Nachfolgend ein Beitrag vom 15.9.2015 von Maibach, jurisPR-FamR 19/2015 Anm. 1
Leitsätze

1. Der Übergang und die Art und Weise der Umsetzung des Totenfürsorgerechts richten sich nach dem Willen des Verstorbenen, aufgrund seines auch nach seinem Tod fortwirkenden Persönlichkeitsrechtes.
2. Der Verstorbene ist daher berechtigt, das Totenfürsorgerecht jemand Drittem außerhalb des Kreises der nächsten Familienangehörigen und abweichend von einer Erbeinsetzung zu übertragen.

A. Problemstellung

Wer ist Inhaber des Totenfürsorgerechts und wonach richtet sich die Art und Weise seiner Umsetzung?
B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Kurz vor ihrem Tod hatte die Verstorbene eine Bestattungsanordnung in notarieller Form errichtet, wonach die Verfügungsklägerin damit betraut wurde, sämtliche mit der Bestattung der Verstorbenen zusammenhängenden Fragen unter Ausschluss sonstiger Dritter alleine zu entscheiden. Zudem legte sie fest, an der Seite ihres verstorbenen Ehemanns auf der zum Schlosspark gehörenden Friedhofsinsel bestattet zu werden. Dieser Ort ist als Erbbegräbnisstätte in der deutschen Grundkarte ausgewiesen. Nachdem der Verfügungsbeklagte, der Sohn des Ehemanns der Verstorbenen, die Einäscherung der Verstorbenen in Auftrag gegeben hatte, wurde auf entsprechenden Antrag der Verfügungsklägerin von der zuständigen Behörde die Genehmigung zur Beisetzung auf der Friedhofsinsel in einem Sarg erteilt.Hiernach beantragte die Verfügungsklägerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der dem Verfügungsbeklagten und dem mit der Einäscherung beauftragten Unternehmen durch das Amtsgericht untersagt wurde, den Leichnam der Verstorbenen in anderer Art und Weise zu bestatten als durch Sargbeisetzung auf der Friedhofsinsel. Dagegen hat der Verfügungsbeklagte Widerspruch eingelegt. Er behauptet, die Verstorbene sei zum Zeitpunkt der Errichtung der Bestattungsanordnung nicht geschäftsfähig gewesen, der die Bestattung genehmigende Bescheid sei rechtswidrig, die vorgesehene Bestattung verstoße gegen gesetzliche Bestimmungen und schließlich gehöre die Verstorbene nicht zum Geschlecht derer, denen das vererbliche Recht auf Nutzung der streitgegenständlichen Grabstätte zustehe. Das AG Osnabrück hat die einstweilige Verfügung aufrechterhalten.
Der Widerspruch ist nicht begründet. Die Verfügungsklägerin hat gegenüber dem Verfügungsbeklagten einen Anspruch auf Unterlassung aus § 823 Abs. 1, § 1004 BGB analog. Die Frage, wer zu Entscheidungen über den Leichnam eines Verstorbenen, über die Art der Bestattung sowie den Ort der letzten Ruhestätte zuständig sein soll, bestimmt sich in erster Linie nach dem ausdrücklichen oder mutmaßlichen Willen des Verstorbenen aufgrund seines noch fortwirkenden Persönlichkeitsrechts (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 26.02.1992 – XII ZR 58/91; OLG Karlsruhe, Urt. v. 14.04.1988 – 9 U 50/87; OLG Zweibrücken, Urt. v. 28.05.1993 – 4 U 3/93; LG Lübeck, Urt. v. 24.07.2014 – 14 S 194/13). Vorliegend ist die Verfügungsklägerin aufgrund einer ausdrücklichen Bestattungsanordnung als Totenfürsorgeberechtigte befugt, den Willen der Verstorbenen und die von dieser vorgegebene Gestaltung der Beerdigung gegen Angehörige und Dritte zivilrechtlich durchsetzen. Ihr steht insoweit ein Unterlassungsanspruch analog § 1004 BGB zur Seite. Ebenfalls ergibt sich der Anspruch aus § 823 Abs. 1 i.V.m. § 249 BGB, da das Totenfürsorgerecht als sonstiges Recht i.S.d. § 823 BGB anerkannt ist, gegen dessen Beeinträchtigung dem Rechtsinhaber Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche zustehen (Edenhofer in: Palandt, BGB, Einl. v. § 1922 Rn. 9 ff.; OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.07.2001 – 9 U 11/01). Die Verfügungsklägerin ist aufgrund der wirksamen Bestattungsanordnung berechtigt, die seitens der Verstorbenen festgelegte Art der Beisetzung zu veranlassen. Bei der Entscheidung über die Art und Weise der Bestattung ist insoweit tunlichst der Wille des Verstorbenen zu wahren. Dafür sprechen nicht nur Pietätsgründe, sondern auch der Umstand, dass der Leichnam als der Rückstand der Persönlichkeit des Erblassers anzusehen ist und als solcher Anspruch auf würdigen Umgang hat. Da die Verstorbene eindeutig festgelegt hat, dass sie auf der Friedhofsinsel im Wege der Sargbeisetzung beerdigt werden möchte, ist diesem Willen somit zu entsprechen. Mit seinen Einwendungen im Übrigen dringt der Verfügungsbeklagte nicht durch. Soweit er sich darauf beruft, dass die Voraussetzungen des § 14 BestG NRW nicht vorliegen, da ein berechtigtes Interesse der Verstorbenen an der Beisetzung zu verneinen sei, kann er auch mit diesem Vorbringen nicht durchdringen. Es ist insoweit nicht entscheidend, ob die Verstorbene zum Geschlecht derer gehört, die nach der deutschen Grundkarte ein vererbliches Recht auf Nutzung haben, da § 14 BestG NRW dieses bereits nicht voraussetzt. Die Entscheidung betreffend das berechtigte Interesse hat die Stadt nach eigenem Ermessen getroffen. Da ein berechtigtes Interesse der Verstorbenen bereits aufgrund der Tatsache bestehen dürfte, dass ihr verstorbener Ehemann dort begraben ist, ist der ergangene Bescheid jedenfalls nicht greifbar gesetzeswidrig. Hinsichtlich des Einwands, die Beisetzung mit einem Sarg in der Grabkammer sei gesetzeswidrig, insbesondere unter wasserhaushalts- und gesundheitsrechtlichen Gesichtspunkten, ist ihm eine Beweisführung ebenso wenig gelungen, wie bezüglich der Behauptung, der Genehmigungsbescheid sei rechtswidrig und die Verstorbene sei zum Zeitpunkt der Errichtung der Bestattungsanordnung geschäftsunfähig gewesen. Der Verfügungsgrund ergibt sich daraus, dass ohne Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung mit der geplanten Einäscherung der Verstorbenen Tatsachen geschaffen werden, die in einem Hauptsacheverfahren nicht rückgängig gemacht werden könnten.
C. Kontext der Entscheidung
Das Urteil des AG Osnabrück steht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer aktuellen Entscheidung des LG Lübeck (Urt. v. 24.07.2014 – 14 S 194/13). Hier wie dort wird auf die Maßgeblichkeit des Willens des Verstorbenen abgestellt. Dort stritten der Lebensgefährte der Verstorbenen und deren Geschwister um die Frage, ob die Verstorbene von Lübeck nach Bremen umgebettet werden soll und wem die Entscheidungsbefugnis hierüber zusteht. Das LG Lübeck führt aus, dass das Recht zur Totenfürsorge demjenigen zusteht, den der Verstorbene damit betraut hat. Es kann somit von dem Erblasser auf einen Dritten, der nicht Angehöriger ist, z.B. einen Lebensgefährten, übertragen werden. Die Totensorge beinhaltet Rechte und Pflichten des Sorgerechtsinhabers, u.a. für die Bestattung an einem von dem Verstorbenen bestimmten Ort zu sorgen. In diesem Sinne umfasst die Totenfürsorge auch das Recht und die Pflicht zur Umbettung des Leichnams für den Fall, dass der Ort der letzten Ruhestätte nicht derjenige ist, den der Verstorbene bestimmt hat. Beherrschender Grundsatz des Totensorgerechts ist die Maßgeblichkeit des Willens des Verstorbenen. Bei der Ermittlung dieses maßgebenden Willens des Erblassers kommt es nicht nur auf dessen ausdrückliche Willensbekundungen, etwa in einer letztwilligen Verfügung, an; vielmehr genügt es, wenn der Wille aus den Umständen mit Sicherheit geschlossen werden kann. Lediglich wenn und soweit ein Wille des Verstorbenen nicht erkennbar oder nicht ermittelbar ist, sind die nächsten Angehörigen des Erblassers berechtigt und verpflichtet, über den Leichnam zu bestimmen und über u.a. die letzte Ruhestätte zu entscheiden.
E. Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Die Entscheidung veranschaulicht, wie wichtig die Errichtung einer ausdrücklichen Bestattungsanordnung ist. War im Fall des LG Lübeck der Kläger noch auf eine Beweisaufnahme (mit ungewissem Ausgang) angewiesen, um den nicht ausdrücklich formulierten Willen, wer das Totenfürsorgerecht ausüben soll, zu ermitteln, konnte sich die Verfügungsklägerin vorliegend auf die Bestattungsanordnung der Verstorbenen stützen.