere bei einem psychisch nicht gesunden Menschen geboten, mit einer fristlosen Kündigung hinreichend lange zuzuwarten, bis eine Hilfe organisiert sei. Dies geschehe üblicherweise nicht binnen weniger Wochen. Es sei für die Klägerin zumutbar gewesen, mit der Kündigung abzuwarten, da erste Schritte zur Änderung des Wohnungszustandes bereits unternommen wurden.
C. Kontext der Entscheidung
Den Mieter einer Wohnung trifft die allgemeine Obhutspflicht, die Mietsache pfleglich zu behandeln und Schäden zu vermeiden. Diese Obhutspflicht ist eine Nebenpflicht aus dem Mietvertrag. Hierzu gehört es auch, den Hausmüll, insbesondere Speisereste und verdorbene Lebensmittel, zu entsorgen. Geschieht dies nicht und werden die übrigen Hausbewohner durch üble Gerüche belästigt, muss der Vermieter in jedem Fall zunächst eine Abmahnung mit einer angemessenen Beseitigungsfrist aussprechen. Gerade bei alten oder psychisch kranken Mietern ist der Vermieter jedoch gehalten, eine angemessene Frist zur Beseitigung zu setzen.
Die Bezeichnung „angemessene Frist“ ist einzelfallabhängig. Das AG Hamburg hat im vorliegenden Fall die Angemessenheit der Frist von zwei Wochen verneint, da diese nicht im Verhältnis steht zum tatsächlichen Abmahngrund. Es hatten sich zum einen keine anderen Mieter beschwert, zum anderen zeigte der Mieter deutlich, dass er bereits einige Arbeiten erledigt hatte und sich Hilfe holen würde.
D. Auswirkungen für die Praxis
Für eine Kündigung wegen der Verwahrlosung der Wohnung muss eine gewisse Erheblichkeit bestehen. Aus der Mietwohnung müssen sehr störende Gerüche in das Treppenhaus kommen, bevor dies als Kündigungsgrund ausreicht. Außerdem wägen die Gerichte einerseits die Fürsorgepflicht des Vermieters gegenüber den anderen Mietern und andererseits das Interesse des Mieters, in der Wohnung bleiben zu dürfen, gegeneinander ab. Nur wenn die Fürsorgepflicht überwiegt, bestehen gute Kündigungschancen. Wichtig ist immer eine vorausgehende Abmahnung mit einer angemessenen Beseitigungsfrist.
Auch das Alter und die bisherige Mietdauer werden von den Gerichten zur Abwägung herangezogen. Ist der Mieter alt oder psychisch krank und eine Beschwerde der anderen Mieter liegt nicht vor, so ist dem Mieter in jedem Fall Zeit zur Beseitigung des Zustandes zu geben, die über die „üblichen“ zwei Wochen deutlich hinausgehen kann.
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